Sammeln

Jedes Kunstmuseum sammelt Kunstwerke, die als originale Zeugnisse der Kultur zu verstehen sind. Zu Forschungsund Bildungszwecken werden diese bewahrt, dokumentiert und künftigen Generationen weitergegeben. Die Museumssammlung trägt somit einen Teil zum kulturellen Gedächtnis bei. [1]

Der Grundsatz Art. 2 des ICOM Code of Ethics for Museums erklärt die Kernaufgabe des Sammelns:

„Museums have the duty to acquire, preserve and promote their collections as a contribution to safeguarding the [..], cultural […] public heritage. Their collections are a significant public inheritance, have a special position in law and are protected by international legislation. Inherent in this public trust is the notion of stewardship that includes rightful ownership, permanence, documentation, accessibility and responsible disposal.“ [2]

Das Sammeln stellt für die Museen eine kontinuierliche Kernaufgabe dar. Diese sorgt für die Zukunft des Museumsbestandes. Die Kernaufgabe des Sammelns bezieht sich entweder auf den Neuaufbau einer musealen Sammlung oder auf das Vervollständigen einer bereits bestehenden Sammlung. Vervollständigen bedeutet, dass ein Museum durch Neuankäufe Lücken im eigenen Sammlungsbestand schließt oder beispielsweise zeitgenössische Kunstwerke zur Erweiterung des Sammlungsbestandes erwirbt. Durch Ankäufe entzieht das Museum Kunstwerke dem Kunstmarkt und fügt diese der musealen Sammlung zu. [3] Traditionell ist der Museumsdirektor rechtlich und faktisch für Neuankäufe zuständig. Jedoch werden aufgrund der finanziell schwierigen Haushaltslage und fehlender Ankaufsetats Neuankäufe zunehmend durch Förderund Freundeskreise eines Museumsbetriebes getätigt. Die alleinige Entscheidung über den Ankauf trifft der Museumsdirektor in diesen Fällen nicht mehr. [4] Prinzipiell basieren Entscheidungen über Neuankäufe auf wissenschaftlichen Kriterien sowie externen und internen Einflussgrößen. Externe Faktoren sind beispielsweise angestiegene Kunstmarktpreise und Ankäufe anderer Museen, die die eigenen Neuankäufe beeinflussen. [5] Die finanziellen Möglichkeiten des Museums selbst bestimmen die internen Einflüsse, auf die im Folgenden noch eingegangen wird. [6]

In der Sammlung befinden sich originale Kunstwerke, die dauerhaft im Besitz oder im Eigentum des Museums oder des Trägers sind. Jedes Museum verfolgt eine eigene Sammlungsstrategie, der ein schriftliches Sammlungskonzept zugrunde liegen kann und soll. Die Sammlungsstrategie formuliert den Zweck und das Ziel der musealen Sammlung mit einer Schwerpunktbildung und Weiterentwicklung. Jedes Museum ist für seine Kunstobjekte verantwortlich und hat die notwendige Dokumentation, Bewahrung, Restaurierung, Konservierung eines jeden Objektes zu berücksichtigen. Eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Sammlungsstrategie ist erforderlich, um das Sammlungskonzept weiterzuentwickeln. [7] Bei der Einhaltung der Sammlungsstrategie ist es empfehlenswert, die Sammeltätigkeit nicht durch die Amtsperioden der Museumsdirektoren zu begrenzen. In der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen soll diese erfüllt werden. [8]

Grundsätzlich empfiehlt es sich, für diese Kernaufgabe einen eigenen Etat bereitzustellen. Dabei geht es nicht allein nur um Ankaufsmittel. Auch konservatorische Maßnahmen und Erfordernisse sowie die langfristige Pflege der Objekte sind mit Kosten verbunden. Dazu zählen die Einrichtung entsprechender Depoträume sowie eine korrekte, den Standards entsprechende Inventarisierung und Dokumentation der einzelnen Kunstwerke. [9]

Die Methoden der Bestandsbildung erfolgen nach einem konzeptionellen Vorgehen. Beim Ankauf oder der Annahme von Kunstwerken werden zunächst alle zutreffenden Aspekte und Bewertungen abgewogen. Die Einhaltung der ethischen Richtlinien, die Wahrung einer klaren Sammlungsstrategie und die sorgfältige Abwägung der Folgekosten für Bewahrung, Dokumentation, Lagerung und Ausstellung beeinflussen die Sammlungstätigkeit des Museums. [10] Neu angeschaffte Objekte haben den in dem Sammlungskonzept definierten Zielen zu entsprechen. Bei Ankäufen und Übernahmen haben die Museen einschlägige Gesetze und eigene Compliance-Regeln wie dem ICOM Code of Ethics zu beachten. [11] Allgemein zählt zur musealen Sammelmethode der Kauf, der Tausch, das Vermächtnis und die Schenkung von Kunstwerken. [12] Der Bezeichnung Akzession steht für diese Erwerbungsarten von Kunstwerken. Das Gegenteil, die Veräußerung der Sammlungsgegenstände, ist unter dem Begriff Deaccessioning bekannt. [13]

Wie jede Privatsammlung basiert eine museale Sammlung auf einer eigenen, bewegten und für die Interpretation bedeutenden Historie. Unterschiedliche Bestandteile prägen jede Museumssammlung und sind damit charakteristisch für die Wissenschaftseinrichtung. [14] Mit der eigenen zeitgenössischen Sammlung erhält das Museum ein individuelles Profil. Durch den Besitz der Sammlung und insbesondere durch bedeutende Spitzenwerke macht sich ein Museum unverwechselbar und einzigartig. Durch Ankäufe von zeitgenössischen Kunstwerken bekräftigen Museen ihre Position als Meinungsführer des kunsthistorischen Diskurses. Neuankäufe junger Künstler gelten stets als prestigeträchtig und betonen eine gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber dem künstlerischen Werk. [15] Aus der Sammlung bezieht es einen Teil des eigenen Selbstverständnisses und der Anziehungskraft für Besucher. [16]

„The collection is what gives the museum its identity, establish its mission, and suggests its future.“ [17]

Folglich bildet die Sammlung das Fundament eines jeden Museums, welches für neue Ideen, kreative Prozesse und die Positionierung entscheidend ist. [18] Erst auf dieser Basis können allen weiteren musealen Aufgaben nachgegangen werden.

  • [1] Vgl. a.a.O., S. 15.
  • [2] ICOM International Council of Museums 2013, S. 3.
  • [3] Vgl. Boll 2010a, S. 41.
  • [4] Siehe zum Thema der Ankaufspraxis der Förderkreise Kapitel 3.5.3.3.
  • [5] Vgl. von Chlebowski 2008, S. 56 f.; siehe auch Ulmer 2010, S. 35.
  • [6] Siehe zum Thema der Finanzierung der Museumssammlung Kapitel 3.5.
  • [7] Vgl. Deutscher Museumsbund 2011, S. 7 f..
  • [8] Vgl. Flügel 2005, S. 60.
  • [9] Vgl. Deutscher Museumsbund 2011, S. 8
  • [10] Vgl. a.a.O., S. 24.
  • [11] Siehe zum Thema Compliance Regeln Lynen2014.
  • [12] Die zwei letztgenannten Arten des Eigentumserwerbs werden im Kapitel 2 besprochen.
  • [13] Siehe zum Thema Deaccessioning Kapitel 3.5.2.
  • [14] Siehe in diesem Kontext zum Beispiel die Geschichte der Sammlung der Nationalgalerie Berlin. Vgl. Kittelmann 2013, S. 19 ff..
  • [15] Vgl. Boll 2010a, S. 42.
  • [16] Vgl. Riebe 2007, S. 71; Kramer 1996, S. 25.
  • [17] Feldstein 1991, S.13.
  • [18] Vgl. Kittelmann 2012, S. 148.
 
< Zurück   INHALT   Weiter >