Baudrillards philosophische Sicht über das Sammeln

Für den Philosophen BAUDRILLARD stellen die Sammlungsgegenstände den Grund für eine Leidenschaft des Besitzens dar. Eine gesamte Sammlung bildet ein „geistiges Reservat, in dem ihr Besitzer herrscht, eine Sache, […] ein Eigentum, eine Leidenschaft.“ [1] Demzufolge befreit das Besitzen die Objekte von ihrer Funktion und alle Gegenstände stehen in ihrer Abstraktion in einem Bezug zueinander. Gemeinsam stellen sie ein System dar. Nicht das einzelne Objekt befriedigt, sondern erst der Zusammenhalt in der Reihe von Objekten oder innerhalb einer Serie. [2] Der Genuss des Sammelns liegt darin, dass der Besitz eines jeden Kunstwerkes eine Besonderheit verspricht. Demzufolge ist der Besitz des Seltenen und Einzigen der ideale Sinn des Erwerbs. [3] Das permanente Zusammenspiel der einzelnen Kunstobjekte beruht darauf, dass die Gegenstände besessen werden. Sie werden geordnet, klassifiziert und verteilt. In diesem Prozess des Sammelns sind die Gegenstände wie ein Spiegel, der die erwünschten Bilder des Sammlers reflektiert. Der Sammler verbindet etwas Persönliches mit jedem Gegenstand. Die Sammlung lässt sich als eine Reihe einzelner Glieder verstehen, wobei das letzte abschließende Stück der Sammler selbst sei. Demnach sei der Sammler das einzige Objekt, welches die Serie abschließe. [4]

Muensterbergers psychologische Sicht über das Sammeln

Untersuchungen des Psychoanalytikers und Kunstsammlers MUENSTERBERGER zur Folge erinnert das Sammeln an die Freude, die man bei Kindern sehen kann. Diese Freude bringt unterbewusste Erinnerungen, Wünsche und Hoffnungen hervor. Sobald ein Sammler ein geschätztes Objekt erst einmal in Besitz genommen hat, lässt er dies niemals wieder los. Vielleicht zeigt er es gern vor, vielleicht soll es auch vor jedem anderen verborgen bleiben. [5]

Das Kunstsammeln lässt sich als ein Prinzip des ständigen Nachschubs auffassen. Einige Sammler setzen einen Schwerpunkt oder eine Spezialisierung ihrer Sammlung fest. Somit bestehen sie darauf, auf diesem Gebiet die allerbesten und allerseltensten Exemplare zu besitzen. Dadurch verengen sie natürlich den Bereich des Verfügbaren. Sie streben eine Perfektion an, die ihren Preis hat, nämlich die ständige Besorgnis. Denn nur der stetige Ankauf von Objekten erfüllt den Wunsch des Sammlers. [6]

Fraglich ist, ob der Prozess des Sammelns zu einer Besessenheit oder sogar Sucht führen kann. Handelt es sich hierbei um eine Leidenschaft, um einen Zwang oder ein Bedürfnis, etwas zu besitzen und anzuhäufen? Einige Kunstsammler haben das Gefühl, dass sie ein bestimmtes Kunstobjekt einfach haben müssen. [7] Dieses fortwährende Suchen nach neuen Gegenständen ist somit charakteristisch für die Persönlichkeit eines Sammlers. Auf der Jagd nach neuen Objekten scheinen Sammler sehr emotional betroffen zu sein. Sie sind aufgeregt und niedergeschlagen, wenn sie bestimmte Werke nicht finden oder sie keine Chance haben, diese zu erwerben. Ein bestimmtes Objekt zu bekommen, ist für einen Sammler die Voraussetzung dafür, die unerträgliche Unruhe loszuwerden. Findet ein Sammler ein neues Objekt, so dient dies als Bestätigung seines Selbstwertgefühls. [8]

  • [1] Baudrillard 2007, S. 110.
  • [2] Vgl. Baudrillard 2007, S. 111.
  • [3] Vgl. a.a.O., S. 116.
  • [4] Vgl. ebd.
  • [5] Vgl. Muensterberger 1995, S. 38.
  • [6] Vgl. Muensterberger 1995, S. 68.
  • [7] Vgl. a.a.O., S. 71.
  • [8] Vgl. Muensterberger 1995, S. 364.
 
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