Strategien Recht und Verfassung
Fallstudie: Die Rechte und das Recht
Rudolf Kleinschmidt
Frontstellung
"Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. (…) Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. (…) Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir." (zit. nach: Rechtsextremisten in Parlamenten, S. 2)
Diese Sätze von Joseph Goebbels sind der extremen Rechten bis heute ins Stammbuch geschrieben. Nach wie vor versuchen ihre Protagonisten, die Möglichkeiten der demokratischen Gesellschaft zu missbrauchen, um diese zu bekämpfen und abzuschaffen. Immer wieder kollidiert diese Szene mit bestehenden Gesetzen – und versucht, mögliche Konsequenzen durch zahlreiche Beratungsangebote und Rechtshilfetipps im Kampf gegen die Demokratie zu vermeiden oder abzumildern. So erklärt "Mein Selbstverständnis", eine weitverbreitete ideologische Schrift der "Freien Nationalisten":
"Ich alleine bin verantwortlich für mein politisches Wollen, das immer nur dem einen Grundsatz verpflichtet ist: Was meinem Volk nutzt, ist recht! Mein Widerstand gegen die herrschenden Zustände kennt keine faulen Kompromisse." (Selbstverständnis; S. 3)
"Recht ist, was dem Volke nützt" – was für den Volksgerichtshof die Grundlage nationalsozialistischer Unrechtsurteile war, dient der extremen Rechten bis heute, ebenso wie der Widerstand ohne "faule Kompromisse", als Rechtfertigung für jegliches Vergehen. Dazu zählen Propagandadelikte, Sachbeschädigung, Volksverhetzung und Raub ebenso wie Körperverletzung und Tötungsdelikte. Seit der Wiedervereinigung wurden mehr als 150 Menschen Todesopfer rechter Gewalt (vgl. Todesopfer rechter Gewalt 1990 – 2013) – erschossen, erschlagen, verbrannt oder über Stunden zu Tode gequält. Fast 20 davon waren jünger als 18 Jahre.
Der Satz "Recht ist, was dem Volke nützt" negiert grundlegende Freiheits-, Gleichheitsund Menschenrechte und widerspricht den zentralen Rechtsgrundlagen unserer demokratischen Gesellschaft wie "Keine Strafe ohne Gesetz", Menschenwürde, Menschenrechte, Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und Unabhängigkeit der Gerichte. Diese Ablehnung und das Propagieren einer NS-gleichen Volksgemeinschaft zeigen sich auch im in der extremen Rechten weit verbreiteten Text: "Dein Verhalten gegenüber Polizei und Justiz":
"Das heute herrschende System unterscheidet sich von einem Volksstaat – in dem nach germanischem Brauch Recht ist, was dem Volke nützt – gewaltig. In der Justiz wird heute
›Gut und Böse‹ (das, was sein soll und das, was nicht sein soll) durch Gesetze bestimmt." (Freie Kräfte Oberberg)