Die Form der Spende
Aufgrund der schwierigen finanziellen Situation und fehlenden Etats für Neuankäufe von kostenintensiven Werken zeitgenössischer Kunst, kümmern sich moderne öffentliche Museumsbetriebe strategisch und marktorientiert um Spenden und Stiftungsengagement von privater Seite. [1] Zunehmend werden Spendengelder gezielt für besondere Neuankäufe eingesetzt. Das Spendensammeln, als die relevanteste Form des Fundraisings, wird mit dessen Rahmenbedingungen im Folgenden thematisiert.
„Spenden sind freiwillige unentgeltliche Ausgaben zur Förderung […] besonders förderungswürdig anerkannter gemeinnützige Zwecke.“ [2]
Spenden werden in erster Linie von Privatpersonen und Unternehmen zur Förderung von Museumseinrichtungen gesammelt. Da die Spende keine Gegenleistung beinhaltet, werden allerdings heutzutage Gegenwerte nicht finanzieller, sondern freiwilliger Art erwartet. Diese basieren in der Regel auf einem freundlichen Dankesbrief, Einladungen zu besonderen Veranstaltungen und weiteren Privilegien. [3] Materielle Vorteile bestehen durch bevorzugte steuerliche Behandlung. Nach § 10 b Einkommensteuergesetz (EStG), § 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sowie § 9 Gewerbesteuergesetz (GewStG) können Spenden zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der §§ 52 bis 54 AO als Sonderausgaben steuerlich abgesetzt werden. Um die Steuerersparnis zu realisieren, benötigt der Spender einen Zuwendungsnachweis des gemeinnützigen Museumsbetriebes. [4] Nach § 10 b EStG können Spenden bis zu 20% des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 0.4% der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abgezogen werden. [5] Das im Jahr 2007 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements verfolgt das Ziel, steuerliche Erleichterungen für gemeinnützige Körperschaften und damit für das bürgerschaftliche Engagement zu schaffen. Zuwendungen, die sich im Abflussjahr steuerlich nicht ausgewirkt haben, können in folgenden Jahren abgezogen werden. Ebenso wurde der Höchstbetrag für die Kapitalausstattung von Stiftungen durch Zuwendungen in den Vermögensstock (§ 10 b Abs. 1 a EStG) auf 1 Mio. Euro erhöht. [6] Auch Spenden, die der Erbe in Erfüllung eines Vermächtnisses an ein öffentliches Museum gibt, sind von der Steuer nach § 29 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ausgenommen. [7]
Für das erfolgreiche Geldeinwerben ist eine systematische Fundraisingstrategie nützlich. Diese orientiert sich an Marktprinzipien und richtet sich nach innen und nach außen. Dabei geht es um die Ausgestaltung und geplante Steuerung langfristiger Beziehungen zu wichtigen, umworbenen Partnern und Freunden. In einigen Fällen sollten zu diesen Partnern und Freunden eine gute Beziehung und besondere Wertschätzung gepflegt werden. Für die Identifizierung eines potenziellen Spenders sind nach GERLACH-MARCH drei Kriterien ausschlaggebend:
• „‚Linkage', die persönlichen Verbindungen und Anknüpfungspunkte [zu dem öffentlichen Museum für zeitgenössische Kunst],
• ‚Ability', die finanziellen Möglichkeiten bzw. Spielräume des Spenders,
• und ‚Interest', dessen grundsätzliches Interesse.“ [8]
Das erfolgreiche Spendensammeln lässt sich durch eine zielgruppenbezogene und langfristige Vorgehensweise charakterisieren. Die einzelnen Schritte des Fundraisingskonzeptes und deren Realisation sind auf Dauer angelegt und durch ein eindeutiges Profil des Museums aufeinander abgestimmt. [9] Werden Gelder für Neuankäufe von zeitgenössischer Kunst akquiriert, ist es sinnvoll, die Kunstwerke konkret zu benennen und Angaben über die noch fehlenden Kosten aufzuzeigen. Denn es ist für den potenziellen Spender von Interesse, die benötigte finanziellen Unterstützung für ein bestimmtes Werk nachvollziehen zu können. So besteht die Möglichkeit, sich als Spender mit der Finanzierung eines bestimmten Kunstwerkes zu identifizieren. Die Überzeugung für eine finanzielle Spende zum Ankauf eines bestimmten Kunstwerkes steht somit im Mittelpunkt.
Das Vorgehen des Fundraisers wird durch die folgende Fundraising-Pyramide, die ursprünglich aus dem amerikanischen Fundraising stammt, exemplarisch dargestellt. [10] Die Pyramide stellt die unterschiedlichen Potenziale des Spendensammelns und die langandauernde Entwicklungsarbeit dar. Über eine Einmalspende, über die Dauerspende bis hin zur Großspende lassen sich Freunde und Förderer der Museumsinstitution motivieren.
Abbildung 3.3: Fundraising-Pyramide Gerlach.Marck 2010, S. 65.
Wie in Abbildung 3.3 dargestellt, soll aus dem Kreis der breiten Öffentlichkeit und dem zunehmenden Kreis der Interessenten im Zeitverlauf der Pyramide das finanzielle Engagement der potenziellen Spender mit höherem Bindungsgrad steigen. Ziel ist es, aus diesem identifizierbaren und aktivierbaren Interessenkreis für ein öffentliches Museum für zeitgenössische Kunst Erstspender mit einer Spendensumme von 1 bis 100 Euro zu gewinnen. Diese breite Zielgruppe lässt sich durch eine Spendenwerbung ansprechen, die an einen breiten Kreis von Privatpersonen und Privathaushalte verschiedener Einkommensgruppen mit kleineren Spendenbeiträgen gerichtet ist. [11] Dabei handelt es sich um einmalige Geldspenden, die zum Beispiel bei bestimmten Anlässen, wie Finanzierungsproblemen bei Neuankäufen, eingeworben werden können. Durch Beziehungspflege können aus ihnen heraus Mehrfachspender mit einer Spendensumme von 100 bis 1 Tsd. Euro und Dauerspender mit einer Spendensumme von 1 Tsd. bis 10 Tsd. Euro erwachsen. Die regelmäßigen Spenden sind für ein öffentliches Museum – wie Daueraufträge oder der letzte Scheck im Jahr – ein Idealziel. Es ist einfacher, auf Grundlage einer ersten Beziehung weiteres Engagement zu erreichen, als einen neuen Erstspender zu gewinnen. Großspender engagieren sich oftmals dann, wenn aus deren Sicht das öffentliche Museum lange Zeit erfolgreich arbeitet und ihnen sympathisch ist. [12] Durch eine große selbstlose Spende, durch finale Spenden, einem Nachlass oder durch das Zustiften drücken sich in der Regel Mäzene aus. [13] Insbesondere erhofft man sich durch eine direkte und gezielte Ansprache von sehr vermögenden Privatpersonen und Unternehmensspitzen wenige, jedoch sehr hohe Spenden. Die Aktivität eines Fundraisers erfordert eine sehr sorgfältige Vorbereitung, überlegte exklusive Gegenleistungen und eine besonders intensive und kontinuierliche Betreuung durch persönliche Gespräche, Einladungen und Geburtstagskarten. Auf diese Weise pflegt der Fundraiser seine Kontakte zu den Freunden und Förderern des Museumsbetriebes.
In Deutschland ist es unüblich, über Vermögensverhältnisse zu sprechen. Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Welt und doch bleiben sehr wohlhabende Bürger im Verborgenen. Das Geldvermögen hat sich in der Zeit von 1990 bis 2010 mehr als verdreifacht. Ein wesentlicher Grund für das steigende Vermögen basiert auf dem Anstieg von Erbschaftsvolumina seit Beginn der 1990er Jahre. Bis zum Jahr 2020 werden Immobilien-, Geldund Gebrauchsvermögen von insgesamt bis über 3 Billionen Euro vererbt. Jährlich handelt es sich dabei um eine Summe von 360 Mrd. Euro. Die Übertragung von Familienvermögen setzt sich dementsprechend weiter fort. [14] Die Erben werden das Vermögen zudem mit weniger Personen teilen, denn kinderreiche Familien sind in Deutschland nicht mehr häufig anzutreffen.
Das Thema Geld und Reichtum wird in Deutschland zwar stets noch tabuisiert, doch sollen Bürger in Zukunft motiviert werden, sich stärker für das Gemeinwohl zu engagieren. In Deutschland ist aufgrund des demographischen Wandels das Einwerben finaler Spenden – bekannt unter dem Begriff Erbschaftsmarketing – vielversprechend. Es ist nicht unrealistisch, dass Senioren und insbesondere die derzeit in den Ruhestand gehende Generation des Wirtschaftswunders mit ihrem Vermögen zu Lebzeiten oder nach dem Tod etwas Gutes tun möchte. [15] Demnach ist den Museumsinstitutionen zu empfehlen, einen möglichst großen Freundeskreis langfristig zu pflegen und taktvoll über die Möglichkeiten eines Nachlasses zu sprechen. [16]
Als ein erfolgreiches Beispiel für eine Spendenkampagne ist die im Jahr 2009 gestartete Bürgerkampagne des Städel Museums in Frankfurt zu nennen, die der jungen Form des Crowdfunding ähnelt. [17] Dem Städel Museum ist es gelungen, die Hälfte der Kosten für den Erweiterungsund Neubau in Höhe von 52 Mio. Euro durch die Bürgerschaft und private Initiativen zu akquirieren. [18] Mithilfe der Gelbe-Stiefel-Kampagne konnten Frankfurter Bürger bewegt werden, für das Städel Museum über fünf Mio. Euro zu spenden. Insgesamt konnten rund 26 Mio. Euro durch Großund Kleinspenden von Stiftungen, Unternehmen und Mäzene gesammelt werden. Vor dem Start der Kampagne waren bereits zehn Mio. Euro von privaten Initiativen sicher, sodass mit dem Neubau zeitig begonnen werden konnte. Der Museumsdirektor war anfangs skeptisch, ob kurz nach der LehmanBank Pleite die Bürger überhaupt bereit waren, Geld für Kunst zu spenden. Doch viele Spender förderten bewusst die Kunst und das Museum, um einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. [19]
- [1] Vgl. Gerlach-March 2010, S. 14.
- [2] Heinicke 2013, § 10 b Rn 2.
- [3] Vgl. Hausmann 2011, S. 102.
- [4] Vgl. Scheytt 2005, S. 261; Ebling 2013, S. 520. Bei Spenden bis zur Höhe von 100,00 Euro genügt der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstituts, wenn die Spende direkt an die Kommune als juristische Person des öffentlichen Rechts geleistet wird.
- [5] Vgl. Heinicke 2013, § 10 b Rn 60; Haibach 2012, S. 66. Daher bevorzugen Unternehmen eher die Form des Sponsorings als die der Kulturförderung, um den vollen Abzug als Betriebsausgaben verbuchen zu können.
- [6] Vgl. Heinicke 2013, § 10 b Rn 70.
- [7] Vgl. Meincke 2012, § 29 Rn 11.
- [8] Gerlach-March 2010, S. 66.
- [9] Vgl. Hausmann 2011, S. 103.
- [10] Vgl. Gerlach-March 2010, S. 65; siehe auch Lissek-Schütz 2004, S. 364.
- [11] Vgl. Lissek-Schütz 2004, S. 365.
- [12] Vgl. Gerlach-March 2010, S. 65.
- [13] Vgl. Klein 2008, S. 242. Siehe zur Bedeutung des Mäzens Kapitel 2.4.2.
- [14] Vgl. Haibach 2012, S. 162 f..
- [15] Vgl. Haibach 2012, S. 163.
- [16] Vgl. Gerlach-March 2010, S. 74.
- [17] Heutzutage werden kulturelle Projekte über Crowdfunding mitfinanziert. Dieses noch sehr junge Kulturförderungsinstrument basiert auf einem Internetphänomen. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern Crowdsourcing und Fundraising zusammen. Dabei handelt es sich um einen Prozess der Projektfinanzierung, bei dem über Internettplattformen und Social Media Kanäle über das Projekt und das benötigte Budget kommuniziert wird und eine Vielzahl von geringen Spenden gesammelt werden. Ziel ist es, die Gemeinschaft von der Idee zu begeistern und in kurzer Zeit viele finanzielle Unterstützer zu gewinnen. Vgl. Günter u. Hausmann 2012, S. 101; Hausmann u. Pöllmann 2010; Theil u. Bartelt 2011, S. 2.
- [18] Vgl. Riebsamen 2012, S. B8.
- [19] Vgl. Hoffmans 2012, S. IV.