Die Anti-Globalisten

Globalisierung prägt und verändert nicht nur die Welt wie wir sie kennen, sondern auch diejenigen Bewegungen, die sich gegen sie stellen. Dies gilt auch für rechtsextremistische – also inhärent nationalistische – Bestrebungen.

Rechtsextremisten haben eine eigene Begriffsund Gedankenwelt aufgebaut. Dies gilt für das Thema Globalisierung in ganz besonderem Maße (vgl. Pfahl-Traughber 2004, 2006; Grumke 2006). Wie die soziale Frage ist auch Globalisierung gleichermaßen über alle nationalen Grenzen hinweg ein zentrales Kampfund Agitationsthema für Rechtsextremisten. Darüber hinaus werden mit der rechtsextremistischen Globalisierungskritik soziale und kulturelle Themen verquickt und wiederum ethnisiert. Der Gegenentwurf ist eine re-nationalisierte, völkische Ordnung – also nicht weniger als die Rekonstruktion einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft.

Wie in Abschnitt 2.1. sollen an dieser Stelle Begriffsdefinitionen aus dem "Kleinen Lexikon der politischen Grundbegriffe" [1] beispielhaft herangezogen werden. Unter dem Eintrag "Globalisierung" ist zu lesen: "Globalisierung ist das Bestreben des internationalen Kapitalismus, möglichst einheitliche, den Gewinn steigernde Rahmenbedingungen zur Heranschaffung von Arbeitskräften, Ausbeutung der Rohstoffe sowie zum monopolistischen Warenabsatz zu schaffen." Diese Entwicklung habe "die Zerstörung eigenständiger regionaler und nationaler Lebensund Wirtschaftsformen" bewirkt (Taschenkalender 2006: Globalisierung). Der "Internationalismus" wird wiederum als "Gegenstück des Nationalismus" bezeichnet. Er sei der Versuch "weltweit die Völker, ihre Wirtschaft und ihre überlieferten Lebensweisen zu beherrschen, umzuformen, und um des Gewinns willen auszubeuten" (Taschenkalender 2006: Internationalismus). Globalisierung ist im rechtsextremistischen Verständnis also ein Herrschaftsinstrument derjenigen, die Nationen und deren Eigenständigkeit und Eigenarten im Namen des Profits einebnen und zerstören wollen. Eine erhebliche Gefahr geht hierbei vor allem von den USA aus, die als eine Art Globalisierungszentrale gesehen werden, denn: "Internationalismus und Globalisierung sowie der Imperialismus der ›westlichen Wertegemeinschaft‹ im Schlepptau der USA gefährden die Souveränität der Völker in hohem Maße" (Taschenkalender 2006: Souveränität).

Ganz ähnlich hört sich dies im aktuellen NPD-Parteiprogramm an:

"Die Globalisierung ist die Kampfansage an die nationalstaatliche Ordnung und damit an die Freiheit aller Völker. Die Globalisierung steht für die Weltdiktatur des Großkapitals, das die Völker kulturell gleichschaltet, politisch entmündigt, wirtschaftlich ausbeutet und ethnisch zerstört. Dieser Entwicklung gilt es kompromißlos entgegenzutreten." (NPD 2010: 5)

Insofern ist von dem Prozess der Globalisierung aus rechtsextremistischer Sicht nicht allein die nationale Ökonomie, sondern – noch wichtiger – die nationale Kultur, Identität und Tradition auf das Ärgste bedroht. Gilt es doch für jede Generation, "sich auf das Neue mit der kulturellen Überlieferung ihres Volkes schöpferisch auseinander zu setzen" (Taschenkalender 2006: Kultur). MTV, McDonalds und sonstiger von Jugendlichen konsumierter "US-amerikanischer Einheitsbrei" fungieren in der rechtsextremistischen Gedankenwelt als kulturzersetzende internationalistische Instrumente eines planvoll gesteuerten "Globalismus". Dieser wiederum bildet das Gegenteil zu dem erwünschten Streben nach Autarkie (Taschenkalender 2006: Autarkie).

Im zeitgenössischen Rechtsextremismus spielt der Begriff "Globalismus" eine zentrale Rolle und steht vielfach im rechtsextremistischen Kontext für die Macht eines geschichtsund gesichtslosen Großkapitals, für "amerikanischen Kulturimperialismus" und für einen "multirassischen Genozid", der "von Washington, Wall Street und Hollywood" angeblich angestrebt wird. Eine Art Monopolstellung liegt hiernach bei den USA, insbesondere bei deren Ostküste (als Synonym für eine jüdische Vorherrschaft). Mit der von dort initiierten "Überfremdungspolitik" solle Deutschland entscheidend geschwächt und mit dem ständigen Hinweis auf die Verbrechen der Vergangenheit demoralisiert und entwürdigt werden.

Begrifflich und inhaltlich ist hier zu unterscheiden zwischen dem Prozess der Globalisierung und dem "Globalismus". In den vom Nationaldemokratischen Hochschulbund, dem Studentenverband der NPD, erstellten und in der rechtsextremistischen Bewegung weitläufig kursierenden "12 Thesen zum Globalismus" wird der Unterschied herausgearbeitet: "Globalisierung ist der Prozess, dessen sich die Globalisten zur Durchsetzung ihrer Ziele bedienen." Im Einzelnen wird hier weiter ausgeführt: "Die von den Globalisten hervorgerufenen Migrationsströme führen ebenso wie die Uniformität der Märkte, ihrer Produkte und ihrer Kommunikation, zur Zerstörung gewachsener Sprachen und Kulturen." [2]

Rechtsextremisten sehen also den Prozess der Globalisierung als willentlich gesteuerte Vernichtung von Kulturen, Traditionen und Werten (und letztlich von Nationen und Völkern) durch die oben beschriebenen mächtigen "Globalisten". Im von Rechtsextremisten international verstandenen Code sind "Globalisten" auch "Ostküste", ist der "Globalismus" auch "New World Order" (NWO) und sind die in diesen "Globalisierungsplan" verwickelten Regierungen und Eliten auch "Zionist Occupied Government" (ZOG).

Hinter den Buchstaben ZOG verbirgt sich der Glaube an eine jüdische Weltverschwörung, bei der alle demokratischen Regierungen sowie Banken, Medien und vieles mehr insgeheim von Juden kontrolliert werden und die unter allen Umständen bekämpft werden muss. [3] Ein weiteres Schreckensbild ist die "Eine Welt" (oder "New World Order"), die im "Kleinen Lexikon der politischen Grundbegriffe" als "Wahnvorstellung" bezeichnet wird, "gespeist durch den Glauben an eine homogene ›Menschheit‹ ohne Bindungen und Überlieferungen". [4] In diesem Zusammenhang werden gleich zwei weitere Feindbestimmungen vorgenommen, die Vereinten Nationen und die Menschenrechte: "Werkzeug des Imperialismus zur Schaffung der ›Einen Welt‹ sind die ›Vereinten Nationen‹. Die ideologische Leimrute zur weltweiten Durchsetzung der ›westlichen Werte‹ sind die ›Menschenrechte‹" (Taschenkalender 2006: Eine Welt).

Der rechtsextremistischen Logik zufolge wird "im Namen der Menschenrechte das Individuum über ein bestimmtes Kollektiv gestellt, womit dessen als egoistisch geltende Interessen die angeblichen Interessen der ethnischen Gemeinschaft" überlagern (Pfahl-Traughber 2006: 41 ff.). "Das Gebot der Stunde", stellte 2002 der damalige stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Karl Richter fest, "bleibt nachhaltiges und entschiedenes Opponieren gegen alles, was uns derzeit von den großen Brüdern angepriesen wird: Globalisierung, Menschenrechte, Multikulti, die Liberalisierung und Atomisierung aller Lebensbereiche" (Richter 2002: 1).

Wer diese "Großen Brüder" sind, bleibt freilich offen. Wesentlich aufschlussreicher sind hier die Einlassungen in der "Handreichung für die öffentliche Auseinandersetzung" der NPD, in der die Frage "Warum lehnt die NPD so entschieden die Globalisierung ab?" folgendermaßen beantwortet wird:

"Es handelt sich bei der Globalisierung um das planetarische Ausgreifen der kapitalistischen Wirtschaftsweise unter der Führung des Großen Geldes. Dieses hat, obwohl seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA." (NPD 2006: 19)

Globalisierung steht zusammenfassend im rechtsextremistischen Kontext wahrhaft global für die Macht eines heimatlosen Großkapitals, für amerikanischen Kulturimperialismus und für einen "multirassischen Genozid" beziehungsweise ein "rassezerstörendes Trümmerfeld", das "von Washington, Wall Street und Hollywood angestrebt wird", wie es der Vorsitzende der "British National Party" (BNP), Nick Griffin, in einem Interview mit der Deutschen Stimme im Jahre 2002 formuliert (Deutsche Stimme 2002).

Auf der Folie der oben genannten begrifflichen Basis bilden Kampagnen aller Art den Kern der rechtsextremistischen Agitation zur sozialen Frage und Globalisierungskritik. Im Folgenden wird dies anhand von ausgewählten Beispielen verdeutlicht.

  • [1] Siehe: Taschenkalender des Nationalen Widerstandes 2006. (siehe Fussnote Nr.2).
  • [2] 12 Thesen zum Globalismus. In: npd-goettingen.de/Weltanschauung/12_Thesen_zum_ Globalismus.html (zuletzt abgerufen am 28. 8. 2013).
  • [3] Diese Idee geht zurück auf die "Protokolle der Weisen von Zion", eine antisemitische Propagandaschrift, die vorgibt, einen Plan zur Errichtung der jüdischen Weltherrschaft zu enthüllen; 1903 in Russland und seit 1919 in vielen Sprachen publiziert. Obwohl schon 1921 nachgewiesen wurde, dass es sich um eine Fälschung handelt, hat die Schrift großen Einfluss auf Antisemiten weltweit.
  • [4] Taschenkalender 2006", Eintrag "Eine Welt".
 
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