Feuer auf dem Land
Entwaldung
Uber den gesamten Zeitraum von 850 bis 1850 hinweg fand die große Mehrheit der Menschen weiterhin ihren Lebensunterhalt auf dem Land. Es mag merkwürdig erscheinen, sie erst jetzt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, nachdem die Verwendung von Feuer in der Religion, im Krieg und in den Städten erörtert wurde. Ein Großteil der Erörterung betraf jedoch selbstverständlich auch sie, zumindest implizit – denn sie waren es, die die große Mehrheit der Gläubigen bildeten, auf deren Land Schlachten geschlagen wurden und die die Stadtbevölkerung mit Nahrung und Brennstoffen versorgten.
Im großen und ganzen ging der Wandel auf dem Land in langsameren Schritten voran als in den Städten. Dennoch fanden auch hier Veränderungen statt. Eine der bedeutsamsten war die schrittweise Ausdehnung von Äckern und Weiden auf Kosten von Wäldern. Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches waren viele gerodete Waldstücke aufgegeben worden. Diese waren wieder mit Bäumen zugewachsen, so daß im frühen Mittelalter ein Großteil Westeuropas – im Gegensatz zu großen Teilen Chinas und Nordafrikas – mit dichten Wäldern bedeckt war. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren jedoch nur noch wenige dieser Wälder übrig. Als Gründe für diesen Prozeß der Entwaldung ergänzten sich der Bedarf an Holz und der Bedarf an offenen Feldern und Weiden gegenseitig. Ein Teil des Holzes wurde als Baumaterial für Gebäude und Schiffe genutzt, ein bei weitem größerer Teil wurde jedoch wahrscheinlich als Brennstoff verbraucht.
Die ersten fünfhundert Jahre nach 850 waren durch ein fast ununterbrochenes extensives und intensives Wachstum gekennzeichnet, und die Entwaldung schritt entsprechend voran. Der Bevölkerungsrückgang, der um 1350 auf den Schwarzen Tod folgte, bewirkte einen vorübergehenden Rückschlag. Im 15. Jahrhundert aber begann die Bevölkerung wieder zu wachsen, und damit einhergehend wurde die Nutzung von Land intensiver, und die Entwaldung schritt wieder im selben Tempo wie vorher voran. Bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren einige dicht besiedelte Gebiete wie die Niederlande oder England größtenteils ohne Wald. In England entkamen nur Teile der geschützten königlichen Wälder dem Fällen; im westlichen Teil der Niederlande überlebte nicht ein einziger Wald. [1] Wie oben gezeigt wurde, fanden die beiden Länder sehr unterschiedliche Alternativen zu Holz als Brennstoff.
Da der Nutzwert des Holzes hoch war, gibt es wenige Nachweise für Brandrodungspraktiken. In The Agrarian History of Western Europe, A. D. 500–1850 des niederländischen Historikers B. H. Slicher van Bath werden sie kaum erwähnt. Menschen hätten nicht mutwillig Bäume verbrannt. Selbst wenn sie in erster Linie daran interessiert gewesen wären, das Land zu roden, hätten sie nur Wurzeln, Äste und Unterholz abgebrannt: Holz war sowohl in der städtischen als auch in der Landwirtschaft bei weitem zu wertvoll. [2] Alte Formen von Brandrodungswirtschaft überlebten nur entlang den langsam zurückweichenden Grenzen des kultivierten europäischen Festlands, in den "Grenzgebieten" Rußlands und Finnlands. Außerhalb dieser Randgebiete waren das ländliche und das städtische Europa gleichermaßen "feuergeschützte Zonen" geworden.