Wie gefährlich sind gewalthaltige Computerspiele?

Robert Busching

Einleitung

Wolfgang Lenhard

Vermutlich gibt es kaum ein Themengebiet, bei dem die Einschätzungen so weit divergieren wie bei der Frage nach den Auswirkungen medialer Gewaltdarstellungen und -handlungen und dabei insbesondere in Bezug auf gewalthaltige Computerspiele. Der Konsum auch von nicht für Jugendliche freigegebenen Spielen ist in dieser Altersgruppe weit verbreitet. Etwa die Hälfte der befragten Personen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren gab in der repräsentativen JIM-Studie 2014 (MPFS 2014, S. 44) an, selbst besonders brutale Computerspiele zu spielen. Mit Kommentaren versehene Videoaufzeichnungen des Spielgeschehens (sog. Let's-Play-Videos) gehören zu den am häufigsten abgerufenen Inhalten auf Online-Videoplattformen, darunter häufig und in der Regel frei zugänglich auch Darstellungen von Gewaltexzessen.

Im Kontrast zu den Gewaltdarstellungen beteuern die Mitglieder von Computerspiele-Communitys dagegen häufig, absolut friedliebende Menschen zu sein, für die brutale Spieleinhalte eher ein Ventil zum Ablassen angestauter Aggressionen und das Spielen eher eine Form von Unterhaltung oder sogar Lifestyle ist. Für sie ist es oft nicht verständlich, dass die geliebte Freizeitbeschäftigung als potenziell gefährlich dargestellt wird, und sie sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Und tatsächlich ist es bei großen Spieleevents bislang nicht zu vergleichbaren Gewaltausbrüchen gekommen, wie es fast jedes Wochenende im Fußball bei Bundesligaspielen der Fall ist. Auf der anderen Seite gibt es besorgte Eltern, die die Freizeitbeschäftigung der Jugendlichen mit Skepsis sehen. In der Öffentlichkeit wird zudem häufig über potenziell negative Auswirkungen diskutiert, vorzugsweise in Bezug auf Gewalttaten. Angesichts der hohen Verbreitung der Spiele ist es nicht verwunderlich, auch bei jugendlichen Gewalttätern häufig den Konsum betreffender Inhalte zu finden.

Ein methodisches Problem der Erforschung der Wirkung von Gewaltdarstellungen liegt in den ethischen Grenzen der Zuteilung von Jugendlichen auf Untersuchungsgruppen, die eine potenziell schädliche Bedingung durchlaufen müssten. Lange Zeit war es deshalb unmöglich zu klären, ob Unterschiede in der Aggressivität zwischen Spielern und Nichtspielern auf das Spielen selbst oder auf Selektionsprozesse zurückzuführen sind. Das Forscherteam um Prof. Krahé, in dem Dr. Busching an der Universität Potsdam arbeitet, löste dieses Problem mithilfe eines längsschnittlichen Ansatzes: Sie verfolgten die Entwicklung der Aggressivität von Jugendlichen über einen längeren Zeitraum und beobachteten, welcher der Jugendlichen bereits zu Beginn spielte oder später mit dem Spielen begann. Mit einem solchen Forschungsdesign kann annähernd die gleiche Aussagekraft hergestellt werden wie bei Experimenten. Es wird möglich, Änderungen in der Aggressionsbereitschaft kausal zu interpretieren und Veränderungen im Erleben und Verhalten auf Medieneinflüsse zurückzuführen und die Größe des Einflusses zu quantifizieren. Darüber hinaus lassen sich auch mögliche Wirkungsweisen aufschlüsseln, und auch der Einfluss von Moderatorvariablen kann erfasst werden (Möller und Krahé 2009; Möller et al. 2013). Die Frage, auf welche Weise Gewaltdarstellungen auf affektiver und kognitiver Ebene zu einer Desensibilisierung führen, war eine der zentralen Ansatzpunkte der empirischen und experimentell ausgerichteten Dissertation von Dr. Busching. Während die Auswirkungen medialer Gewalt mittlerweile als gut erforscht gelten können, bleibt die Frage nach möglichen Interventionen zur Reduktion potenziell unerwünschter Folgen ein bislang selten beforschtes Thema. Auch hier konnte die Forschergruppe Pionierarbeit leisten und einen Interventionsansatz konzipieren, dessen Auswirkung in einer 30-monatigen Längsschnittstudie überprüft wurde (Möller et al. 2011; Krahé und Busching, 2015).

Referenzen

MPFS (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) (2014). JIM 2014: Basisuntersuchung zum Medienumgang 12bis 19-jähriger. Stuttgart: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.

Krahé, B., & Busching, R. (2015). Breaking the vicious cycle of media violence use and

Psychology of Violence 5(2),aggression: A test of intervention effects over 30 months. .

Möller, I., & Krahé, B. (2009). Exposure to violent video games and aggression in German

adolescents: a longitudinal analysis. Aggressive Behaviour, 35(1), 75–89.

Möller, I., Krahé, B., Busching, R., & Krause, C. (2011). Efficacy of an Intervention to Reduce the Use of Media Violence and Aggression: An Experimental Evaluation with Adolescents in Germany. Journal of Youth and Adolescence, 41(2), 105–120. doi:10.1007/s10964-0119654-6.

Möller, I., Krahé, B., & Busching, R. (2013). Mediengewaltkonsum und aggressives Verhalten: Ein längsschnittlicher Vergleich von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 45, 121–130. doi:10.1026/0049-8637/a000086.

 
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