Jenseits feuergeschützter Zonen: Waldbrände

Menschen, die in einer Stadt aufgewachsen sind, umgeben von Feldern und Weiden, die dauernd landwirtschaftlich genutzt werden, können ziemlich überrascht sein, wenn sie ein Gebiet besuchen, in dem Jäger und Sammler oder Feld-Wald-Wechselwirtschaft betreibende Bauern leben, die regelmäßig große Landstriche in Brand setzen. Einer der ersten Menschen, von dem wir wissen, daß er seine Verwunderung über so einen Anblick aufgezeichnet hat, war der karthagische Reisende Hanno, der um 500 v. Chr. entlang der afrikanischen Küste bei Sierra Leone segelte und aus dem Busch auf den Inseln nahe dem Festland Flammen hoch in den Himmel hinaufschlagen sah. [1] Viele andere Stadtmenschen machten seither ähnliche Erfahrungen. So schrieb der britische Anthropologe Bronislaw Malinowski am Tag seiner Ankunft in Port Moresby in Neuguinea im Sommer 1915 in sein Tagebuch:

Feuer waren an verschiedenen Orten angezündet worden. Rote, manchmal purpurrote Flammen krochen in schmalen Bändern den Berghang hoch; durch den dunkeloder saphirblauen Rauch verändert der Berghang die Farbe wie ein schwarzer Opal unter dem Glitzern seiner geschliffenen Oberfläche. Vom Berghang vor uns breitete sich das Feuer ins Tal hinunter aus, indem es das hohe, feste Gras fraß. Tobend wie ein Hurrikan aus Licht und Hitze kam es genau auf uns zu, während der Wind, der hinter ihm wehte, halb verbrannte Teilchen in die Luft wirbelte. Vögel und Grillen flogen in Wolken vorbei. Ich ging direkt in die Flammen. Wunderbar – eine völlig verrückte Katastrophe, die in einem furiosen Tempo direkt auf mich zu stürmte. [2]

Wie Malinowski sich wohl bewußt war, war das ungeheure Feuer nicht eine außer Kontrolle geratene Naturgewalt, sondern wurde von den Menschen, die er untersuchen würde, angezündet und beherrscht. Für sie war Brandrodung praktisch die einzige Möglichkeit, Land für die Bebauung zu gewinnen. Dagegen neigten Stadtmenschen, die nicht an große kontrollierte Feuer gewöhnt waren und die berücksichtigten, wie kostbar der Wald war, gewöhnlich zur Verurteilung dieser Praktiken. Sie fanden Brandrodung primitiv und verschwenderisch und betrachteten sie als rücksichtslose Ausbeutung. Seßhafte Farmer dachten ebenso. Ihrem Wissen nach wurde Brandrodung nur auf unergiebigem Boden in fernen Gebieten angewendet. Den meisten von ihnen war wohl kaum klar, daß ihre Felder früher einmal auf dieselbe Weise gerodet worden waren.

Im 20. Jahrhundert wird die Brandrodung positiver beurteilt. [3] Diese Veränderung der Einschätzung ist Teil eines generellen Wandels im kulturellen Klima der hochindustrialisierten Länder. Den Menschen wird zunehmend bewußt, daß die fortschrittlichsten Formen intensiver Landwirtschaft von der ständigen Zufuhr enormer Brennstoffmengen abhängen. Das Bewußtsein von den Kosten, die mit dieser Art der agrarischen Produktion verbunden sind, hat eine positivere Einstellung älteren Formen gegenüber entstehen lassen.

Die veränderte Einstellung brachte auch ein größeres Interesse für Brandrodungspraktiken mit sich, die in verschiedenen Verhältnissen tatsächlich angewandt wurden. So veröffentlichte 1957 der amerikanische Anthropologe Harold C. Conklin für die FAO, die Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, einen Bericht über die Yagaw Hanunóo, eine Gemeinschaft von ca. 128 Menschen, die auf einer der philippinischen Inseln lebt. Auf kleinen, im Wald gerodeten Flächen bauten die Yagow Hanunóo als Feldfrucht hauptsächlich Reis an. Sie wählten mit großer Sorgfalt ein geeignetes Waldstück. Wenn sie sich schließlich für einen bestimmten Platz entschieden hatten, schlugen sie zuerst die Äste von den Bäumen, um sie in der Sonne trocknen zu lassen, und zündeten sie dann genau vor Beginn der Regenzeit an. Insbesondere das Abpassen des richtigen Zeitpunkts erforderte ein sehr feines Gespür: Wenn sie mit dem Abbrennen zu früh begannen, bestand die Gefahr, daß die Asche weggeblasen und wertvolle Substanzen dem Boden entzogen wurden; warteten sie dagegen zu lange, liefen sie Gefahr, vom Regen überrascht zu werden, was das Verbrennen sehr erschweren würde. Das Abbrennen selbst wurde ebenfalls mit großer Vorsicht durchgeführt. Die Brandroder arbeiteten in einem genau abgesteckten Gebiet zum Zentrum hin; zwei oder drei Männer entzündeten mit Bambusfackeln an mehreren Stellen die trockene Vegetation. Dann bewachte eine ganze Gruppe von Männern, Frauen und Kindern aufmerksam das Feuer, so daß es sich nirgendwo in die falsche Richtung ausbreitete. Kurz nachdem das Verbrennen beendet war, wurden Reis und andere Feldfrüchte in den mit Asche bedeckten Boden gesät und gepflanzt. Nach zwei oder drei Ernten wurde das Feld aufgegeben und man ließ es brachliegen, bis nach etwa zehn Jahren der Zyklus von neuem begann. [4]

Ein anderer positiver Bericht über Brandrodungspraktiken wurde 1961 von dem Anthropologen Robert Carneiro veröffentlicht. Er beruhte auf der Feldarbeit einer Gemeinschaft von ca. eintausend Kuikuru-Indianern in Brasilien. Seinen Forschungsergebnissen zufolge würde eine Strategie der Feld-Wald-Wechselwirtschaft, die umsichtig befolgt würde, nur wenige Stunden Arbeit pro Tag erfordern, um Menschen unter günstigen Bedingungen "reichlich und zuverlässig" mit Lebensmitteln für ihre Subsistenz zu versorgen. Seit mindestens drei Generationen betrieben die Kuikuru Brandrodung in einem Waldgebiet innerhalb eines Radius von nicht mehr als vier Meilen um ihr Dorf. Es gab keinen Mangel an Land, so daß sie, wenn ihre Felder nach ein paar Ernten mit Unkraut zugewachsen waren, zu neuen Plätzen ziehen und die aufgegebenen Felder bis zu 25 Jahren brachliegen lassen konnten. [5]

Die von Conklin und Carneiro beschriebenen Bewirtschaftungsmethoden waren offensichtlich auf einen Reichtum an Land angewiesen. Eine Gruppe konnte nur unter der Bedingung, daß ihr genügend alternatives Land zur Verfügung steht, zehn bis fünfundzwanzig Jahre auf die Nutzung eines Gebiets verzichten. Bei einer Bevölkerungszunahme würde sich der Druck auf den Wald verstärken – und dies geschieht heute auf der ganzen Welt. Es ist kein Zufall, daß die oben zitierten Berichte über erfolgreiche Brandrodungswirtschaften aus der Zeit um 1960 stammen. Damals war es vielleicht für einige kleine Gemeinschaften, die in Gebieten weitab von den Zentren der industriellen Welt Feld-WaldWechselwirtschaft betrieben, noch möglich, Brandrodung zu praktizieren, ohne dem Zwang ausgesetzt zu sein, den Ackerbau zu intensivieren und die Brachzeiten zu verkürzen. Solche Zwänge sind freilich fast so alt wie der seßhafte Ackerbau und die Viehzucht. Über eine lange Zeit jedoch konnten sich Wanderfeldbau bzw. Landwechselwirtschaft betreibende Menschen in vielen Teilen der Welt, vor allem in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, diesen Zwängen widersetzen oder sich ihnen entziehen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stiegen das intensive und das extensive Wachstum jedoch in einem solchen Tempo an, daß es außerordentlich selten geworden ist, daß die Voraussetzungen für ein ausgewogenes System der Brandrodungswirtschaft gegeben sind.

Besonders in den Tropen sind noch immer riesige Landflächen mit Wald bedeckt; aber sie sind jedes Jahr von großen Einschlägen betroffen. Die menschliche Bevölkerung nimmt ständig zu; und über Netzwerke des Handels und der Industrie, die die ganze Welt umspannen, gefährden dieselben ökonomischen Kräfte und dieselbe technische Ausrüstung die noch verbleibenden Tropenwälder. Wenn Bäume als Bauholz gebraucht werden, werden sie gefällt. Ebensooft jedoch ist nicht das Holz, sondern das Land das begehrte Gut, und in diesen Fällen greifen die Siedler immer wieder auf das älteste Mittel der Zerstörung zurück: Feuer.

In seinem Buch The Primary Source gibt Norman Myers, der britische Waldexperte, einen Überblick über die jährlich verursachten Schäden. Eine der Ursachen ist der Bedarf an Brennstoffen in der Dritten Welt; in vielen dichtbesiedelten Gebieten ist Brennmaterial für das Feuer, auf dem gekocht wird, ebenso knapp geworden wie die Nahrung, die gekocht werden soll. Hinzu kommt aus den am höchsten industrialisierten Ländern eine steigende Nachfrage nach Bauholz und Holz für die Papierherstellung. Die größte Bedrohung für das Weiterbestehen des Regenwaldes stellt jedoch nicht das Fällen der Bäume dar, sondern das unkritische Abbrennen ganzer Gebiete zur Gewinnung von Land, um Feldfrüchte und Vieh für den Handel anzubauen bzw. zu züchten.

Um 1980 wurden Myers vorsichtigen Schätzungen zufolge jährlich ca. 20 000 km2 Wald (überwiegend in Lateinamerika) der Viehzucht und weltweit über 80 000 km2 der Landwirtschaft geopfert, während weitere 80 000 km2 ernsthafte Schäden erlitten. Die meisten Wälder vernichtenden Feuer wurden von kleinen, umherziehenden Bauern – deren Zahl 1980 auf 800 Mill. geschätzt wurde – angezündet, die sich gezwungen sahen, ihre Heimstätte zu verlassen und in die Wälder zu ziehen. Myers nennt sie "shifted cultivators".[6] Er ist der Meinung, daß der heutige typische Waldbauer als "ein eher unbewußtes Instrument, und nicht ein bewußter Agent der Waldzerstörung" betrachtet werden muß.

Für das, was dem Wald geschieht, trifft ihn nicht mehr Verantwortung als einen Soldaten für den Beginn eines Krieges. Die Ursachen seiner Lebensweise liegen in einer Reihe von Umständen begründet, die von den Waldgebieten oft Horizonte weit weg sind.

Weit davon entfernt, ein enthusiastischer Pionier der Besiedlung des Waldes zu sein, sieht er sich von Zwängen in den Wald gedrängt, die außerhalb seiner Kontrolle liegen. [7]

Die von Myers angedeuteten Umstände sind vor allem ökonomische und demographische. Die Weltwirtschaft erzeugt eine steigende Nachfrage nach Produkten aus tropischem Anbau. Um diese Nachfrage zu decken, werden Gartenbeete in Plantagen umgewandelt, und die Kleinbauern müssen gehen. Gleichzeitig wächst die Bevölkerung weiter an, so daß der Druck auf das Land noch größer wird. Als Ergebnis entsteht die paradoxe Situation, daß in einer Welt, die unter einer großen Holzknappheit leidet, jedes Jahr mehrere tausend Hektar Wald verbrannt werden. Myers Buch beinhaltet einige Satellitenfotos, die bei Nacht aufgenommen wurden und den Regenwald als helle Lichtflecke zeigen, so strahlend erleuchtet wie große Städte. Ein eloquentes verbales Zeugnis dieser ubiquitären Feuersbrünste ist die folgende Beschreibung von Jon Kirby, einem Anthropologen aus Ghana:

Für jemanden, der es noch nicht gesehen hat, ist die völlige Zerstörung, die von einem Buschfeuer in der Hitze der Trockenzeit verursacht wird, schwer vorstellbar. Völlig verdorrte Vegetation wird in Sekunden zu Asche, und Harthölzer wie die Akazie oder der Schibutterbaum schwelen tagelang, bevor sie umfallen. Das, was übrig bleibt, sieht aus wie die Maginot-Linie oder eine unheimliche Mondlandschaft. Und die Auswirkungen scheinen jedes Jahr schlimmer zu werden. [8]

Kirby zufolge werden die demographischen und ökonomischen Ursachen für das Anzünden des Busches und der Wälder durch kulturelle Motive verstärkt. Seßhafte Bauern betrachten traditionell den Wald als eine fremde und feindliche Kraft, als Aufenthaltsort von Schädlingen und bösen Geistern. Das kollektive Gedächtnis verweilt noch in den Zeiten, in denen ihre eigenen Felder dem Busch abgetrotzt wurden; und sie hören nie auf, die Möglichkeit auszuschließen, daß der Busch ihre Gärten wieder überwuchern könnte. Deshalb versuchen sie, wann immer sich die Gelegenheit bietet, den Busch durch Verbrennen zurückzudrängen.

Diese tief verwurzelte Haltung macht die Bauern Kirbys Meinung nach unzugänglich für rationale ökologische Argumente. Das Abbrennen des Buschs ist für sie nicht nur ein ökonomischer Vorgang; er wird geheiligt durch ein tief verwurzeltes Gefühl von Notwendigkeit und Sendungsbewußtsein:

Der Haushalt mußte der "Wildnis" Land abgewinnen und ihre Kräfte zurückdrängen. Er hat jedes verfügbare Mittel eingesetzt, um sie zu bekämpfen, besonders das Feuer, das sie verkleinert, sie annehmbar macht, Fleisch und Honig aus ihr herauspresst und die wilden Tiere verjagt. Seit undenklichen Zeiten war das Feuer eine Mauer der Kultur gegen die "Wildnis", die man sich als unerschöpflich, böse, gefährlich, unbekannt und nutzlos für jegliche gesellschaftlichen Zwecke dachte. Es war der Hauptverbündete des Menschen bei der ständigen Arbeit der Domestizierung der "Wildnis".[9]

Was Kirby schreibt, verweist auf eine Einstellung, deren Ursprünge in einer weit zurückliegenden Vergangenheit, lange vor dem Aufkommen der Landwirtschaft, gesucht werden müssen. Seine Interpretation stimmt mit den von Sir James Frazer und Claude Lévi-Strauss gesammelten mythologischen Quellen überein, auf die ich mich in Kapitel 1 bezogen habe. Eine bodenständigere Vermutung, die in dieselbe Richtung geht, äußert der australische Historiker Geoffrey Blainey, der feststellt, daß das Anzünden eines toten Buschs oder eines trockenen Grasbüschels "oft ein stärkeres Gefühl der Allmacht vermittelt als sein modernes Gegenstück – das Fahren eines PS-starken Autos oder Motorrads".[10] Bevor wir dem Menschen jedoch einen "ursprünglichen" tiefverwurzelten Trieb zum Anzünden des Buschs zuschreiben, müssen wir uns bewußt machen, daß ein jeder solcher Trieb durch kulturelle Traditionen geformt wird. Die Beschreibung von manchen Brandrodungsfeldbau betreibenden Bauern wie den Yagaw Hanunóo und den Kuikuru legen nahe, daß Menschen auch eine pragmatische Haltung zum Feuer entwickeln können: es zwar in hohem Maße, aber nicht willkürlich einsetzen. Der fast zwanghafte Wunsch, den Busch wegzubrennen, ist vielleicht eher ein Hinweis auf eine bestimmte Stufe in der Entwicklung von Agrargesellschaften, auf der sich erst vor kurzem seßhaft gewordene Bauern gezwungen sahen, ihre Felder gegen die sie noch umgebende Wildnis zu verteidigen.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß derzeit viele Völker Gefallen daran finden, den Busch in Brand zu setzen. Wie der Entwicklungshelfer Albin Korem beobachtet hat, werden bereits kleine Kinder dazu erzogen, den Busch in Brand zu setzen und dies zu genießen. [11] Es scheint kaum dem entgegenwirkende Kräfte zu geben, die sie zügeln würden und ihr Vergnügen am Anzünden des Busches bremsen würden.

Der niederländische Anthropologe J. M. Schoffeleers hat das Aussterben solcher neutralisierender Kräfte in Malawi in Zentralafrika untersucht. Dort war seinem Bericht zufolge der kontrollierte Einsatz des Feuers eine Kunst, die "zu ihrer Perfektion entwickelt" gewesen war. Da Feuer "in den Händen nicht Ausgebildeter und Unverantwortlicher" den Ressourcen einer Gemeinschaft großen Schaden zufügen konnte, war sein Gebrauch einer "strengen Gesetzgebung und schweren Sanktionen" unterworfen. Die Kontrolle wurde durch die Priester der regionalen Kulte ausgeübt. Sie setzten Regeln durch, die sowohl die Zeit, zu der das Abbrennen erlaubt war, als auch die Gebiete, die abgebrannt oder nicht abgebrannt werden konnten, betrafen:

Die Saison wurde mit dem zeremoniellen Abbrennen eines Hügels durch die Priesterschaft des Bundaschreins in der ersten Septemberwoche eröffnet, und vorher war kein Abbrennen erlaubt. (…) Weite Gebiete mit Wald und Unterholz waren vor dem Abbrennen durch rituelle Verbote geschützt. Übertritte in beiden Fällen galten als Hauptursache für Dürren, und ihre Bestrafung war hart. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß einige der größten Waldgebiete Malawis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Feuer zerstört wurden, als eine Kombination von Faktoren (…) zu einem fast völligen Zusammenbruch der territorialen Kulte führte. [12]

In Malawi und Ghana sind, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern, die Praktiken des Verbrennens nicht mehr durch priesterliche Sanktionen eingeschränkt, die früher einmal sehr schwer waren und die Strafe, den Täter in die Sklaverei zu verkaufen, einschlossen. Heute neigen die staatlichen Behörden in Ghana Kirby zufolge dazu, die Ernsthaftigkeit des Problems, daß praktisch unkontrolliert abgebrannt wird, zu unterschätzen. Sie betrachten den Wassermangel als die größte ökologische Plage ihres Landes. Dieser Wassermangel, so argumentiert Kirby, wird jedoch zu einem hohen Maße durch einen unverantwortlichen Gebrauch des Feuers verursacht. Das Niederbrennen der Vegetation führt zu Entwaldung, Entwaldung zu Erosion und Erosion zum Austrocknen des Bodens und zu abnehmendem Niederschlag. [13] Dieselbe Kette von Ereignissen kann auch in vielen anderen Ländern beobachtet werden. Der Prozeß der Entwaldung, der zuerst die gemäßigten Klimazonen betraf, findet jetzt in den Tropen in viel schnellerem Tempo und in viel größerem Ausmaß statt. Die gegenwärtige Entwicklung ist besonders alarmierend, da die tropischen Regenwälder geschlossene Ökosysteme bilden, in denen praktisch alle verfügbaren Nährstoffe in die lebende Biomasse aufgenommen werden. Wird ein Teil des Regenwaldes abgebrannt, gehen einige der Nährstoffe in Dampf und Rauch verloren, und die Reste werden zu Asche reduziert. Wenn anschließend die Asche vom Regen weggeschwemmt oder vom Wind weggeweht wird, ist auch sie für das Ökosystem verloren. Die Wälder konnten das Abbrennen im kleinen Rahmen, wie es die Yagaw Hanunóo oder Kuikuru-Indianer praktizierten, überleben; aber sie können dem jetzigen Ausmaß der Zerstörung durch Feuer nicht standhalten.

Neben den Feuern, die zur Rodung von Land in der Dritten Welt entfacht werden, verwüsten zahllose Buschund Waldbrände jedes Jahr die übrigen ›Naturgebiete‹ in den reichen Teilen der Welt. jeden Sommer berichten die Medien über Brände in Südeuropa und in den Vereinigten Staaten, bei denen mehrere zehntausend Hektar zerstört werden. [14] Manchmal sind Blitze die Ursache für das Entzünden, aber ebensooft ist es menschliche Nachlässigkeit oder Absicht.

Eine zunehmende Zahl von Ökologen glaubt, daß die ungeheure Größe der Brände, unabhängig von der direkten Ursache, eine Folge menschlichen Eingreifens ist. Zu den größten Buschfeuern der letzten Jahre gehören die "Aschermittwochsbrande" 1983 im australischen Staat Viktoria, in denen 72 Menschen starben. Später wurde die Aussage eines Stammesältesten zitiert, wonach zugelassen worden sei, daß die Katastrophe eintritt, weil das Land nicht "saubergehalten" worden war.53 Diese Aussage bringt die Sichtweise zum Ausdruck, daß eine übertriebene Besorgnis, den Wald gegen Feuer zu schützen, wahrscheinlich eine gegenteilige Wirkung hat – eine Meinung, die gerade unter Förstern weite Zustimmung findet.

Überzeugende Darstellungen, die diese Ansicht zum Ausdruck bringen, lassen sich in dem 1974 in den Vereinigten Staaten veröffentlichten Band Feuer und Ökosysteme finden. Die Autoren verurteilen einmütig willkürliches, ›promiskuitives‹ Abbrennen; sie kritisieren aber ebenso stark "Feuerausschluß-Programme", die ihrer Meinung nach von Vorurteilen und Unwissenheit sowie ungerechtfertigter Angst vor Feuer in jeder Form erfüllt sind. Seit mehr als einhundert Jahren betrachten Umweltschützer Feuer als "einen heimtückischen Feind"; und vor diesem Hintergrund haben sie Maßnahmen initiiert, die darauf zielten, das Feuer völlig aus den Wäldern zu verbannen. Die Folge war, daß sich abgestorbene Bäume und Pflanzenabfälle ansammelten, die leicht riesige Brände entfachen können, wenn sie einmal entzündet werden: "Das Brennmaterial sammelt sich weiter an und verbreitet sich immer mehr, und wenn Brände außer Kontrolle geraten, ist der Tribut an Menschenleben, natürlichen Ressourcen und Kosten enorm." [15]

Die Autoren drängen daher darauf, daß die Menschen "die verlorene Kunst", das Feuer "als Diener" und "nützlichen Freund" einzusetzen, "wieder erlernen" sollten. Sie erinnern uns daran, daß "Feuer zwar ein schlechter Meister, aber wenn es richtig angewendet wird, ein guter Diener ist", und sie empfehlen die "geschickte Anwendung von Feuer als ein Bewirtschaftungsinstrument". Es ist eine aufgeklärte Feuerpolitik notwendig, die auf dem Prinzip beruht, daß "zu wenig verbrennen" ein "Zuviel an Bränden" zur Folge hat. Von Zeit zu Zeit werden "verordnete Brände" nötig sein, um Ansammlungen von Brandmaterial zu beseitigen. So empfiehlt das Buch, "Feuer unter sorgfältig bestimmten Bedingungen seinen natürlichen Lauf nehmen zu lassen." [16]

Es gibt eine auffallende Ähnlichkeit zwischen dieser ökologischen Strategie und einem generellen Trend hin zu einer bewußten Permissivität, die in hochindustrialisierten Gesellschaften beobachtet werden kann. Dieser Trend kam am deutlichsten in bestimmten Theorien über psychische Krankheiten zum Ausdruck. Diese Theorien, die von der Psychoanalyse beeinflußt sind, beruhen auf dem Prinzip, daß jeder Versuch, natürliche menschliche Triebe völlig zu unterdrücken, vergeblich und kontraproduktiv sein wird. Dies ist eine Entwicklung, die Norbert Elias im Zusammenhang mit seiner Zivilisationstheorie als Trend hin zu einem "kontrollierten Dekontrollieren von Gefühlskontrollen"[17] erkannt hat. Auf ähnliche Weise wird jetzt die willkürliche Unterdrückung von Waldbränden als ein Teil des Prozesses, in dem die Kontrolle des Menschen über das Feuer beständig zunimmt, bewußt gemäßigt.

  • [1] Vgl. Harden 1980, S. 167.
  • [2] Malinowski 1967, S. 11 f.
  • [3] Vgl. De Schlippe 1956; Christiansen 1981; Raumolin 1987.
  • [4] Conklin 1957.
  • [5] Carneiro 1961.
  • [6] "Shifted cultivators" als zwangsweise umherziehende, Wanderfeldbau betreibende Bauern, im Gegensatz zu dem Begriff "shift g cultivators", der Freiwilligkeit impliziert (Anm. der Übersetzerinnen).
  • [7] Übersetzt nach Myers 1984, S. 150.
  • [8] Übersetzt nach Kirby 1987, S. 14.
  • [9] Übersetzung nach Kirby 1987, S. 19. Ähnliche Aussagen über die neolithischen Skandinavier finden sich bei Hodder 1990, S. 199 f.
  • [10] Blainey 1975a, S. 76.
  • [11] Korem 1985, S. 24.
  • [12] Übersetzt nach Schoffeleers 1978, S. 3 f., Schoffeleers 1971; Chapman und White 1970, S. 31–34.
  • [13] Kirby 1987, S. 18.
  • [14] Pyne 1982 nennt hierzu viele Beispiele. 53 H. T. Lewis 1989, S. 940.
  • [15] Übersetzt in Harold H. Biswell nach dem Zitat von Kozlowski und Ahlgren 1974, S. 356.
  • [16] Übersetzungen nach A. J. Kayll in Kozlowski und Ahlgren 1974, S. 503. Kurze Zitate stammen aus anderen Beiträgen auf den Seiten 170, 180, 182, 247, 271, 281, 435.
  • [17] Vgl. Elias und Dunning 2003, GS 7, S. 94–99 [1986, S. 44–49].
 
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