Phaseologie und Chronologie
Der vorangehende Abschnitt beschreibt den Gegenstand aus "phaseologischer" und nicht aus chronologischer Perspektive. Der große Vorteile der Chronologie ist, dass sie uns ein festes und durch gleichmäßige Intervalle unterteiltes Raster aus Jahren und Jahrhunderten bietet. Dieses Raster eignet sich hervorragend dazu, Ereignisse in der Zeit zu verorten. Doch streng genommen ist es uns damit nur möglich, die Ereignisse nach einem Schema des Früher-oder-Später anzuordnen, oder, wie Arnold J. Toynbee es nannte, als "ein verfluchtes Ereignis nach dem anderen" – ein Verfahren, das man auch als "Chronographie" bezeichnen könnte. Demgegenüber hat das Denken in Phasen den Vorteil, einer bestimmten Logik, und zwar jener von Sequenzen zu folgen (vgl. Goudsblom 1996, S. 18–24). So liegt beispielsweise eine unabweisbare Logik in der Aussage, dass einer Phase 3, in der alle Menschengruppen über Feuer verfügten, eine Phase 2 vorausging, in der einige Gruppen Feuer besaßen, und dieser Phase wiederum eine Phase 1 vorausging, in der keine Gruppe Feuer besaß.
Burfords Phasen-Szenario fällt nach ihrer eigenen Schätzung in den Zeitraum vor ca. acht bis drei Millionen Jahren. Wrangham datiert die Ursprünge des Kochens anhand paläontologisch-anatomischer Funde auf 1,9 bis 1,8 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung. Archäologen, die sich zumeist lieber auf konkrete Spuren menschlicher Aktivitäten als Belege stützen, sind in ihren Schätzungen zurückhaltender. Sie waren bis vor Kurzem bereit, ca. 250 000 Jahre alte Funde als älteste zuverlässige Belege für aktiven menschlichen Feuergebrauch zu akzeptieren. Alle Behauptungen über die Existenz noch älterer Belege wurden als unbewiesen abgelehnt.
Doch scheint sich das Blatt zu wenden. Funde in Israel (Gesher Benot Ya'aqov) und Südafrika (Wonderwerk-Höhle) weisen auf die aktive Feuernutzung vor bereits mindestens 800 000 Jahren hin (Stringer 2011). Wenn es möglich ist, die Chronologie so weit zurückzuverlegen, spricht sehr viel auch für die Annahme einer deutlich längeren und weniger scharf abgegrenzten Übergangsphase, in der Homininengruppen manchmal eine Zeit lang mit dem Feuer lebten, bis es erlosch, und dann wieder – für wie lange, kann man nur spekulieren – zu einer Lebensweise ohne Feuer zurückkehren mussten. Unterdessen entwickelten sie auch größeres Geschick darin, Gelände zu "roden", indem sie in gewissen Abständen das Unterholz von Wäldern in Brand setzten und so das Gebiet vergrößerten, in dem sie gefahrlos jagen und Nahrung sammeln konnten. Auf unterschiedliche Weise stützte und förderte also das beginnende, von Menschen gelenkte Feuerregime die Ausweitung des menschlichen Kontrollbereichs, der "Anthroposphäre", innerhalb der Biosphäre insgesamt.