Feuer im Krieg

Griechisches Feuer

Die Dreiteilung des Römischen Reiches in drei verschiedene religiöse Domänen wurde nicht nur durch missionarische Überredungskunst allein errichtet; militärische Macht spielte eine entscheidende Rolle. Eine gefürchtete Waffe in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen war, besonders im östlichen Mittelmeerraum, über mehrere Jahrhunderte das sogenannte "griechische Feuer". Die vage Bezeichnung (die, wie es scheint, von den christlichen Kreuzfahrern aus Westeuropa geprägt wurde), die Geheimnisse, die es umwitterten, und die vielen Legenden, die über die Waffe erzählt wurden, erschweren manchmal die Unterscheidung von Dichtung und Wahrheit. Es lohnt sich dennoch, seine Geschichte zu untersuchen.

Der Legende zufolge hatte die byzantinische Flotte von der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts an eine furchterregende Waffe, mit der sie jeden Feind zur See schlagen konnte. Ihre Schiffe waren mit feuerwerfenden Abschußrohren ausgerüstet, aus denen eine brennende Flüssigkeit auf den Feind geschleudert werden konnte. Das Feuer wurde durch das Wasser nicht gelöscht, sondern brannte weiter. Jedes Schiff, das von ihm umschlossen wurde, ging in Flammen auf.

Die ersten, die mit dieser Waffe konfrontiert wurden, waren die Araber. Ihre triumphale Expansion entlang der Küste des Mittelmeeres wurde dadurch zweimal (676 und 717) in den Gewässern bei Konstantinopel zum Stillstand gebracht. Die Rettung der Stadt und daher auch des Imperiums (und, der Meinung mancher zufolge, auch des Christentums) wurde gemeinhin dem Gebrauch des "flüssigen Feuers" zugeschrieben. In späteren Jahrhunderten wurden einige andere Seemächte – Franken, Russen, Normannen, Pisaner – ähnlich abgeschreckt.

Die Byzantiner behandelten ihre Waffe wie einen geheiligten Schatz. Im 10. Jahrhundert schärfte Konstantin Porphyrogennetos, der regierende Kaiser, seinem Sohn und Erben ein, deren Geheimnisse niemals einer anderen Nation weiterzugeben:

Die treuen Zeugnisse unseres Vaters und unseres Großvaters versichern uns, daß es nur unter Christen hergestellt werden soll, und nur in der Stadt, die sie regieren, und nirgendwo sonst, noch soll es in irgend ein anderes Land gesandt oder dort gelehrt werden. [1]

Die erschreckenden Wirkungen des Griechischen Feuers mußten eine Vielzahl von Spekulationen über seine Zusammensetzung entfachen – sowohl bei Zeitgenossen als auch bei Historikern. Die brennende Flüssigkeit wurde in der Regel als eine Mischung aus Schwefel, Salpeter, Naphtha und anderen Substanzen mit düster klingenden Namen beschrieben, von denen die meisten mehr Genauigkeit vorgaben, als sie tatsächlich enthielten. Die traditionellen Meinungen wurden in letzter Zeit von Naturwissenschaftsund Technik-Historikern in Frage gestellt, die es für wahrscheinlicher erachten, daß die Flüssigkeit aus einer leicht brennbaren Form von Rohöl oder einem seiner Destillate bestand. Das "Geheimnis" ihres Gebrauchs beruhte zunächst einmal darauf zu wissen, wo Öl gefördert werden konnte, sowie darauf, es bei entsprechend niedriger Temperatur fördern zu können, damit es nicht sofort verdampfte. Dann bedurfte es während der Schlacht der Mittel und Fähigkeiten, das Öl in einem geschlossenen Behälter zu erhitzen und mit Hilfe einer Pumpe in den Feind zu schleudern, sobald es entflammbar war. Das ganze Unterfangen war sehr gefährlich und erforderte speziell ausgebildete Mannschaften. Wenn sie im Kampf starben, konnten sie nur durch ebensogut ausgebildete Spezialisten ersetzt werden. [2] Jahrhundertelang beanspruchten die Byzantiner, die einzige Macht zu sein, die diese Waffe besaß. Genaugenommen traf dies wohl zu. Sogar als 812 eine bulgarische Truppe unerwartet ein Lager erbeutete, das sowohl Bronzefässer für die Entladung von Griechischem Feuer als auch einen großen Vorrat der Flüssigkeit selbst enthielt, hatte sie offensichtlich nicht die Fähigkeiten, davon Gebrauch zu machen. Wenn das Griechische Feuer tatsächlich weiter eine besondere Waffe der Byzantiner blieb, würde dies die These von Martin van Creveld untermauern, demzufolge Krieg in vorindustriellen Gesellschaften vor 1500 nicht durch eine einzige vorherrschende Militärtechnologie gekennzeichnet ist, sondern durch "eine Tendenz zu regionaler und nationaler Spezialisierung".[3]

So entwickelten die Araber zur gleichen Zeit zunehmend wirksamere Rüstungen und Strategien zur Verteidigung gegen Angriffe mit Griechischem Feuer, wobei sie Asbest und andere feuerresistente Materialien benutzten. Zudem entwickelten sie eigene Feuergranaten und andere Feuerwaffen. Diese ganze Palette arabischer und byzantinischer Waffen nannten die Kreuzfahrer aus Westeuropa, ohne sie weiter zu unterscheiden, "griechisches Feuer".

Für die Kreuzfahrer, die aus Gebieten kamen, in denen es keine leicht brennbaren, mineralischen Flüssigkeiten gab, war die erste Begegnung mit Feuerwaffen ein schrecklicher Schlag. 1139 verurteilte das zweite Lateranische Konzil den Gebrauch solcher Waffen als Todsünde. Dennoch versuchten Armeen christlicher Soldaten aus dem Westen wenig später, sie ebenfalls anzuwenden. Einige dieser Versuche schlugen kläglich fehl, weil die Soldaten an den Feuerwaffen die Richtung des Windes falsch eingeschätzt und ihre eigene Ausrüstung in Brand gesetzt hatten.

Nach dem 12. Jahrhundert scheint die Verwendung von Griechischem Feuer und entsprechender Waffen abgenommen zu haben – zwar nicht plötzlich, aber nach und nach. Verschiedene Gründe wurden hierfür angeführt. So kann dies das Ergebnis der generellen Schwächung des Byzantinischen Reiches sein, die einen Mangel an ausgebildeten Handwerkern und einen Verlust von Kontrolle über die Versorgungslinien für das notwendige Öl verursacht haben kann. [4] Ein anderer Grund dafür, daß es nicht mehr verwendet wurde, können die begrenzten Einsatzmöglichkeiten für Griechisches Feuer sein. Es konnte nur über kurze Entfernungen gefeuert werden und war deshalb nur auf See effektiv. Hier kam man nahe genug an den Feind heran, um sicherzustellen, daß die brennende Flüssigkeit ihr Ziel traf; und selbst hierfür mußten das Meer ruhig und der Wind verläßlich sein. Ziele zu Lande waren weder so leicht zugänglich noch so leicht entflammbar wie die hölzernen Schiffe. Eine andere Erklärung für das allmähliche Verschwinden des Griechischen Feuers könnte sein, daß seine abschreckende Wirkung abnahm, als die Araber und andere militärische Gegner in den Besitz ähnlich zerstörerischer Feuerwaffen kamen. Vielleicht war seine zerstörerische Kraft in Seeschlachten so groß, daß Flottenkommandeure nur dann das Risiko eingingen, es einzusetzen, wenn die Gegner nicht in der Lage waren, in gleicher Weise zurückzuschlagen.

Das allmähliche Verschwinden des Griechischen Feuers wurde zweifelsohne durch das Aufkommen einer neuen Art von Feuerwaffe beschleunigt: die mit Schießpulver geladene Kanone. Obwohl auch dieser Waffentyp anfangs weit davon entfernt war, für seine Anwender zuverlässig und sicher zu sein, eröffnete er eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten für die Artillerie. 1453 brachen die Mauern Konstantinopels unter aus von türkischen Kanonen gefeuerten Geschossen zusammen.

Auch in ihrer letzten Schlacht bedienten sich die Byzantiner der Feuerwaffen. Sie mußten sich jedoch der Wucht der Kanonen, die sich mit einer strengen militärischen Disziplin verband, beugen:

Feuer wurde auf die türkischen Truppen gegossen, die die Mauern der Stadt stürmten, und uns wird das alptraumhafte Bild von Soldaten vermittelt, die schreiend vor Schmerzen in den Graben fielen, während weitere durch Wachen mit Keulen und Peitschen nach vorne geprügelt wurden und die Janitscharen im Hintergrund diejenigen niederstreckten, die zu fliehen versuchten. Aber 1453 war Schießpulver die entscheidende Waffe, und griechische Feuerschiffe wurden von türkischen Kanonenkugeln versenkt, bevor sie die angreifende Flotte beschädigen konnten. [5]

  • [1] Übersetzt nach dem Zitat bei Ellis Davidson 1973, S. 66.
  • [2] Vgl. Forbes 1959, S. 70–90; Partington 1960, S. 10–41; Finó 1970; Ellis Davidson 1973; Haldon und Byrne 1977.
  • [3] Van Creveld 1991, S. 15.
  • [4] Haldon und Byrne 1977, S. 99.
  • [5] Ellis Davidson 1973, S. 65 f.
 
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