Praxisbeispiele vergangener und aktueller Kooperationen

Anhand von aktuellen Beispielen wird in diesem Unterkapitel aufgezeigt, in welchen unterschiedlichen Kooperationsverhältnissen private Sammler ihre zeitgenössische Kunstsammlung in öffentlichen Museen präsentieren bzw. gezeigt haben. Jede erklärte Kooperationsform – Dauerleihgabe, individualisierter Kooperationsvertrag und die Schenkung – hat ihre Besonderheiten, die anhand von ausgewählten Beispielen aus der musealen Praxis verdeutlicht werden. Die Reihenfolge der Praxisbeispiele verdeutlicht die Entwicklung von einer Dauerleihgabe über eine Schenkung bis hin zu einem zukunftsträchtigen Modell eines individualisierten Kooperationsvertrages.

Die Sammlung Lauffs im Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld

Im Jahr 1968 wurde von einem Glücksfall gesprochen, als das Ehepaar Helga und Walther Lauffs mit dem damaligen Museumsdirektor des Kaiser-WilhelmMuseums Krefeld Museums Paul Wember Kontakt aufnahm. Gemeinsam sollte eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufgebaut werden. [1] Den Anstoß dafür gab letztlich ein in der Zeit Ende 1967 erschienener Zeitungsartikel. Dieser berichtete über die Ankaufspolitik des Krefelder Kunstmuseums, die dem Unternehmerehepaar sehr imponierte. [2]

In einem ersten Brief an den Museumsdirektor Paul Wember vom 20.05.1968 legte Walther Lauffs sein Interesse offen. Er wollte Vermögen in moderne Kunst investieren und mit dem Krefelder Museum zusammenarbeiten:

„Selbst habe ich auch den Gedanken erwogen, größere Beträge in Moderne Kunst zu stecken, die mir zum Teil gefällt, in der ich aber auch eine gute Kapitalanlage für meine Kinder sehe. Ob ich das notwenige Gespür und Verständnis habe, möchte ich bezweifeln. Deshalb der mich bewegende Gedanke, ob ich nicht auf irgend eine Weise hier mit Ihnen zusammen arbeiten kann. Ich weiß nicht, ob Sie so etwas als Auftrag annehmen können in Ihrer Stellung. Aber ist es nicht möglich, daß solche Werke, für mich gekauft, als Leihgabe über eine lange Zeit in Ihrem Museum bleiben?“ [3]

Laut des ehemaligen Direktors stellte der Sammler sein Konzept des Sammlungsaufbaus mit klaren Vorstellungen und unmissverständlichen Äußerungen vor. Im Eigentum des Sammlers sollen die Kunstwerke für mindestens 10, 15, 20 Jahre im Besitz des Kaiser Wilhelm Museums sein. [4] Der Brief vom 25.06.1968 von Walther Lauffs an den Museumsdirektor bringt das Vertrauen bereits zum Ausdruck:

„Ich bleibe bei meiner Entscheidung, daß jede Geldanlage mit einem gewissen Risiko verbunden ist, daß die hier geplante ganz und gar eine Vertrauensfrage ist, da der Beauftrage, in diesem Falle Sie, doch die sicherere Erkenntnis für diese Fragen haben muß, und ich möchte Ihnen gerne bestätigen, daß ich nach unserer Unterhaltung in jeder Weise Ihnen mein Vertrauen schenke. Ich habe deshalb veranlasst, daß Ihnen schon heute die erste DM 50.000,– in Form eines Schecks zur Verfügung gestellt werden, damit Sie sofort beginnen können, wenn sich Ihnen Geeignetes bietet. Wir würden uns freuen, wenn hiermit der Beginn einer guten, erfreulichen und beide Seiten befriedigenden Zusammenarbeit getan ist.“ [3]

Wember kontaktierte den Sammler in einem Dankesbrief (27.06.1968) und betonte, mit der Arbeit nun zu beginnen. Er bat jedoch vorab um Klärung:

„Wenn Sie mir auch volles Vertrauen schenken, so wäre es doch gut, noch ab und zu über das Grundsätzliche zu sprechen, und gerade zu Beginn der Arbeit wäre es vielleicht von Nutzen.“ [6]

Ein schriftlicher Vertrag schien nicht notwendig gewesen zu sein. Die Verabredung beinhaltete einen fest versprochenen Jahresbetrag, der dem Direktor frei zur Verfügung stand. Im Sinne der bisherigen Ankaufspolitik wurde der Museumsdirektor beauftragt, für den Sammler Kunst zu erwerben. [7]

In ersten persönlichen Begegnungen gab der Sammler seine Unkenntnis der zeitgenössischen Kunst preis. Das Sammlerehepaar zeigte großes Interesse an der Kunst und brachte Vertrauen mit. [8] Während gemeinsamer Besichtigungen und Beratungen wurde die Zusammenarbeit sowie die entstandene Freundschaft intensiv gepflegt und gemeinsame Ankäufe getätigt. Charakteristisch schien der Satz des Sammlers vor entscheidenden Kaufabschlüssen gewesen zu sein: „Wenn Sie es ausstellen, bin ich bereit.“ [9]

Für den Direktor der Kunstmuseen Krefeld war die Verbindung zum Sammlerehepaar Lauffs von hoher Bedeutung. Für viele Ausstellungen konnten Kunstwerke angekauft werden, die sonst aufgrund finanzieller und stadtpolitischer Gründe nicht realisierbar gewesen wären. [10] Für den Museumsdirektor gab es die verwaltungstechnische Maßgabe, nur bei Erwerbungen bis maximal 2 Tsd. DM allein entscheiden zu können. Erwerbungen von Kunstwerken eines höheren Preissegmentes mussten von dem Museumskuratorium, dem Kulturausschuss sowie von dem Finanzausschuss genehmigt werden. Im Fall von sehr teuren Kunstwerken musste der Stadtrat hinzugezogen werden. [11] Demnach war es zur damaliger Zeit nicht einfach, finanzielle Mittel für preislich höhere Werke zeitgenössischer Kunst zu erhalten. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Museumsdirektor Wember mit den von privater Seite verfügbaren Mitteln eine beachtenswerte Sammlung zeitgenössischer Kunst im Eigentum des Sammlerehepaares aufbaute und diese in den Ausstellungsräumen der Kunstmuseen Krefeld präsentierte. [12] Aus dieser Zusammenarbeit entstand in wenigen Jahren eine Privatsammlung mit Werken europäischer Künstler, wie Beuys, Klein und Manzoni und amerikanischer Pop Art Künstlern wie Rauschenberg, Warhol und Wesselmann. Auch nach dem Tod Walther Lauffs sowie nach dem Ausscheiden des Direktors Wembers wurden diese Kunstwerke, die das Museum nicht eigenständig hätte ankaufen können, weiterhin in den Räumlichkeiten der Krefelder Kunstmuseen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Zusammenarbeit wurde im September 2007 beendet, als die verwitwete Sammlerin Helga Lauffs mitteilte, die gesamte Sammlung abzuziehen. [13] Dass verschiedene Aspekte diese Entscheidung mit beeinflusst haben könnten, legen die folgenden Überlegungen dar.

Zunächst gilt zu betonen, dass der Sammler Walther Lauffs nach seinem Tod eine Erbengemeinschaft bestehend aus seiner Ehefrau Helga Lauffs und seinen sechs Töchtern hinterlassen hat. Sofern es ein Testament gab, wurde das Kunstmuseum Krefeld nicht als Vermächtnisnehmer bedacht. Die private Kunstsammlung blieb somit privates Eigentum.

Die Aspekte einer Freundschaft und des Vertrauens gegenüber dem damaligen Direktor sind nicht zu unterschätzen. Von außen sind diese auch nur sehr schwer einzuschätzen. Aus dem Amt des Museumsdirektors schied Paul Wember im Jahr 1975 aus. Ihm folgte Gerhard Storck bis 1999, der das Sammlerehepaar weiter bei dem Aufbau der privaten Sammlung unterstützte. Während der Zusammenarbeit mit der bereits verwitweten Sammlerin fand ein dritter Wechsel des Museumsdirektors durch Martin Hentschel statt. Er leitet bis heute das Museum. Wie intensiv das Vertrauen zwischen dem Sammlerehepaar und dem Museumsdirektor Wember über seine Nachfolger weiter vorhanden war und auf welche Art die weitere Zusammenarbeit gepflegt wurde, ist fraglich. Dass diese Zusammenarbeit von subjektiven Meinungen beeinflusst und bewertet wird, ist realistisch und nachzuvollziehen.

Zudem hat sich, wie bereits im Kapitel 2.2 dargestellt, auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt eine starker Wertzuwachs von Werken der europäischen und amerikanischen Kunst der 1960er und 1970er Jahre ergeben. Dass das Sammlerehepaar die Zusammenarbeit von Beginn an als eine Investition ansah, wurde anfangs hervorgehoben. Daher ist davon auszugehen, dass das Sammlerehepaar bzw. die Sammlerfamilie die Kunstmarktpreise insbesondere auch während der Kunstmarktbooms in den Jahren 2006 und 2007 verfolgte. Es ist nicht auszuschließen, dass Kontakt zu führenden Auktionshäusern bestand.

Mehrmals im Jahr sind die Londoner Kunstexperten der führenden Auktionshäuser für Gegenwartskunst in Europa auf Reisen, um ihre Kundenpflege zu betreiben. Sammler und Erben werden vom Verkauf überzeugt und eine Stammklientel an das Haus gebunden. Demnach lässt sich hervorheben, dass die Kunstexperten der Auktionshäuser viel Zeit in den Aufbau von Beziehungen zu potenziellen Sammlern investieren. [14] Beispielsweise werden Einladungen zu gemeinsamen Abendessen oder zu exklusiven Veranstaltungen gegenüber besonderen Kunden ausgesprochen.

Auf diese Weise versuchen Kunstexperten, mit Käufern in Kontakt zu bleiben. Denn schließlich stellt jeder Käufer einen potenziellen Verkäufer dar.

Die Kunstsammlung von Walther und Helga Lauffs wurde auf 400 Mio. Euro geschätzt. [15] Sotheby's verkaufte im Mai 2008 einen ersten Teil von 33 Kunstwerken der Sammlung für 96 Mio. US-Dollar. Der Schätzpreis lag bei 47 Mio. US-Dollar. [16] Weniger Monate später, im Juli 2008, wurden weitere 12 Werke im gleichen Haus für insgesamt 19 Mio. Englische Pfund verkauft. [17]

Wie bereits erwähnt, wurde kein festgeschriebener Kooperationsvertrag zwischen dem Kunstmuseen Krefeld, dem Sammlerehepaar bzw. der verwitweten Sammlerin und der Stadt Krefeld geschlossen. Demnach musste das Kaiser Wilhelm Museum die circa 400 Werke der Sammlung Lauffs im Jahr 2008 zurückgeben. Angeblich gab es Verständigungsschwierigkeiten zwischen der Sammlerin mit dem Museum über Umfang und Zeitpunkt der von der Stadt Krefeld zugesagten Renovierung. [18] Zeitungsberichten zufolge wurde das Museum von Seiten der Stadt vernachlässigt. Notwendige Modernisierungsmaßnahmen wie das Klimatisieren der Ausstellungsräume wurden aufgeschoben. Im Sommer 2006 stiegen die Temperaturen in den nicht klimatisierten Ausstellungsräumen des Museums so sehr an, dass Werke der Privatsammlung in den einzigen klimatisierten Depotraum verlagert werden mussten, um Schäden zu vermeiden. [19] Ob diese Hitzewelle ein Hauptgrund oder ein Vorwand für die Rückforderung war, ist fraglich.

Diese getroffene Entscheidung hinterlässt in der Sammlung der Kunstmuseen in Krefeld Lücken. Für das Museumsmanagement galt das oberste Ziel, die bedeutende Installation „Barraque D'Dull Odde“ von Beuys für das Museum zu bewahren. Diese besteht aus sieben Werken, von denen fünf zur Sammlung Lauffs zählten. Die durch den Künstler eigenhändig eingerichtete und in NordrheinWestfalen einzige Installation sollte für die Zukunft des Museums gesichert werden. Der damalige Museumsdirektor Hentschel konnte in intensiven Gesprächen erreichen, dass diese Werkgruppe zunächst nicht aus dem Museum entfernt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte über dieses Kunstwerk verhandelt werden. Allerdings sah das Museumsmanagement die Gefahr, dass die mehrteilige Arbeit von Beuys auseinander gerissen und somit ein massiver Eingriff in das Gesamtkunstwerk zustande kommen würde. [20]

In einer außergerichtlichen Verständigung kam es zu einer Einigung. [21] Der Verkauf der Kunstwerke auf dem internationalen Kunstmarkt sollte den sechs Töchtern zugute kommen. Die auf diese Schenkungen fällige Schenkungssteuer wurde anstatt Zahlung durch die Eigentumsübertragung von zwei Beuys Werken an das Land beglichen. Das Land Nordrhein-Westfalen stellt diese Werke als Eigentümerin dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die drei weiteren Beuys Werke schenkte die Sammlerin Helga Lauffs dem Museum. [22] Für die Installation wurden von dem Künstler selbst zwei Ausstellungsräume eingerichtet, die auch heute nach dem Abzug der Sammlung weiter der Öffentlichkeit präsentiert werden können. Die Sammlerin betonte:

„Mit diesen Schenkungen und Überlassungen der Beuys-Werke habe ich die Öffentlichkeit bedacht, wie eine bevorzugte adoptierte Tochter. Wobei keine der Töchter durch die Verkäufe der anderen Werke so viel erhalten wird wie die kunstinteressierten Bürger, denen nunmehr das Krefelder Beuys-Ensemble gehört.“ [23]

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es in der Museumslandschaft Deutschland stets Dauerleihverhältnisse gibt. Die Autorin ist der Ansicht, dass ein Museum immer damit rechnen sollte, dass eine Partnerschaft endlich ist, wenn die Kooperation auf bloßes Vertrauen gestützt ist und keine konkreten Vertragsinhalte vereinbart worden sind. Da in diesem Fall weder eine konkrete Vereinbarung über eine feste Leihzeit noch ein bestimmter Zweck in einem schriftlichen Vertrag beschlossen wurden, konnte die Sammlerin jederzeit nach § 604 Abs. 2 BGB die Sammlung zurückfordern. Eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung war nicht verpflichtend. Dieses negative Beispiel zeigt, dass bei jeder Art von Kooperation zwischen einem privaten Kunstsammler und einem öffentlichen Museum ein Vertrag als erste Grundlage absolut notwendig ist. Allerdings hätte das Museumsmanagement auch mit einer festgelegten Vertragslaufzeit damit rechnen müssen, dass eine solche Dauerleihgabe irgendwann endlich ist. Möglicherweise hätte in einem Vertrag vorab verankert werden können, dass einige Werke in das Eigentum des Museum übergehen. So hätte das Museum einen Teil des Sammlungsbestandes für die zukünftigen Generationen sichern können. [24]

Sicherlich wird es heute stets die Situationen unter befreundeten Museumsdirektoren und Privatsammlern geben, sich gegenseitig in Fragen von Kunstankäufen zu beratschlagen. Die zweite Meinung über einen bestimmten Künstler oder ein bestimmtes Kunstwerk einzuholen, basiert in vielen Fällen auf freundschaftlichen Beziehungen. Indem Maße allerdings, wie an diesem Beispiel verdeutlicht ein professioneller Sammlungsaufbau vorgenommen wurde, arbeiten heutzutage Kunstberatungsfirmen. Auf dem internationalen Kunstmarkt haben sich bereits zahlreiche Kunstberatungen etabliert. Diese beraten private Käufer und Unternehmen bei Anund Verkäufen von Kunst und erhalten Provisionen. Gegenwärtig wird ein Museumsdirektor, dessen Hauptaufgabe es ist, ein Museum zu leiten und zu managen, wenig Zeit für einen Sammlungsaufbau dieser Art übrig haben.

  • [1] Vgl. Hentschel 2001, S. 2.
  • [2] Vgl. Storck 1983, S. 10.
  • [3] Archiv Kunstmuseum Krefeld 2013.
  • [4] Vgl. Wember 1983, S. 17.
  • [5] Archiv Kunstmuseum Krefeld 2013.
  • [6] Ebd..
  • [7] Vgl. Wember 1983, S. 17.
  • [8] Vgl. a.a.O., S. 18.
  • [9] A.a.O. S. 19.
  • [10] Vgl. Wember 1983, S. 19.
  • [11] Vgl. Röder 2013, S. 125.
  • [12] Vgl. Wember 1983, S. 22.
  • [13] Vgl. Hentschel 2010, S. 10.
  • [14] Vgl. Oldag 2010.
  • [15] Vgl. Zeitz 2008.
  • [16] Vgl. Pollock u. Boroff 2008.
  • [17] Vgl. Thibaut 2008.
  • [18] Vgl. Loschelder u. Müller 2011, S. 88.
  • [19] Vgl. Dittmar 2008.
  • [20] Vgl. Hentschel 2010, S. 10 f..
  • [21] Im Jahr 2008 gab es einen Streit um den so genanten Beuys-Block im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld, der die interessierte Öffentlichkeit erheblich beschäftigte. Dieser wurde nicht vor Gericht ausgetragen, weil sich die Parteien außergerichtlich verständigt haben. Zur weiteren rechtlichen Diskussion über dieses Kunstwerk sowie der rechtlichen Beurteilung von standortbezogenen Kunst im Spannungsfeld zwischen Künstler, Eigentümer und Museum siehe Loschelder 2009.
  • [22] Vgl. Kobel 2008; Hentschel 2010, S. 13.
  • [23] Kobel 2008.
  • [24] Im Kapitel 5.2 werden Empfehlungen für Kunstüberlassungen dargestellt.
 
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