Finanzielle Interessen und Auswirkungen auf den Kunstmarkt

Natürlich stößt der leidenschaftliche Sammler irgendwann auf räumliche Grenzen. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Lagerräume überfüllt sein werden. Daher ist es nachvollziehbar, dass ein Sammler seine Kunstsammlung nicht auf Dauer in kostenspieligen Depots verstauen möchte. Der Wunsch ist erkennbar, die Sammlung in den Räumlichkeiten eines öffentlichen Museums zu zeigen. [1] Der Eindruck, dass der Sammler durch eine Dauerleihgabe seiner Sammlung einen finanziellen Nutzen hat, ist nicht zu verleugnen. Wie bereits dargelegt, wird die Kunstsammlung auf Kosten des öffentlichen Museums unter klimatischen, restauratorischen Anforderungen sowie höchstmöglicher Sicherheit bewahrt, gepflegt und betreut. Dementsprechend bleiben dem Sammler die Lagerund Versicherungskosten erspart. [2]

Dass eine Schenkung und eine Verfügung von Todes wegen eine Reduzierung des Vermögens des Sammlers darstellt, wurde bereits erklärt. Schenkt oder übereignet ein Sammler einem Museum seine Sammlung von Todes wegen, haben der Sammler zu Lebzeiten oder seine Erben keine entsprechenden finanziellen Nebenkosten zu tragen.

Ein weiterer finanzieller Vorteil einer Kunstübereignung besteht durch die potenzielle Wertsteigerung der Kunstwerke zeitgenössischer Künstler. Die Ausstellung der Werke in einem öffentlichen und bekannten Museum führt zu einer sogenannten Museumsweihe der Künstler und deren Kunst. Sobald ein Kunstwerk in einer Ausstellung präsentiert wird, in einem Ausstellungskatalog oder Zeitungsartikel besprochen wird, steigt dessen Bekanntheitsgrad. Dadurch entsteht der Eindruck, dass dieses zeitgenössische Kunstwerk bedeutend und wichtig ist. Aufgrund dessen steigt der Wert von zeitgenössischen Kunstwerken, die in bekannten öffentlichen Museen gezeigt werden. Es ist allgemein bekannt, dass die kunstgeschichtliche Bedeutung von Kunstwerken durch Ausstellungen in öffentlichen Museen entsprechende Würdigungen und Bestätigungen erfährt. [3] Besonders lässt sich dies durch einen publizierten wissenschaftlichen Ausstellungskatalog dokumentieren.

Zudem ergeben sich finanzielle Vorteile durch das Erbschaftund Schenkungsteuerrecht, eine wertvolle Kunstsammlung als Dauerleihgabe einem öffentlichen Museum zur Verfügung zu stellen. Diese Vorteile werden als Anreizmechanismen betrachtet. [4] Die wichtigste Steuerbefreiungen für Kulturgüter ergeben sich aus § 13 I Nr. 2 ErbStG. Die Teilbefreiung von 60% und die Steuerbefreiungen von 100% kommen nur dann zustande, wenn der Sammler bzw. Erblasser die Kunstgegenstände während eines Zeitraums von zehn Jahren ab dem Kaufdatum nicht verkauft. [5]

Für die Teilbefreiung von 60% sind nach § 13 Abs. 1 Nr. 2a ErbStG folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

• Für diese Teilbefreiung kommen einzelne Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive in Betracht.

• Die Erhaltung dieser Gegenstände muss aufgrund ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen. Bedeutende zeitgenössische Kunstsammlungen erfüllen diese Voraussetzung, wenn öffentliche Museen diese als Leihgabe längerfristig nutzen möchten.

• Die jährlichen Kosten müssen in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen.

• Die Gegenstände müssen in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht werden. Diese Voraussetzung wird erfüllt sein, wenn sich das Objekt in der Forschungseinrichtung Museum befindet.

• Die Kunstwerke dürfen im Verlauf der nächsten zehn Jahre nach Erwerb von Todes wegen nicht verkauft werden. [6]

Diese Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung von 60% des Wertes sind gegeben, wenn sich Kunstwerke oder eine ganze Sammlung in einem Museum befinden. Dies ist unabhängig davon, ob die Kunstwerke im Ausstellungsraum präsentiert oder im Depot gelagert werden. Ebenso sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn der Sammler seine Kunstwerke bei sich zuhause behält und im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit einem Museum seine Bereitschaft erklärt, die Kunstwerke durch Leihgaben zur Verfügung zu stellen. [7]

Als zukünftiger Erblasser ergeben sich für den Sammler folgende Gestaltungsmöglichkeiten, um eine Steuerbefreiung im vollen Umfang zu erzielen. Ein vermögender Sammler verwandelt einen wesentlichen Teil seines Aktiendepots in Kunstwerke und stellt diese zu Lebzeiten oder von Todes wegen als Leihgaben einem Museum zur Verfügung. Er erklärt seine Bereitschaft, diese Kunstwerke den Regeln des Denkmalschutzes zu unterstellen. Ferner verpflichtet er seine Erben dazu, die Kunstwerke mindestens 10 Jahre lang nicht zu veräußern und im Museum zu belassen. Auf diese Weise erzielt ein Sammler, wenn er nach dem Ankauf dieser Kunstwerke noch 20 Jahre lebt, eine Erbschaftsteuerbefreiung von 100%. Stirbt der Sammler vor Ablauf des gesamten Zeitraums, beträgt die anfallende Erbschaftsteuer 40%. Durch diese Umwandlung von Vermögen ergibt sich eine Möglichkeit, großes Vermögen an der Erbschaftsteuer vorbeizuführen. Den Erben ist es nach Ablauf der Bindungsfrist von zehn Jahren selbst überlassen, ob sie die Kunstwerke auf dem Kunstmarkt verkaufen und zurück in Geldvermögen umwandeln. [8]

Allerdings ist die Voraussetzung des 20-jährigen Familienbesitzes für die Befreiung von Kulturgütern der zeitgenössischen Kunst in einigen Fällen nicht leicht zu erfüllen. Bei einem Stichtag im Jahr 2013 müsste ein Werk der zeitgenössischen Kunst im Jahr 1983 erworben worden sein, damit die Bindungsfrist erlischt. [9]

Für den privaten Sammler kann eine großzügige Zuwendung in Form von Kunstwerken an ein gemeinnütziges Museum aus finanzieller Hinsicht besonders attraktiv erscheinen. Zum Zeitpunkt der Zuwendung wird der volle Marktwert des Kunstgegenstandes ermittelt. Dieser kann sich einkommensteuermindernd auswirken. [10] Laut Erbschaftund Schenkungsteuerrecht sind Kunstwerke im Privatvermögen mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 12 I ErbStG i. V. mit § 9 I BewG). [11]

„Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.“ [12]

Da die Erbschaftund Schenkungsteuer eine stichtagsbezogene Steuer ist, gilt der Preis, der am Todesdatum des Erblassers oder am Datum der Schenkungsausführung auf dem Kunstmarkt hätte erzielt werden können. Dieser Wert ist in einem Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Werte von Vergleichsobjekten werden herangezogen, „die nach Künstler, Schaffensperiode, Technik, Qualität, dargestelltem Sujet, Maß, Provenienz und Erhaltungszustand mit dem zu bewertenden Objekt in etwa vergleichbar seien“[13] Von diesem zu ermittelnden Wert sind die Transportund Versicherungskosten abzuziehen. Gleiches gilt für die Marge des Auktionshandels, die durch Verkäufe auf dem Sekundärmarkt zustande kommen. Liegt der festzustellende Marktwert höher als der Ankaufswert des Kunstwerkes, so kann bei einer Schenkung ein durch die Steuerersparnis realisierter Vermögensvorteil ausfallen. [14] Aus diesem Grund kann es in einigen Fällen vorteilhafter für private Sammler sein, Kunstwerke zu schenken anstatt Geld zu spenden.

Zudem kann eine Kunstsammlung von Erben oder Beschenkten noch nach dem Erbfall oder dem Zeitpunkt der Schenkung steuerbefreit auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen werden. Laut § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erlischt eine entstandene Erbschaftoder Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit für Kunstwerke, die von Todes wegen oder durch Schenkungen unter Lebenden erworben wurden. Die Kunstwerke sind innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer dem Bund, einem Land, einer inländischen Gemeinde oder inländischen Stiftung zuzuwenden. [15]

In Anlehnung an den Fall Dation Picasso[16] wurde in Deutschland eine Gesetzesänderung gefordert, damit die Erben eines Privatsammlers ebenfalls einen solchen Vorteil genießen können. Nach dem Tod der Ehefrau Picassos konnte die anfallende Erbschaftsteuer durch den Nachlass verrechnet werden. Die durch das Kulturund Stiftungsförderungsgesetz vom 13.12.1990 eingeführte Vorschrift des § 224a AO kann für einige Kunstsammler von Interesse sein. Zugelassen durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag besteht die Möglichkeit, ein Steueraufkommen an Zahlung statt das Eigentum an Kunstgegenständen oder Kunstsammlungen dem Land, dem das Steueraufkommen zusteht, zu übertragen. Voraussetzung dafür ist, dass an deren Erwerb wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft ein öffentliches Interesse besteht. Somit besteht kein Anspruch auf die Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlung statt. Eine Zustimmung des Finanzministeriums sowie des Kultusministeriums muss eingeholt werden. Sollte der Wert höher sein als die Steuerschuld, wird der Differenzbetrag an den steuerpflichtigen Privatsammler ausgezahlt. Durch diese Vorschrift ergibt sich die Möglichkeit, Steuereinnahmen für den Erwerb von Kulturgütern einzunehmen, bevor diese dem Haushalt zukommen. Aus Sicht des Staates ist ein solches Prinzip nur begrenzt erwünscht. Konsequenterweise erfolgt die Annahme von Kulturgut an Zahlung Statt nur in Ausnahmefällen. [17]

  • [1] Vgl. Raue 2006, S. 4.
  • [2] Vgl. Fleck 2013, S. 71 f.; Loschelder u. Müller 2011, S. 87.
  • [3] Vgl. Loschelder 2010, S. 705; Kirchmaier 2013, S. 297.
  • [4] Vgl. Fischer 2012a, S. 99.
  • [5] Vgl. Geck 2013, § 13 Rn 21; Ebling 2013, S. 475 f.; Lynen 2013b, S. 128 f.; Haag 2006, S. 136.
  • [6] Vgl. Ganteführer u. Wacker 2006, S. 18; Ebling 2013, S. 476; Lynen 2013b, S. 128 f.; Haag 2006, S. 136.
  • [7] Vgl. Geck 2013, § 13 Rn 22.1; Ganteführer u. Wacker 2006, S. 18.
  • [8] Vgl. Geck 2013, § 13 Rn 23; Ganteführer u. Wacker 2006, S. 18; Ebling 2013, S. 476 f.; Lynen 2013b, S. 128 f.; Heuer u. von Cube 2008, S. 567.
  • [9] Vgl. Heuer u. von Cube 2008, S. 568.
  • [10] Vgl. Schack 2009, S. 369.
  • [11] Vgl. Geck 2013, § 12 Rn 79, 80; Schack 2009, S. 371.
  • [12] Heuer 2008, S. 690.
  • [13] Ebd..
  • [14] Vgl. Heuer 2008, S 690; Schack 2009, S. 370.
  • [15] Vgl. Ebling 2013, S. 478.
  • [16] Nach dem Tod von Jacqueline 1985, der damaligen Ehefrau von Picasso wurden DM 30 Mio. Steuern fällig, die von Picassos Stieftochter mit Kunstwerken beglichen wurden. Ferner wurden bei der Versteigerung des Nachlasses der zeitweiligen Lebensgefährtin, Dora Maar, im Herbst 1998, Kunstwerken per Dation mit der Erbschaftsteuer verrechnet. Vgl. Ganteführer 1999, S. 24.
  • [17] Vgl. ebd.; Ebling 2013, S. 478; Stolz 1999, S. 37.
 
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