Nahrung und Brennstoff
Wie man heutzutage allgemein weiß, stammt der größte Teil unserer eigenen physischen Energie von der Sonne. Die Sonnenenergie, die auf die Erde als Sonnenlicht gelangt, wird zum Teil von Bäumen und anderen Pflanzen aufgenommen. Diese Energie kann in pflanzlicher Form als Nahrung für Tiere, d. h. auch für uns Menschen, dienen.
Nahrungsmittel sind Materie, die Energie enthält, die uns genauso wie allen anderen Tieren zu leben ermöglicht. Zu den Attributen, die Menschen exklusiv auszeichnen, gehört es, dass sie entdeckt und gelernt haben, Brennstoff als zweite, außerkörperliche Energiequelle zu nutzen.
Nahezu jedem Menschen sind heutzutage die Funktionen geläufig, die Brennstoffe in zeitgenössischen Industriegesellschaften als Handelsware ebenso wie als geopolitischer Faktor haben (vgl. Yergin 2011). Interessant ist dabei, dass dieselben Substanzen, die für Menschen so kostbar sind und von ihnen so gewaltsam umkämpft werden, für Angehörige anderer Tierarten so gut wie keine Anziehungskraft besitzen. Sämtliche Brennstoffe, ob es sich nun um Holz, Kohle oder Öl handelt, sind weder essbar noch trinkbar; ihr einziger Nutzen liegt in der Brennbarkeit.
Die Verbrennung setzt Energie in Form von Wärme und Bewegung frei. Durch die Domestizierung des Feuers haben die Menschen den Brennstoff der Nahrung als zweite Energiequelle an die Seite gestellt. In modernen industrialisierten Gesellschaften übersteigt der Brennstoffverbrauch pro Kopf, ob in Watt oder Joule oder Kalorien gemessen, den Verbrauch an Nahrungsmitteln – ganz gleich, wie exzessiv dieser ist – bei Weitem. (Dem Welthistoriker Ian Morris (2013, S. 56) zufolge beträgt die Energieaufnahme in einfachen Jäger-Sammler-Gesellschaften ca. 4 000 bis 5 000 kcal pro Kopf und Tag. Dieselbe Größe liegt für die USA heute bei 230 000 kcal und damit um etwa das Sechzigfache höher. Der Pro-Kopf-Durchschnittsverbrauch für die heutige Weltbevölkerung beträgt ca. 50 000 kcal. Der Wert für die USA schließt Energiebeträge für Dünger, Verarbeitung, Transport usw., also Produktionsund Transaktionskosten, ein. Jeder Hamburger steckt voller Energiesubventionen.)
Von der Agrarisierung zur Industrialisierung
Gegen Ende der Altsteinzeit, vor etwa 15 000 bis 10 000 Jahren, begannen einige Menschengruppen, ausgewählte Tiere und Pflanzen in größerem Umfang als zuvor zu beherrschen und zu hegen. Für diese Entstehung und Ausbreitung der landwirtschaftlichen Produktion hat sich der Begriff der Agrarisierung eingebürgert.
Mit der Einführung von Ackerbau und Viehzucht war das Feuer nun nicht mehr die einzige nicht menschliche Energiequelle, die sich unter menschlicher Kontrolle befand. Nach und nach verlor es seinen Charakter als herausragender Mittelpunkt des Gruppenlebens, den es über Tausende von Generationen gehabt hatte, und wurde zunehmend auf unterschiedlichste Behälter wie Herde, Öfen und Lampen verteilt. Seine Nutzung wurde strengeren Regelungen unterworfen. In der Anfangsphase der Domestizierung war es die Hauptsorge der Menschen gewesen, ein einzelnes Feuer in Gang zu halten. An ihre Stelle trat fortan die gegenteilige Sorge: zu verhindern, dass die Vielzahl der Feuer sich zu einem Großbrand auswuchs.
In vorindustriellen Städten der ganzen Welt konnten Menschen nur wenig gegen einen Brand ausrichten, der einmal ausgebrochen war. Zumeist bestand die einzige Möglichkeit, ihn aufzuhalten, in der Errichtung einer "Feuersperre": Man riss die Gebäude nieder, auf die der Brand überzugreifen drohte. Die absichtsvolle Zerstörung durch Menschenhand musste der blinden Zerstörung durch das Feuer ein Ende setzen. Die wirksamste Methode jedoch, das Risiko von Großbränden einzudämmen, war damals und ist noch heute die Brandverhütung (vgl. Bankoff et al. 2012).
Die zahlreichen Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Feuernutzung in Städten führten den Menschen unweigerlich vor Augen, dass die Unterhaltung eines Feuers zu häuslichen oder gewerblichen Zwecken eine "teure Institution" war, weil mit Kosten und Risiken verbunden. Am direktesten spürbar waren die Kosten, die der Erwerb des Brennstoffs nach sich zog. Stadtbewohner konnten in dieser Hinsicht unmöglich autark sein, sondern waren auf die ständige Einfuhr von Holz sowohl für den Bau als auch als Brennstoff angewiesen. Dies war einer der Hauptgründe dafür, dass die meisten Ansiedlungen von Städten an Flüssen erfolgten, wo Holz über deren Oberlauf herangeschafft werden konnte. Mit dem Wachstum der Städte führte der Holzbedarf oft zur Abholzung der umgebenden Wälder. Klagen über die Zerstörung der Wälder sind bereits aus der griechischen und römischen Antike und sogar noch davor aus dem alten China überliefert. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches kehrte sich der Trend in diesem Teil der Welt vorübergehend um: Die Zahl der Menschen schrumpfte und der Wald gewann verlorenes Terrain zurück. Doch bald nach Anbruch des zweiten Jahrtausends begannen die Menschen erneut, Schneisen in die wiedererstandenen Wälder zu schlagen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war der Wald aus einigen der am dichtesten bevölkerten Landstriche Westeuropas, insbesondere Britannien und Holland, bereits so gut wie verschwunden, sodass der Großteil des Holzes aus Skandinavien und dem Baltikum importiert werden musste.
Alle agrarischen Gesellschaften jener Zeit benötigten weiterhin Brennstoff, vorzugsweise in Form von totem Holz. Ihre produktivste Energiequelle war jedoch lebende Materie: domestizierte Pflanzen und Tiere, die als Nahrungsquelle und zu einer Vielzahl anderer Zwecke von der Bekleidung bis zu Transportund Antriebsleistungen dienten. Brennstoff als Energiequelle erlangte erst wieder mit dem Übergang zum nächsten sozio-ökologischen Regime, dem industriellen Regime, eine Vorrangstellung.