Das Zeitalter der großen griechischen Kriege

u Beginn des 5. Jahrhunderts v . Chr. waren die griechischen Städte auf der asiatischen Seite der Ägäis vollständig in den Einflußbereich des expandierenden persischen Reiches geraten, das sich zu jener Zeit bis nach Libyen und Makedonien ausdehnte, Herodot, der große Reisende und Chronist der Geschichte seines Zeitalters, beschreibt, wie sich im Jahre 499 v. Chr. die Bürger der ionischen Stadt Milet gegen die persischen Besatzer erhoben. Bald stießen Heere anderer griechischer Städte zu ihnen; gemeinsam eroberten sie die frühere lydische Hauptstadt Sardes, die nun als Hauptquartier der Perser diente. "Aber", so fährt Herodot fort, daß die eroberte Stadt nicht geplündert wurde, hatte folgenden Grund. Die meisten Häuser in Sardes waren aus Schilf gebaut, auch die steinernen hatten Schilfdächer. Ein Soldat zündete ein Haus an und sofort verbreitete sich das Feuer von Haus zu Haus über die ganze Stadt. Die Bewohner, Lyder und was an Persern sich dort aufhielt, sahen sich vom Feuer rings umzingelt, da alle äußeren Stadtteile brannten. Da sie keinen Ausweg aus der Stadt fanden, strömten sie auf den Marktplatz und am Paktolosufer zusammen und setzten sich notgedrungen zur Wehr (5, 101). [1]

Im Feuer von Sardes, fügt Herodot hinzu, wurde auch das Heiligtum der Stammgöttin Kybele zerstört, und mit Berufung darauf verbrannten später die Perser die Tempel in Hellas (5, 102).

Offensichtlich betrachtete Herodot das Niederbrennen von Tempeln als ein Sakrileg, eine größere Greueltat als das Niederbrennen einer Stadt. Er deutete an, daß die Griechen diese Greueltat unabsichtlich begingen, während die Perser sie später absichtlich aus Rache wiederholten. Durch den Hinweis auf diese persischen Racheakte nahm Herodot die großen Kriege von 490 und 480–479 v. Chr. vorweg, als die Perser ein Heer von vielen Zehntausenden von Männern mit der Absicht schickten, die Revolte der Städte an der ionischen Küste zu unterdrücken und die griechischen Städte auf dem europäischen Festland ebenfalls zu unterwerfen. In der ersten Expedition gelang es ihnen, die ionischen Städte zurückzuerobern; und Herodots Worten zufolge: "(wählten sie) aus den eroberten Städten (…) die schönsten Knaben und schnitten ihnen die männlichen Teile aus, so daß sie Eunuchen wurden, und die lieblichsten Jungfrauen schleppten sie zum König. Und die Städte, samt den Heiligtümern, wurden verbrannt" (6, 32).

Auch im zweiten Krieg galt überall, wo die persische Armee hinkam: "Alles was sie fanden, verbrannten und zerstörten sie und legten Feuer an die Städte und Heiligtümer" (8, 32). Eine Stadt nach der anderen wurde in Asche gelegt, als die Perser sich auf Athen zubewegten, wo sie nach heftiger Belagerung den Haupttempel der Akropolis einnahmen; dann "plünderten sie den Tempel und zerstörten die ganze Akropolis durch Feuer" (8, 53).

Trotz dieser Katastrophe waren die Griechen nach und nach in der Lage, den Attacken der Perser zu widerstehen und sie aus Europa herauszutreiben. Für Herodot gab die Begegnung zwischen den zwei großen Mächten Gelegenheit, nicht nur den Hintergrund und den Verlauf des Konfliktes zu erforschen, sondern auch den, wie wir es heute nennen würden, Nationalcharakter der zwei rivalisierenden Völker und anderer Völker ringsum. Er verweilte mit Genuß bei den kulturellen Unterschieden, die er auf seinen Reisen sah. In Ägypten war er besonders daran interessiert, Sitten zu finden, die im scharfen Kontrast zu denjenigen standen, die er in Griechenland als typische Lebensform ansah.

Herodot konnte nicht wissen, daß sich die Griechen, angeführt von Athen und Sparta, nach ihrem Sieg über Persien in einen erschöpfenden gegenseitigen Vernichtungskampf um die Hegemonie über alle griechischen Stadtstaaten einlassen würden. Die Ereignisse, die fast unausweichlich zum Ausbruch dieses Krieges führten, und die ersten zwanzig Jahre seines Verlaufs wurden von Thukydides in der Geschichte des Peleponnesischen Krieges aufgezeichnet – immer noch ein Meisterwerk, nicht nur der historiographischen, sondern auch der Sozialwissenschaft im allgemeinen.

Thukydides beschrieb in den einleitenden Kapiteln, wie Sparta und Athen sich auf den Krieg zubewegten, hineingezogen durch eine Serie von Ereignissen, die sie selbst nicht kontrollieren konnten. Als der Krieg einmal ausgebrochen war, führte er zu einem schweren Zusammenbruch öffentlicher Moral; er hatte ausgesprochen "dezivilisierende" Effekte. In den wenigen Episoden, in denen Feuer eingesetzt wurde, geschah dies in einer typisch linkischen Art mit Resultaten, die meistens unvorhergesehen und unbeabsichtigt und manchmal geradezu katastrophal waren. Zum Beispiel versuchten die Spartaner zu Beginn des Krieges 429 v. Chr. eine schnelle Eroberung der relativ kleinen Stadt Platäa. Nach einigen erfolglosen Versuchen mit konventionellen Belagerungen "beschlossen sie, es mit Feuer zu versuchen".

Sie schleppten Holzbündel herbei und warfen sie vom Damm in den Zwischenraum von Mauer und Aufschüttung, und als dieser bei der Unzahl von Händen rasch aufgefüllt war, schichteten sie Holz auch noch der übrigen Stadt entlang, soweit sie irgend von oben herabreichen konnten; dann warfen sie Feuer hinein mit Schwefel und Pech, so zündeten sie es an. Es gab eine Flamme so groß, wie bis zu jener Zeit noch niemand eine von Menschenhand entfachte gesehen hatte (denn aus Bergwäldern, wenn Winde die Äste aneinander reiben, ist auch schon von selbst Feuer und Flamme aufgelodert) (3, 77). [2]

Es ist interessant, daß Thukydides den Brand größer nannte als irgendeinen, der vorher gesehen wurde. Dieses deutet darauf hin, daß die griechischen Städte dieser Zeit nicht oft von Feuersbrünsten betroffen waren. Die Bemerkung über Waldbrände, die durch sich reibende Äste im Wind hervorgerufen werden, scheint als nachträglicher Gedanke hinzugefügt worden zu sein; er war wahrscheinlich mehr durch konventionelle Vorstellung als durch persönliche Erfahrung geprägt, denn nach Aussagen moderner Forstwissenschaftler ist dies eine sehr unwahrscheinliche Ursache für einen Waldbrand. [3] Thukydides wollte damit ausdrücken, daß das Feuer, das die Spartaner entfacht hatten, in der Tat sehr groß war, und "fast beinahe die Plataier ausgelöscht hätte (…) und einen großen Teil der Stadt fast unbewohnbar gemacht hatte". Wie der Zufall es wollte, kam jedoch Wind auf, und ein Sturm mit heftigem Gewitterregen löschte das Feuer aus. Die Stadt war gerettet, und die Spartaner sahen sich gezwungen, ihre Belagerung fortzusetzen, die bis zum Winter 428/427 v. Chr. dauern sollte. Als die Verteidiger nun doch gezwungen waren, die Stadt zu verlassen, gelang es den meisten, in der Nacht mit Hilfe von Feuerfackeln zu entkommen, die die Feuersignale ihrer Belagerer durcheinanderbrachten (4, 22–24).

Auch in ein paar anderen Episoden wurde Feuer eingesetzt, aber gewöhnlich spielte das Wetter nicht mit, und die gewünschten Effekte traten nicht ein. Bei einer Gelegenheit arbeitete das Feuer zugunsten der Athener: Nachdem sie auf einer unbewohnten Insel gelandet waren, waren sie nicht in der Lage, ihre Feinde aufzuspüren, die in dichten Wäldern versteckt waren. Dann entfachte ein Soldat, der seine Mahlzeit kochte, unabsichtlich Feuer. Der Wind kam auf, und fast brannte der ganze Wald nieder und deckte so die Position des Feindes auf (7, 29–30).

Es hat den Anschein, daß es nur eine einzige Gegebenheit gab, bei der Feuer vorsätzlich und erfolgreich eingesetzt wurde. Dies geschah, als die Spartaner die Stadt Delium belagerten, Sie konstruierten eine riesige Röhre aus Holz und Eisen, die mit einem großen Kessel verbunden wurde, der mit angezündeten Kohlen, Schwefel und Pech gefüllt war. Mit Hilfe großer Gebläse konnten sie diesen merkwürdigen Apparat als Flammenwerfer benutzten, der Feuer an die Festung legte, so daß die Verteidiger gezwungen waren, ihre Positionen zu verlassen und zu fliehen. Thukydides' detaillierte Beschreibung des Flammenwerfers legt nahe, daß es eine einmalige Waffe war. In späteren Kriegen in der griechischrömischen Welt wurden ähnliche Waffen gelegentlich eingesetzt, z. B. während der Belagerung der phönizischen Stadt Tyros durch Alexander den Großen. [4] Es scheint jedoch so gewesen zu sein, daß Feuer nur unter besonderen Umständen zum Einsatz kam, wenn konventionellere Mittel versagt hatten. Der Hauptgrund dafür war wahrscheinlich die Unvorhersehbarkeit des Wetters, denn Regen konnte dafür sorgen, daß das Feuer die feindlichen Festungen nicht zerstörte, während ein Sturm die Flammen in die eigene Richtung treiben konnte.

Zu den Operationen einfallender Armeen gehörte gewöhnlich, was der Altertumsforscher Victor D. Hanson die "ländliche Verwüstung" genannt hat: die gesamte Plünderung und Zerstörung des ländlichen Raumes. Feuer war das bevorzugte Mittel, um Häuser und Eigentum zu zerstören, und im Frühsommer, wenn das Getreide reif war, auch die Felder. Brennen und Plündern wurde von leichtoder unbewaffneten Truppen ausgeführt, die durch Ausfälle von Kavallerie und bewaffneten Truppen immer verwundbar waren. Die gebirgige griechische Landschaft schränkte auch die Reichweite und die Geschwindigkeit ihrer Operationen ein. Aus diesen Gründen war, wie Hanson zeigt, die Verwüstung ein "langsamer Prozeß". Er entsprang nicht einer spontanen Raserei, sondern war Teil einer gut geplanten Strategie, die darauf abzielte, die Ressourcen des Feindes zu vernichten und seine Moral zu untergraben. [5] Die dauerhafte Zerstörung der Felder wurde selten, wenn überhaupt je erreicht; da die Landwirtschaft hauptsächlich auf Arbeit beruhte, konnten die Kapitalverluste durch militärische Zerstörung in einigen Jahren wieder ausgeglichen werden.

Obwohl die Armeen ihr Bestes taten, um das Land zu verwüsten, war ihr eigentliches Ziel die Eroberung der Städte. Wie der Militärhistoriker Martin Van Creveld anmerkt,

"war ein Land nicht wirklich besetzt, bis seine Festungen geschleift waren".[6] Dies bedeutete zur Zeit des Peloponnesischen Krieges, daß die belagerten Städte eingenommen und zerstört werden mußten. Die mißlungene Attacke auf Platäa und andere Episoden, über die Thukydides berichtet, weisen darauf hin, daß die Zerstörung einer Stadt durch Feuer nicht immer leicht war – selbst nicht nach der Eroberung. Oft genug mußte extra Brennstoff herangeschafft werden, wie trockenes Unterholz, Stroh oder Öl, um jedes Haus den Flammen zu übergeben. [7]

Am militärischen Einsatz von Feuer änderte sich nicht viel, als die Römer ihre Vorherrschaft über den Mittelmeerraum etablierten. Nach einer bekannten, aber zweifelhaften Legende konstruierte der griechische Naturwissenschaftler Archimedes im Jahre 212 v. Chr. – während einer Belagerung von Syrakus durch die römische Flotte – einen gigantischen Spiegel, um Sonnenstrahlen zu reflektieren und die feindlichen Schiffe in Brand zu setzen. Als die Römer 146v. Chr. Griechenland eroberten, zeigten sie in gewisser Weise Entgegenkommen, indem sie Athen verschonten. Bei anderen Gelegenheiten jedoch zögerten sie nicht, die feindlichen Städte durch Feuer zu zerstören. Die unterschiedlichen sozialen Profile solcher Städte spiegeln sich in dem unterschiedlichen Nachdruck wider, mit dem die Historiker die Zerstörung des königlichen Palastes in Persepolis, der Häuser in Karthago und des Tempels in Jerusalem behandeln.

  • [1] Alle Auszüge aus Herodots Historien sind der Übersetzung von A. Horneffer, Stuttgart 1971, entnommen.
  • [2] Hervorhebung von mir. Alle Auszüge aus Thukydides sind der Übersetzung von Georg Peter Landmann, München 1977, entnommen.
  • [3] Vgl. Meiggs 1982, S. 375.
  • [4] Vgl. Ferrill 1985, S. 204 ff.
  • [5] Hanson 1983, S. 11–36.
  • [6] van Creveld 1991, S. 28.
  • [7] Vgl. Hanson 1983, S. 59 f., 92.
 
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