Interview mit Herrn Dr. Florian Rehbein am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen
Es interviewten Julian Gutzeit und Thomas Bader (Kamera). Das Transkript wurde von Kathrin Müller-Roden umgesetzt und adaptiert, und Martin Weiß fertigte den Videoschnitt an.
Interviewer: Herr Dr. Rehbein, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.
Dr. Florian Rehbein: Sehr gerne.
I: An welchen Inhalten zu Computerspielen und Medienabhängigkeit forschen Sie gerade, und wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?
FR: Derzeit erforsche ich die epidemiologischen Grundlagen der Computerspielund Internetabhängigkeit. Ich beschäftige mich z. B. damit, wie häufig dieses Phänomen vorkommt, also mit den Prävalenzraten von Computerspielund Internetabhängigkeit. Mich interessiert, wie das Ganze entsteht, also welche Risikofaktoren der Phänomenologie zugrunde liegen, wie der Verlauf zu beschreiben ist und welche Folgen damit verbunden sind. Das ist das, was ich am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) untersuche, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen, die dann nochmal vertiefend auf Einzelfragestellungen eingehen. Und so versuchen wir, die klinische Relevanz des Phänomens zu erforschen. Hintergrund war, dass wir eigentlich ein bisschen durch Zufall darauf gestoßen sind, weil wir traditionell bereits eine langjährige Forschung im Bereich Mediennutzung haben. Schon seit mindestens 2003/2004 forschen wir hierzu relativ intensiv, weil wir wissen, dass Jugendliche häufig Unterhaltungsmedien nutzen und dies dann letztlich zu deren Freizeitverhalten dazugehört. Deswegen sehen wir uns natürlich immer entsprechende Variablen an, die eine Relevanz haben, um auch Vorhersagen zu machen, z. B. was Schulleistung angeht. Das war das Ausgangsthema. Und dann haben wir festgestellt, dass es tatsächlich auch einige Jugendliche gibt, die da Auffälligkeiten in psychischer Hinsicht und Symptome von Abhängigkeit entwickeln, also solche, die einer Abhängigkeit ähnlich sind. Entsprechend haben wir dann immer mehr auf dieses Forschungsthema fokussiert.
I: Welche Bedeutung hat das Thema Computerspiele und vielleicht auch Social Media in Ihrem Privatleben?
FR: Social Media haben in meinem Privatleben, kann man sagen, gar keine Bedeutung. Ich glaube, ich gehöre noch zu der Generation, die dem Ganzen ein wenig skeptisch gegenübersteht. Ich habe zwar sogar einen Facebook-Account, den ich aber so gut wie gar nicht benutze, nur mal um mit Verwandten, die in den USA leben, in Kontakt zu treten – aber auch das eher selten. Ich bin also eher noch ein klassischer E-Mailer und SMS-Schreiber, wenn man so möchte. Computerspiele haben, gerade als ich noch ein bisschen jünger war, doch auch eine Rolle in meinem Leben gespielt. Also ich habe schon eine Zeit lang leidenschaftlich Computerspiele gespielt und bin mit der Forschung dann auch weiter am Thema drangeblieben. Es ist einfach wichtig, dass man dann die Spiele kennt. Und es gibt ja auch einen sehr großen Wandel im Spielbereich, wenn man z. B. an die Onlinerollenspiele denkt, die es ja eigentlich erst so seit 2004/2005 überhaupt gibt.
I: Welche methodischen Zugänge gibt es zur Erfassung von Abhängigkeitskriterien, und was sind die jeweiligen Vorund Nachteile dieser Methoden?
FR: Die Computerspielabhängigkeit heißt im Amerikanischen derzeit Internet Gaming Disorder, (APA 2013). Wenn man jetzt beispielsweise eine Computerspielabhängigkeit diagnostizieren möchte, dann hat man verschiedene Standardmöglichkeiten zur Verfügung. Das Häufigste, was gemacht wird, ist einen Fragebogen oder ein Screening-Verfahren einzusetzen. Das sind dann typischerweise Selbstbeurteilungsaussagen, die man liest und dann als Befragungsteilnehmer entscheiden muss, wie sehr das auf einen zutrifft oder wie häufig man das in einem bestimmten Zeitraum an sich selber erlebt hat. Das ist die eine Möglichkeit und gerade in epidemiologischen Untersuchungen eine ziemlich häufig verwendete Herangehensweise. Das ist aber eben auch nur eine Verdachtsdiagnose. Die Kriterien einer Computerspielabhängigkeit kann man dann darauf basierend schätzen, wie viele Personen einer bestimmten Population davon betroffen sein könnten. Das schon bessere, also reliablere, Verfahren wäre, ein standardisiertes klinisches Interview beispielsweise nach den Composite-International-Diagnostic-Interview-(CIDI-)Vorgaben zu machen (Wittchen et al. 2001). Da entwickeln wir gerade zusammen mit Kollegen aus Lübeck (Bischof et al. 2013) ein Verfahren, das wir auch in der größeren Befragung schon anwenden. Das wird sicherlich auch irgendwann veröffentlicht werden und wird dann ganz ähnlich laufen wie ein CIDI-standardisiertes klinisches Interview. Es ist ein bisschen ausführlicher, und man muss erst einmal einschätzen, ob man überhaupt schon jemals ein bestimmtes Symptom erlebt hat. Dann wird von der Stärke her eingegrenzt, ob es klinisch relevant ist. Entsprechend wird auch gefragt, ob es in den letzten zwölf Monaten aufgetreten ist. Man kann also richtig schön differenzieren in Lebenszeitprävalenzen und 12-Monats-Prävalenzen. Das ist sicherlich auch ein gutes Verfahren, das man anwenden kann. Der dritte Zugang wäre theoretisch, offene klinische Interviews zu machen, also dass ein Psychiater oder versierter Kliniker weiß, welche Kriterien der Internet Gaming Disorder zugrunde liegen und ein offenes Gespräch mit seinem Patienten führt, um festzustellen, ob bestimmte Kriterien erfüllt sind oder nicht. Da ist natürlich immer zu hoffen, dass dementsprechend auch Kenntnisse darüber vorliegen, wie die einzelnen Symptome und Kriterien zu operationalisieren sind. Es ist natürlich ganz wichtig, dass man dann ganz genau weiß, wann ein solches Kriterium als erfüllt anzusehen ist und wann nicht. Wir gehen ja auf die Kriterien sicherlich gleich nochmal ein.
I: Inwieweit kann man diese Methoden und klinischen Interviews auch mit Methoden zur Erhebung von Substanzabhängigkeiten vergleichen?
FR: Das kann man eigentlich eins zu eins vergleichen. Im Bereich der substanzbezogenen Störungen haben wir auch CIDI-Module zur Erhebung. Es gibt entsprechende Screening-Fragebögen, und in dem Bereich gibt es natürlich auch die Möglichkeit, das offen im klinischen Interview zu erheben.
I: Wie ist Abhängigkeit allgemein definiert? Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle, und inwieweit lassen sich diese allgemeinen Kriterien auch auf die Medienabhängigkeit übertragen?
FR: Letztlich ist Abhängigkeit immer als ein Muster von kognitiven und verhaltensbezogenen Symptomen definiert, die darauf hindeuten, dass durch die Substanzeinnahmen oder das infrage stehende Verhalten klinisch relevante Probleme entstehen und das Verhalten trotz dieser Probleme fortgesetzt wird. Das wäre eine ganz allgemeine basale Definition, die man auf alle Abhängigkeitserkrankungen anwenden kann. Darunter sind die substanzbezogenen Abhängigkeiten die historisch ältesten, zu denen die ersten klinischen Diagnoseinstrumente und entsprechend auch die Kriterien entwickelt wurden. Darauf basierend gibt es Adaptionen für das pathologische Glücksspiel, die auch schon sehr viel Überlappung zu den substanzbezogenen Störungen hatten, wenn man zum Beispiel an Toleranzentwicklung oder Entzugserscheinung denkt. Das sind ja eigentlich erstmal physiologische Symptome, die man vielleicht haben kann. Gerade körperliche Entzugssymptome und auch eine körperliche Toleranzentwicklung sollte man eigentlich nur bei substanzbezogenen Störungen finden. Das ist auch richtig. Aber man findet eben vergleichbare psychische Erscheinungen in dem Bereich der Verhaltenssüchte. Das Gleiche hat sich dann im Grunde auch bei der Internet Gaming Disorder gezeigt. Man kann all diese Kriterien auch dort anwenden. Das ist natürlich immer ein bisschen spezialisiert anzusehen.
Wenn wir nochmal an das pathologische Glücksspiel denken, gibt es zwei Kriterien, die sehr spezifisch für das pathologische Glücksspiel sind. Da haben wir das Chasing, also wenn ich Verluste hatte, versuche ich die wieder reinzuholen. Und entsprechend auch, dass ich mir Geldbeträge in größerem Maßstab aus meinem Umfeld leihe, um mein Glücksspiel zu finanzieren. Das sind zwei der insgesamt neun Kriterien des pathologischen Glücksspiels nach dem DSM5, und die würde man natürlich nicht eins zu eins auf Computerspielabhängigkeit übertragen können. Wohingegen man andere, wie Entzugserscheinungen, Toleranzentwicklung und natürlich Kontrollverlust, diese ganzen klassischen Kriterien, auch auf die Internet Gaming Disorder anwenden kann. Das wurde auch erfolgreich gemacht (Petry et al. 2014; Rehbein et al., 2015). Und es zeigt sich eigentlich sehr robust, dass man dieses Konstrukt dann auch messen kann und eine Gruppe von pathologischen Spielern findet, die vermehrt solche Symptome aufweisen. Es gibt sicherlich ein paar stärkere Hinweiskriterien (Rehbein et al., 2015). Bei der Computerspielabhängigkeit ist die verhaltensbezogene Vereinnahmung ein besonders starkes Hinweiskriterium, also dass man vormals geschätzte Hobbys aufgibt, dass man sich gar nicht mehr für andere Dinge interessiert, sondern nur noch für das Computerspielen. Das ist ein sehr wichtiges Kriterium, um Computerspielabhängigkeit zu erkennen. Aber auch Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen sind sehr im Kern der Diagnostik zu sehen, wohingegen andere einen eher geringeren Hinweiswert haben, zum Beispiel die dysfunktionale Gefühlsregulation, also dass man spielt, wenn man Probleme hat, um sie zu vergessen. Es gibt eben auch viele Spieler, die gar nicht pathologisch, sondern einfach nur aus Leidenschaft spielen, aber dann auch mal dazu neigen zu sagen: „Naja, heute war es frustrierend, also mache ich mal den Computer an.“ Das ist dann aber nicht unbedingt immer ein Ausdruck einer Pathologie.
I: Jetzt haben Sie schon die Entzugserscheinungen und Toleranzentwicklungen angesprochen. Wie sehen die Entzugserscheinungen bei Computerspielabhängigkeit konkret aus?
FR: Das sind dann wirklich psychische Symptome, wie zum Beispiel Unruhe, Gereiztheit und Stimmungsschwankungen. Es gibt auch die Annahme, dass Leute tatsächlich mehr Müdigkeit erleben. Das sind demnach psychische Entzugssymptome auf einer niederschwelligen Ebene, also nicht direkt etwas wie Zittern oder Schwitzen, obwohl es das vielleicht in ganz extremen Fällen auch geben mag. Es gibt tatsächlich Einzelberichte, dass es auch starke Ausmaße annehmen kann. Das ist aber sicherlich nicht das, was man regulär an Entzugserscheinungen erwarten würde. Das andere physiologische Kriterium ist die Toleranzentwicklung. Da ist es nicht das körperliche messbare Gewöhnen an eine Substanz, die dann irgendwann nicht mehr wirkt und nicht mehr den gewünschten psychotropen Effekt hervorruft. Das würde man eher so operationalisieren, dass man sagt, das Individuum verspürt die Notwendigkeit, immer mehr zu spielen oder das Niveau zu steigern, um noch den gewünschten Effekt zu erzielen. Dieser Effekt besteht wahrscheinlich darin, Aufregung oder Befriedigung beim Spielen erleben zu wollen. Der Betroffene merkt dann, dass die Zeit – diese ein, zwei Stunden –, die er früher gespielt hat, nicht mehr reicht. Er muss das immer weiter steigern, um noch diesen gewünschten Effekt zu erzielen. So würde man das am ehesten auch für die Internet Gaming Disorder operationalisieren.
I: Wie ist zurzeit der aktuelle Stand der Forschung zur Computerspielabhängigkeit? Wie hoch sind die Prävalenzwerte?
FR: Es gibt noch nicht so viele Prävalenzstudien. Aber vor allen Dingen muss man immer methodisch darauf hinweisen, dass die diagnostischen Verfahren, die verwendet werden, sehr unterschiedlich sind, wie auch die Cut-off Werte. Die meisten Verfahren bestimmen einen Summenwert, und dann sagt man, ab einem gewissen Summenwert nimmt man eine Abhängigkeit an. Das ist in den meisten Fällen nicht deckungsgleich mit den Vorgaben. Zum Beispiel sagt man im DSM-5, dass fünf von neun Kriterien erfüllt sein müssen. Das wäre eine kategoriale Diagnostik. Aber man findet eigentlich häufiger die dimensionale Diagnostik anhand eines Summenwertes. Das sind so die Einschränkungen, die man kennen muss. Wenn man jetzt aber mal nur die Studien zugrunde legt, die größere Stichproben haben und über größere Populationen Aussagen machen, dann kommt man auf Prävalenzwerte zwischen 0,2 und 0,6 % im Erwachsenenalter und eine größere Spanne zwischen 1,7 % und über 8 % im Jugendalter (Festl et al. 2013; Mentzoni et al. 2011; Rehbein 2014; Rehbein et al. 2010a; Rehbein et al. 2014; Schmidt et al. 2011). Dazu gibt es eine Studie aus den USA, bei der man aber auch sagen muss, dass sie methodisch kritisch zu sehen ist (Gentile 2009). Sie ist zu liberal, zumindest was die eingesetzte Diagnostik angeht. Aber im Jugendalter sind die Prävalenzwerte auf jeden Fall höher, und die Schwankungsbreite ist auch größer. Das heißt, im Jugendalter gibt es eigentlich noch weniger gesicherte Kenntnisse darüber, wie viele wirklich betroffen sind.
I: Wurden schon kulturelle Einflüsse auf Videospielabhängigkeit untersucht?
FR: Kulturelle Einflüsse wurden noch nicht systematisch untersucht, zumindest nicht in Form einer internationalen Vergleichsstudie mit dem gleichen methodischen Standard und dem gleichen Messverfahren. Es gibt aber Hinweise darauf, dass in den asiatischen Ländern, zum Beispiel in Südkorea, höhere Prävalenzzahlen bestehen und mehr Leute betroffen sind. Das kann man mit daran erkennen, dass dort bereits ein größeres Problembewusstsein besteht. Dort ist der Störungsbegriff schon Allgemeingut, und es gibt auch schon mehr Behandlungsangebote und Maßnahmen, auch staatlicherseits. Man kann schlussfolgern, dass dort auch eine größere Problematik besteht als in Europa. In den USA haben wir ebenfalls eine etwas höhere Prävalenzrate im Jugendbereich, aber das würde ich primär auf methodische Unterschiede zurückführen. Ob es in den USA wirklich mehr Betroffene gibt, kann man eigentlich jetzt noch gar nicht sagen, weil die Art, wie geforscht wird, so unterschiedlich ist.
I: Wie unterscheiden sich die verschiedenen Medien grob in ihrem Abhängigkeitsrisiko?
FR: Beim Fernsehen gehen wir davon aus, dass es nicht im engeren Sinne zu einer wirklichen Abhängigkeit oder zu einer klinisch relevanten Störung kommen kann. Zumindest nicht in einer Weise, bei der man sagen kann, dass es isoliert für sich ein krankes Kerngeschehen darstellt, das man abgrenzend beschreiben kann. Bei den Social Media besteht der Verdacht, dass es Leute geben kann, die eine Problematik haben könnten; es ist aber sehr schlecht erforscht. Wir haben Studien zur Internetabhängigkeit allgemein, wo wir auch wissen, dass die meisten der als internetabhängig Klassifizierten, gerade die Jugendlichen und auch gerade die Mädchen, primär nach eigener Angabe ein Problem mit Social Media haben, also zum Beispiel mit Facebook. Dennoch wurde es nicht isoliert betrachtet, dass man sagen kann, wir können jetzt das Abhängigkeitspotenzial von Social Media mit dem von Computerspielen vergleichen. Dazu muss es mehr spezialisierte Forschung zu diesem Bereich geben. Unter den medienbezogenen Abhängigkeiten ist bei der Computerspielabhängigkeit am besten evidenzbasiert festzustellen, dass da tatsächlich bei einzelnen Personen ein klinisch relevantes Krankheitsgeschehen vorliegen kann. Da besteht einfach die beste Datenlage. Entsprechend hat die Task Force „Verhaltenssucht in Deutschland“, die Professor Karl Mann formiert hat, genau diese Schlussfolgerung getroffen: dass als nächster Kandidat der stoffungebundenen Verhaltenssüchte nach dem pathologischen Glücksspiel die Computerspielsucht gilt, die auch offiziell in die Nosologie aufgenommen werden sollte (Rehbein et al. 2013).
I: Welche Art von Spielen bringt das größte Abhängigkeitspotenzial mit sich, und woran liegt das?
FR: Die erste Frage ist noch relativ leicht zu beantworten, das sind derzeit am ehesten die Onlinerollenspiele (Rehbein et al. 2009; Rehbein et al. 2010b). Allerdings herrscht da ein riesiger Wandel. Ich würde zum Beispiel nie behaupten, dass das auch so bleibt, denn es entstehen ja immer neue Spieletypen. Ich glaube, dass diese neuen Open World Games mit Survival-Charakter bestimmt auch relevant werden in den nächsten Erhebungen, die wir machen. Auch sind Shooter-Spiele und Strategiespiele immer auffällig gewesen, gerade auch mit der Möglichkeit, diese Spiele online zu spielen. Wir hatten lange Zeit das höchste Abhängigkeitspotenzial speziell bei World of Warcraft, als das in der High-Phase war. Da haben wir uns die beliebten Spiele differenziert angeschaut und den höchsten Anteil von Computerspielabhängigen in der Gruppe der World of Warcraft-Nutzer gefunden. Aber man muss eben auch einfach abwarten, wie das dann weitergeht. Diese drei Genres waren auf jeden Fall immer auffällig. Woran das liegt, ist nicht wirklich zweifelsfrei geklärt. Wir nehmen an, dass es etwas mit den spielstrukturellen Merkmalen und mit den Belohnungsmerkmalen in den Spielen zu tun haben muss. Aber wie die genau zusammenwirken und wie das genau funktioniert, ist noch nicht geklärt. Wir wissen, dass gerade diese besagten Spiele häufig mit intermittierenden Verstärkungen arbeiten, sodass man nicht genau weiß, wann man eine Belohnung bekommt und wie hoch sie ausfällt. Außerdem wissen wir, dass sie häufig eine Vielzahl von komplexen Belohnungsfamilien haben, die ineinandergreifen. Es gibt also verschiedene Arten von Belohnung, die wiederum ineinander verschachtelt sind. Wir haben häufig eben zusätzlich diese soziale Vergleichbarkeit gegeben, sodass Leute sich im Rankingsystem vergleichen können, aber auch, dass sie in bestimmten Kontexten miteinander interagieren müssen, um erfolgreich zu sein. Dadurch können sich dann auch soziale Bindungsprozesse ergeben. Aber wir sind leider noch nicht an der Stelle, sagen zu können, wie das genau zusammenhängt und ob es vielleicht sogar einzelne Merkmale oder Merkmalsverbände gibt, die man dann finden und dadurch prognostizieren kann, wie hoch das Abhängigkeitspotenzial des Spiels ist. Es wäre natürlich wünschenswert, für den Jugendschutz so etwas prognostizieren und entsprechend bei der Alterseinstufung berücksichtigen zu können.
I: Kann man einen Zusammenhang zwischen Gewaltinhalten und Abhängigkeitspotenzial in Spielen erkennen?
FR: Man kann diesen Zusammenhang nur oberflächlich erkennen, in dem Sinne, dass die besagten drei Spielgenres häufig Gewalt beinhalten. Shooter-Spiele und Strategiespiele haben häufig einen militärischen Hintergrund, in dem es zumindest darum geht, Einheiten strategisch zu verschieben, irgendwelche Punkte einzunehmen oder zu erobern und natürlich feindliche Einheiten in irgendeiner Weise zu vernichten. Und natürlich gibt es auch in den Onlinerollenspielen kompetitive Mechanismen, also Wettbewerbsmechanismen, in denen man gegeneinander antreten muss. Letztlich spielt auch das Töten in irgendeiner Weise eine Rolle, sei es auch nur das Töten von Monstern oder fiktionalen Charakteren. Das ist schon in allen diesen Spielen irgendwie präsent. Die Problematik ist jetzt natürlich, dass es viele Spiele gibt, die Gewalt beinhalten. Ich denke da zum Beispiel an diese Beat'em-upbeziehungsweise Prügelspiele, die nie als auffälliges Spielgenre erscheinen, obwohl sie Gewalt beinhalten. Allerdings muss man auch sagen, dass viele Spiele, die eher keine Gewalt beinhalten, kaum in auffälliger Weise genutzt werden. Dazu gehören z. B. Sportspiele, Denkspiele, Geschicklichkeitsspiele, Jump'n'Run-Spiele oder Adventures. Diese tauchen eigentlich eher nicht so auf. Also könnte man diese Vermutung allenfalls grob ableiten, weil man sicherlich nicht sagen kann: „Je gewalthaltiger ein Spiel, desto mehr macht es süchtig.“ Denn wir finden jetzt natürlich auch unter den Shooter-Spielen ganz unterschiedliche Vertreter, von sehr realistischer militärischer Gewalt bis hin zu fiktionaler Gewalt gegen irgendwelche Aliens mit grünem Blut. Auch bei den Onlinerollenspielen hat man ziemlich blutige Vertreter oder kann auch sehr knuffelige oder comichafte Gewalt vorfinden. Also man kann nicht dimensional sagen, je gewalthaltiger, desto schlimmer. Aber es ist schon auffällig, dass kompetitive Wettbewerbsmechanismen eine Rolle spielen können. Dazu letztlich auch dieses „in einer feindlichen Umgebung sein oder sich bewähren und überleben zu müssen“. Das müsste aber noch genauer erforscht werden.
I: In den letzten Jahren gab es auch viele Entwicklungen auf dem Markt. Da sind ja diese Freeto-Play-Spiele sehr im Kommen. Was genau sind Free-to-Play-Spiele, und welches Abhängigkeitspotenzial geht von diesen Spielen aus?
FR: Wir können noch nicht basierend auf empirischen Forschungsdaten beweisen oder belegen, dass die jetzt problematischer wären oder inwieweit sie im Vergleich zu anderen Spielen problematischer sind. Allerdings gibt es einige Mechanismen, die einem bei Free-to-Play Games zu denken geben müssen. Das ist zum einen der niederschwellige Zugang, also dass man sehr schnell „angefixt“ werden kann, dass man da rankommt, ohne eine Geldsumme auszugeben. Man kann gleich losspielen. Dieses typische Hemmnis, das Leute vielleicht haben, die eigentlich eher Gelegenheitsspieler oder Seltenspieler sind, sich jetzt erstmal mit so einem Spiel auseinanderzusetzen, entfällt natürlich. Dann haben wir das Problem – und das ist eigentlich eines der größten Probleme –, dass diese Free-to-Play Games in Wahrheit natürlich gar keine Free-toPlay-Spiele sind, sondern auch mit Monetarisierung arbeiten. Die müssen ja auch irgendwie finanziert werden. Das passiert nicht nur über die Werbung, sondern auch über den konkreten Verkauf von Spielitems. Und da unterscheiden sich die Spiele wieder weit reichend. Es gibt welche, die kann man mehr oder weniger kostenlos spielen. Andere sind da eigentlich eher fies. Die füttern einen an, und man baut etwas auf. Und dann stellt man fest, ab hier muss ich jetzt aber wirklich mal was bezahlen, sonst komme ich nicht weiter und kann mit den anderen Spielern nicht mithalten. Und dann kommt man schnell in einen Sog rein, dass man dann doch Geld ausgibt. Und das ist natürlich sehr intransparent, also ich weiß vorher nicht, welche Kosten jetzt auf mich zukommen, damit ich erfolgreich spielen kann. Dazu gehören bestimmte Bezahlstrukturen, mit denen man bestimmte Spielitems kaufen kann um die Erfolgswahrscheinlichkeit im Spiel zu erhöhen oder das Risiko zu vermindern, Dinge zu verlieren oder mit denen man Erfolgsaussichten, bestimmte Belohnungen zu erzielen, steigern kann. Diese Dinge wirken aber teilweise nur temporär, sind also nur ein paar Tage aktiv. Dann haben wir natürlich auch wieder eine starke Glücksspielnähe an der Stelle, alleine schon aufgrund dieser Mechanismen. Also ich werfe Geld ein, damit ich eine Belohnung bekomme. Das darf man nicht unterschätzen.
Wenn ich ein Spiel habe, das ich für 40 oder 50 Euro kaufe und da kommen keine Kosten mehr, oder ich habe ein Abo, dann würde ich sagen, dass das weniger gefährlich ist – erstmal von der Bezahlidee her –, als immer wieder Beträge in das Spiel reinzuwerfen, um etwas herauszuholen. Das ist, glaube ich, per se von der Struktur her einfach problematisch. Ansonsten sind die Spiele auch stark sozial eingebettet. Häufig sind es Social Games, wo direkt der Übergang von der realweltlichen Interaktion hin zu der Interaktion über ein Medium, über das ich weiter kommuniziere, stattfindet. Nehmen wir Facebook als Beispiel oder ein anderes Social Medium. Von dort wird die Kommunikation noch einmal verlagert in eine virtuelle Welt, also diese Dreistufung beziehungsweise fließender Übergang von meinem realweltlichen Leben über eine virtuelle realweltbezogene Kommunikation hin zu einer virtuellen fiktionalbezogenen Kommunikation, womöglich sogar mit Personen, die man auch wirklich kennt. Das macht es bestimmten Leuten auch noch einmal „leichter“, sich mehr in diese Welten zu begeben. Das kann man sicherlich alles anführen.
I: Es ist mittlerweile auch zu beobachten, dass die Spiele nicht nur Einzug in die Social Media gewinnen, sondern dass die sozialen Netzwerke in Hardcore Games implementiert werden. Kann man sagen, welche Auswirkungen diese Implementierung auf das Konsumverhalten haben könnte? Oder ist das bis jetzt noch nicht erforscht?
FR: Das ist alles natürlich nicht ausreichend erforscht. Man muss sich vorstellen, dass es auch international noch relativ wenig Forschung zu diesem völlig neuen Thema gibt, obwohl man eigentlich an jeder Ecke etwas erforschen müsste. Also ich denke, generell führt diese Verknüpfung von Social Media und Computerspielen einfach dazu, dass ganz bestimmte Personengruppen jetzt stärker für das Computerspielen gewonnen werden, was sicher auch die Intention des Ganzen ist. Also ich denke da gerade auch an Frauen. Wir wissen bei den Frauen, dass dieses Spielen als Selbstzweck – also, ich spiele ein Computerspiel, weil ich ein Computerspiel spielen will – eher selten ist. Das ist ein Problem für den Markt, Frauen dafür zu animieren. Das haben sie vielleicht noch bei SIMS geschafft, weil ihnen da eine soziale Interaktion über virtuelle Figuren vorgegaukelt wird. Aber Frauen und Mädchen wünschen sich eigentlich immer soziale Interaktion. Häufig gehen sie auch mit der Motivation, Leute kennenzulernen und sich zwischenmenschlich austauschen zu können, in Onlinespiele rein. Und da gibt es jetzt natürlich diese neue Logik weg von „Ich gehe in ein Onlinerollenspiel, weil ich Leute kennenlernen möchte“ hin zu „Ich habe schon Leute kennengelernt und kann sie jetzt sozusagen direkt in die virtuelle Welt mitnehmen“ bzw. „Ich werde im Spiel mit meinen sozialen Netzwerken, die ich mir virtuell aufgebaut habe, direkt konfrontiert“. Das sind sicherlich Aspekte, die bestimmte Personen noch stärker motivieren, auch Computerspiele zu spielen. Nochmal von der Gefährdungsseite argumentiert: Es kommen jetzt bestimmte Personen mit Computerspielen in Kontakt, die vorher gar nicht damit in Berührung gekommen wären. Ein Teil dieser Leute kann vielleicht dann auch wieder eine Gefährdungsneigung aufweisen und somit ein Problem in diesen virtuellen Welten entwickeln. Das ist es, was ich jetzt aus psychologischer Sicht erwarten würde. Das kann ich allerdings noch nicht mit Daten belegen.
I: Kann man auch schon Aussagen dazu treffen, dass Frauen anfälliger für Abhängigkeiten bezüglich Social Media sind als Jungen?
FR: Ja, darauf deuten die Daten hin. Wobei man ja immer sagen muss, dass der ganze Bereich der Internetsuchtforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Letztlich wurde auch zu Recht kritisiert, dass man immer sagt, jemand ist internetsüchtig, man aber nicht weiß, was dahintersteht. Sind es wirklich die Social Media, die eine Rolle spielen? Oder könnte es auch die Pornografienutzung (▶ Kap. 1), das Glücksspiel, das Kaufen und Handeln mit realem Geldim Internet, das exzessive Downloaden von Dateien, das Sammeln, Recherchieren oder etwas anderes sein? Da kann ja alles Mögliche dahinterstehen. Die wenigen Studien, die wir haben und die das ausdifferenzieren, erlauben zumindest die erste Schlussfolgerung, dass tatsächlich gerade im Jugendalter Mädchen, unter der Betrachtung des globalen Konstruktes Internetsucht, häufiger internetsüchtig sind als Jungen (Bischof et al. 2013; Rehbein und Mößle 2013). Bei Computerspielabhängigkeit ist es genau gegenläufig. Da sind die Jungen eher betroffen als die Mädchen. Das ist das eine. Was man dann auch findet, ist, dass die Mädchen nochmal stärker einen Fokus setzen. Wir haben Jugendliche gefragt, welche Aktivitäten aus ihrer Sicht am meisten zur ihrer Internetsucht beigetragen haben (Rehbein und Mößle 2013). Aus der subjektiven Wahrnehmung heraus sagen weit über 90 % (96,1 %) der Mädchen, dass es die sozialen Netzwerke waren. Das sagen zwar auch die meisten Jungs, aber hier sind es deutlich weniger (62,1 %). Wir können also sagen, dass wahrscheinlich bei den internetsüchtigen Mädchen, die auch den Hauptanteil der internetsüchtigen Jugendlichen bilden, die sozialen Netzwerke eine ziemlich große Rolle spielen.
I: Kann man Aussagen treffen, welche Art von Plattform das größte Computerspielabhängigkeitspotenzial bildet? Da gibt es ja sehr viele verschiedene. Man kann Spiele an der Konsole spielen, am PC und jetzt ja auch immer mehr am Smartphone. Gibt es da schon Untersuchungen oder Befunde?
FR: Nein. Es ist tatsächlich noch nicht wirklich erforscht. Man kann sich an dieser Stelle eigentlich wundern, warum, aber es gibt da kaum differenzierte Forschung. Wir könnten z. B. untersuchen, was die Gruppe der Computerabhängigen im engeren Sinne primär nutzt. Das ist auf jeden Fall eine Lücke, die wir in der nächsten Studie schließen werden. Wir haben uns das nochmal genau angeguckt, welche Plattform aktuell wie genutzt wird und auch wie sie früher benutzt wurde. Auch welche am meisten genutzt wird, sollte man sich auf jeden Fall nochmal genauer anschauen. Meine Erwartung wäre, dass es eigentlich primär weniger um die Plattform an sich geht als um die Angebote, die auf der Plattform bereitgestellt werden. Ein Smartphone ist beispielsweise nichts anderes als ein kleiner Computer mit einem etwas zu klein geratenen Bildschirm. Es ist eigentlich nicht mehr primär ein Telefon. Das heißt einfach, ich kann schon fast alle Spielgenres auf dem Smartphone spielen. Natürlich sind sie dann noch einmal ein bisschen anders strukturiert, was an der Art der Eingabe am Smartphone und der Prozessorleistung liegt. Aber da ist der Übergang immer mehr so, dass wir inzwischen schon Smartphones haben, die so leistungsstark sind wie Spielkonsolen vor drei Jahren. Das kann man im Grunde genommen kaum noch so richtig trennen. Das Mobile Gaming gibt einem also die Möglichkeit, immer spielen zu können und mir unterwegs schnell einen kleinen Kick
Abb. 3.1 Suchtdreieck: Eine Abhängigkeitsstörung hängt von der Persönlichkeit des Spielers, der Charakteristika des Spiels und den Sozialisationsbedingungen ab (In Anlehnung an Rehbein und Mößle 2012)
zu geben. Auch die Verflechtung ist wichtig, also dass ich eigentlich am Computer spiele, aber am Smartphone nochmal gucken kann, wie mein Status in einem bestimmten Spiel ist, oder bestimmte Dinge auch unterwegs schnell machen kann. Inwieweit diese Verflechtungen auch eine Rolle spielen, das muss alles noch erforscht werden.
I: Was sind allgemeine Risikofaktoren, die Leute aufweisen können, die uns Hinweise darauf geben, dass möglicherweise eine Computerspieloder Medienabhängigkeit entwickelt wird?
FR: Wir versuchen verschiedene Risikofaktoren zu unterteilen, je nachdem, ob es sich dabei eher um soziale Umfeldvariablen, um spielbezogene Variablen oder eher um persönlichkeitsbezogene Variablen handelt (. Abb. 3.1). Bei den sozialen Variablen kann man sagen, dass zumindest bei Jugendlichen Personen aus Ein-Eltern-Familien häufiger betroffen sind – warum, wissen wir noch nicht ganz genau – und dass auch häufiger Jugendliche betroffen sind, die wenige Erfolgserlebnisse außerhalb des Spiels haben, die also sagen: „Primär habe ich meine Erfolge in den Computerspielen.“ Das überrascht ja schon weniger. Jugendliche, die schlechter in der Klasse integriert sind, die durchaus auch Probleme in der eigenen Peergroup und eine stärkere soziale Einsamkeit haben, sind betroffen. Das scheinen Faktoren zu sein. Es ist auch häufig so, dass soziale Variablen eine Rolle zu spielen scheinen. Zumindest finden wir häufig eine höhere Prävalenz bei Jugendlichen aus der Hauptschule als aus der Realschule, und wiederum besteht bei Realschülern eine höhere Prävalenz als bei Gymnasiasten. Wie weit da aber wieder das Bildungsniveau, aus dem die Kinder stammen, maßgeblich ist oder ob es schulmilieuspezifisch zu sehen ist, das wissen wir auch noch nicht ganz genau. Sozialen Variablen scheint eine gewisse, aber keine übergeordnete Bedeutung zuzukommen. Wenn man sich multivariate Modelle anguckt, sieht man, dass sozialen Variablen eine relativ geringe Varianzaufklärung zukommt. Ausschlaggebender sind auf jeden Fall Persönlichkeitsvariablen, insbesondere wenn Jugendliche impulsiver sind, eine geringere soziale Kompetenz und eine geringere Empathiefähigkeit haben und dadurch vermutlich stärker in ihrer eigenen Peergroup anecken. Solche Dinge spielen auf jeden Fall eine größere Rolle. Die Persönlichkeitsvariablen sind wichtig, und auch spielmotivational zeigt sich eben, dass Jugendliche gefährdeter sind, die gerade dann spielen, wenn es in ihrem Leben nicht so gut läuft. Sie ergreifen dann bei Problemen oder negativen Emotionen immer die Flucht ins Virtuelle. Außerdem sind natürlich Jugendliche gefährdet, die die spezifischen Genres, die wir besprochen haben, nutzen, also zum Beispiel Onlinerollenspiele spielen und überhaupt vor allem Onlinespiele und weniger Offlinespiele spielen. Das spielt alles eine Rolle. Und es besteht natürlich das männliche Geschlecht als Risikofaktor. Das habe ich ja schon anhand der Prävalenzwerte gezeigt.
I: Da würde ich auf zwei Punkte noch genauer eingehen. Einmal, warum das männliche Geschlecht stärker gefährdet ist. Kann man dazu Aussagen treffen, oder muss man das einfach so hinnehmen und dann schauen, warum das ein Grund sein könnte?
FR: Ich glaube, das muss man einfach so hinnehmen. Wenn wir uns andere Suchterkrankungen anschauen, da wissen wir das auch. Männer sind irgendwie gefährdeter, was Süchte angeht, warum auch immer. Ich glaube, eine einzige Ausnahme stellt die Medikamentenabhängigkeit dar. Aber sonst ist es bei allem so, dass Männer stärker betroffen sind: bei pathologischem Glücksspiel, bei Alkoholabhängigkeit, bei verschiedenen Arten des Drogenmissbrauchs. Bei Computerspielabhängigkeit ist es eben auch der Fall. Wir wissen natürlich, dass Jungs mehr spielen, also mehr Zeit mit Spielen verbringen und auch schon früher mit Computerspielen in Berührung kommen als Mädchen. Sie interessieren sich auch mehr für den Wettbewerb, also zum Beispiel, sich in einer feindlich gesonnenen Umgebung heldenhaft bewähren zu müssen, da durchzukommen und an diesen Aufgaben zu wachsen. Das sind Motive, die bei solchen Spielen häufig angesprochen werden und die Jungen sicherlich ein bisschen stärker packen können als Mädchen. Aber warum das so ist, ob da die Technikfaszination einfach noch stärker ist, wissen wir nicht ganz genau.
I: Warum ist es gerade so gefährlich, in den Lebensphasen zu spielen, in denen es nicht so gut läuft?
FR: Gefährlich ist es sicherlich nicht, wenn man mal abschalten will und ein Spiel spielt. Das ist sicherlich das, was viele machen, genauso wie jemand einen Krimi anschaut, weil er einfach mal abschalten will. Das ist genau die Schwierigkeit. Mediennutzung ist ja häufig auch Modifikation, also Stimmungsregulation oder Stimmungsveränderung. Man nutzt auch häufig Medien, um Gefühle zu manipulieren, um selbst in eine andere Stimmung zu kommen. „Gefährlich“ würde es dann werden, wenn es zum Habitus werden würde. Also in dem Sinne: „Immer, wenn ich Konflikte habe oder es Streitereien gibt und wenn ich eigentlich ein Problem in Angriff nehmen müsste, dann spiele ich.“ Zum Beispiel wird morgen eine Klassenarbeit geschrieben, ich habe nicht gut gelernt und mache mir Sorgen, dass ich es nicht schaffen könnte. Und nun spiele ich lieber Computerspiele, um nicht daran denken zu müssen, anstatt vielleicht noch einmal die Chance zu nutzen, mich damit auseinanderzusetzen. Wenn das also über einen längeren Zeitraum zur Gewohnheit wird, dann ist das natürlich eine Gefahr, vor allem, weil es eben auch dazu führen kann, dass realweltliche Probleme ständig ausgeblendet werden. Dann wird es zu einer normalen Form der Gefühlsregulation und zu der einzigen Strategie, die man noch hat, um mit seinen Problemen klarzukommen. Wir fragen das inzwischen sogar so streng ab, dass wir z. B. das Statement „Computerspiele sind für mich die beste Möglichkeit, meine Probleme zu vergessen“ verwenden, um zu prüfen, ob ein Befragungsteilnehmer eine dysfunktionale Gefühlsregulation mit dem Spielen betreibt, also nicht „Wenn ich Probleme habe, spiele ich manchmal Computerspiele“, sondern „Es ist für mich inzwischen die beste Strategie geworden, meine Probleme durch das Spielen zu vergessen“. Wenn das tatsächlich so angegeben wird und auch so von dem Jugendlichen reflektiert und gemeint ist, dann kann man davon ausgehen, dass es an der Stelle vielleicht wirklich schon eine klinisch relevante Symptomatik ist. Man muss aber sagen, dass es nicht den größten Hinweiswert hat, selbst wenn man es streng operationalisiert. Es ist eher ein relativ schwaches Kriterium, und es ist auch umstritten. Wir haben uns eigentlich immer dagegen ausgesprochen, dass es Teil der Diagnostik wird. Ich habe immer gesagt, dass es ganz schwer von normalen Formen des Mood Modification (Anmerkung des Herausgebers: „Stimmungsregulation“) im Medienbereich abzugrenzen ist. Aber jetzt ist es eines der neun Kriterien im DSM geworden, wenn auch nur probeweise (APA 2013). Das kann sich natürlich auch noch ändern. Und es hat eine relativ geringe Vorhersagekraft für die Gesamtdiagnose (Rehbein et al., 2015).
I: Bei diesen allgemeinen Risikofaktoren gibt es da Parallelen zu Risikofaktoren im Substanzabhängigkeitsbereich?
FR: Ja, durchaus. Wenn man z. B. an die Impulsivität als Persönlichkeitsvariable denkt, ist das natürlich ein ganz klassisches Konstrukt, das man bei Abhängigkeiten findet. Sicherlich sind hier auch erhöhte soziale Einsamkeit und die Verknüpfung mit dem sozialen Status zu nennen. Das heißt, Computerspielabhängigkeit tritt stärker bei Jugendlichen auf, die aus einem problematischeren sozialen Milieu kommen oder zumindest eher Hauptschüler oder Realschüler sind. Dass es da dann gehäufter auftritt, wäre jetzt auch als Parallele zu anderen Süchten zu sehen. Da gibt es einige Parallelen. Allerdings muss man sagen, dass auch da die Forschung in den Anfängen steht. Man hat zwar bereits singuläre Konstrukte herausgegriffen und angeschaut. Wie weit da aber auch spezifische Unterschiede bestehen können, das muss man noch genauer herausarbeiten.
I: Sie haben vorhin bei den Prävalenzwerten schon gesagt, dass die Jugendlichen stärker betroffen sind als erwachsene Spieler. Kann man auch qualitative Aussagen über die Abhängigkeit generell in den verschiedenen Altersphasen machen? Sind die Auswirkungen in einer Altersphase schwerwiegender als in der anderen?
FR: Nein, das können wir leider auch noch nicht so richtig. Im Jugendalter können wir von einem Peek ausgehen: Im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sind besonders viele betroffen. Und dann wissen wir, dass es im Erwachsenenalter ein geringerer Prävalenzwert ist. Aus ersten Interviewstudien, die wir selbst gemacht haben, wissen wir, dass ein Teil der Jugendlichen das von sich aus bewältigt. Es ist eher ein passageres Phänomen, das wieder abklingt. Wie wir wissen, gibt es dieses Ausprobierverhalten im Jungendalter auch im Glücksspielbereich – auch da klingt dieses Risikoverhalten wieder ab, und es gibt später keine Probleme damit. Das würden wir auch vermuten bei der Computerspielabhängigkeit. Es gibt gerade im Jugendalter wahrscheinlich eine Menge Personen, die erstmals symptomatisch tatsächlich abhängig sind, die aber von alleine wieder rauskommen und bei denen das keine langfristigen Folgen hat. Bei den Erwachsenen würde ich erwarten, dass die Symptome zeitstabiler sind, weil sich das dann schon in einem Lebensalter manifestiert hat, wo das typische Ausprobierverhalten nicht mehr da ist. Da kann man dann auch eher davon ausgehen, dass schon gravierendere Folgeschäden eingetreten sind. Der Jugendliche, der vielleicht gerade erst angefangen hat, die Symptome zu entwickeln, aber noch nicht in dem Sinne beeinträchtigt ist, dass er soziale Beziehungen aufs Spiel gesetzt oder vielleicht seine Karriere zerstört hat, hat vielleicht ein bisschen schlechtere Schulleistungen oder Konflikte mit den Eltern. Aber er hat keine Schädigungen auf dem Level, dass man sagen kann, dass da jetzt schon richtig eine Biografie geschädigt worden ist. Und das würde ich bei erwachsenen Spielern, die schon längerfristig spielen, eher erwarten. Sie haben vielleicht schon Partnerschaften aufs Spiel gesetzt, verwahrlosen zu Hause oder sind arbeitslos aufgrund ihres Spielverhaltens. Aber das muss man sich nochmal alles genau angucken.
I: Was würden Sie Eltern oder den Kindern selbst raten, wie man sich verhalten soll oder welche Erziehungsregeln man aufstellen könnte, um das Risiko einer Medienabhängigkeit zu minimieren?
FR: Das ist für Eltern natürlich total schwer, weil wir postulieren, dass etwas süchtig machen kann oder zumindest für bestimmte Personen Risikofaktoren mit sich tragen kann, wovon man Jugendliche nicht komplett fernhalten kann. Was man sicherlich machen kann – und auch sollte –, ist, dass man nicht schon Kinder mit eigenen Mediengeräten ausstattet, also dass man nicht anfängt, schon im Vorschulalter oder auch im Grundschulalter den riesigen Medienfuhrpark ins Kinderzimmer zu stellen. Das würde ich auf jeden Fall vermeiden. Ich sehe es auch kritisch, Kinder schon früh mit Smartphones auszustatten. Wenn Eltern das Gefühl haben, ihr Kind soll eben schon telefonieren oder zumindest basal SMS verschicken können, da reicht ja eigentlich auch ein einfaches Handy. Aber man sollte Kindern nicht schon sehr früh iPhone und Co. geben, ohne sich klarzumachen, was das alles bedeutet. Da werden ja auch andere Bereiche nochmal angesprochen. Wenn wir an die Kontaktaufnahme im Internet mit problematischen Seiten denken, an Cyber-Grooming oder Cybermobbing und diese ganzen Geschichten, finde ich, dass man da etwas besonnener darüber nachdenken sollte, bevor man Kindern diese Geräte gibt.
Weiterhin ist es für Eltern wichtig, eine Vorbildfunktion zu haben. Eltern, die selber den ganzen Tag vor der Glotze hängen oder selber zocken, die müssen sich nicht wundern, wenn die Kinder das Verhalten irgendwann übernehmen. Man kann vielleicht über einen medienfreien Familientag nachdenken. Das ist aber natürlich Ansichtssache, wie man zu so etwas steht, ob man z. B. sagt: „Am Sonntag nutzen wir alle keine Medien, sondern machen mal andere Dinge.“ Ich denke, es ist immer wichtig, dass man einen Ausgleich schafft. Medien haben einfach ein hohes Faszinationspotenzial, und sie machen Dinge einfacher. Also man hat schnell Spaß und Unterhaltung, und man muss sich im Grunde nie mit dem Smartphone langweilen, wenn man möchte. Aber vielleicht ist es manchmal ganz gut, sich zu langweilen, um auf andere Ideen zu kommen, was man sonst noch machen kann – auch um Kreativität zu wahren und echte Kommunikation stattfinden zu lassen. Familien müssen überlegen, wie sie zu dem Thema stehen. Komplett alles zu verteufeln und zu verbieten, ist sicherlich nicht der richtige Weg. Es wäre falsch, Jugendlichen das Spielen zu verbieten, aber man kann vielleicht Einfluss darauf nehmen, welche Spiele gespielt werden. Vielleicht kann man einem Jugendlichen, der sein Abi machen will, erklären, dass World of Warcraft nicht die beste Idee ist, wenn man ein gutes Abi machen will. Vielleicht gibt es andere Spiele, die man zeitlich bewusster einsetzen und kontrollieren kann. Dann sagt man: „Ich spiele eine halbe bis dreiviertel Stunde am Tag, und dann ist es aber auch gut“, gerade wenn man vielleicht selbst merkt, dass es mit Spielen wie World of Warcraft immer drei oder vier Stunden am Abend werden. Mein Vorschlag wäre also, dass man Dinge aushandelt und natürlich auch darauf achtet, dass reale Kontakte und andere Aktivitäten nicht vernachlässigt werden, um nicht komplett zu einem „digitalen Menschen“ zu werden. Das halte ich für wichtig.
I: Die private und familiäre Seite haben wir jetzt besprochen. Aber es gibt ja auch von staatlicher Seite Möglichkeiten und Kontrollen, vielleicht jungen Kindern solche Spiele, die sehr abhängig machen können, gar nicht erst zugänglich zu machen. Wie potent und wie wirksam schätzen Sie diese Instrumentarien ein?
FR: Derzeit als absolut unbrauchbar, da wir kaum etwas in diesem Bereich haben. Es gibt noch nicht einmal wirklich einen Jugendmedienschutz, der sich dem Thema stellen kann. Wenn wir jetzt an die USK denken, haben wir natürlich Altersklassifikationen von den Spielen, die aber in keiner Weise solche Dinge berücksichtigen, wie wir sie jetzt besprochen haben, z. B. ob manche Spielgenres problematischer sind als andere oder ob ein spezifisches Spiel aufgrund seiner spielstrukturellen Merkmale vielleicht besser nicht in Kinderhände geraten sollte. Das ist derzeit alles nicht Bestandteil der Jugendschutzprüfung und sicherlich ein Defizit, wo man ran muss. Also man kann das nicht ignorieren, ansonsten wird sich der Jugendmedienschutz irgendwann selber abschaffen. Es wird fast immer nur die Gewalt berücksichtigt, was sicherlich auch wichtig ist, aber hier besteht ein großes Defizit hinsichtlich anderer Spielmerkmale. Diese zu vernachlässigen, ist absolut fahrlässig. Das ist der eine Punkt, und der andere Punkt ist natürlich klar. Ich halte nichts davon, die Medien komplett zu verbieten oder womöglich zu indizieren. Ich finde es besser zu sagen: „Dieses Spiel mag knuffelig aussehen, aber dahinter stecken gut ausgefeilte Belohnungsmechanismen und auch ineinandergreifende Belohnungsstrukturen, sodass es trotzdem nicht gerechtfertigt ist, es ab zwölf freizugeben.“ Wenn ein Spiel dann plötzlich nur an Erwachsene vermarktet werden darf, überlegt der Spielehersteller vielleicht, ob er die niedliche Grafik beibehält oder lieber eine angemessene Grafik wählt. Aber so ist es eben eine gefährliche Mogelpackung. Es sieht für Kinder irgendwie knuffelig aus, ist es aber nicht.
Und allgemein gibt es beim Thema Verhältnisprävention in diesem Bereich unglaublich viele unausgeschöpfte Potenziale. Wenn man mal den Vergleich zum pathologischen Glücksspiel zieht und sieht, was es da alles gibt. Da gibt es z. B. das Instrument der Spielersperre, wobei ich jetzt nicht an die Fremdsperre durch den Anbieter denke, sondern an die Selbstsperre, also die Möglichkeit, sich selbst sperren lassen zu können, wenn man das Gefühl hat, dass man die Kontrolle verliert. Also der Glücksspieler kann sagen: „Ich möchte mich selbst sperren lassen, weil ich Angst habe, Haus und Hof zu verspielen.“ Genauso müsste eigentlich der Computerspieler sich selbst für bestimmte Spiele oder für bestimmte Spielenetzwerke sperren lassen können, wenn er merkt, dass er das Spielen nicht mehr im Griff hat: „Ich habe schon vieroder fünfmal versucht, das Spielen zu reduzieren, und jetzt habe ich langsam Angst, dass ich mein Abi nicht schaffe oder dass mir mein Arbeitsplatz bald gekündigt wird. Deshalb möchte ich mir zumindest für das nächste halbe Jahr die Möglichkeit nehmen zu spielen.“ Man kann beispielsweise sagen:
„Ich sperre mich bei Steam (Anmerkung des Herausgebers: eine Spieleplattform)“ Das erfordert natürlich eine ID-Kennung, damit man auch wirklich als Nutzer erkennbar ist. Dann kann man das nächste halbe Jahr nicht spielen, oder man kann nur ein bestimmtes Genre nicht spielen.
Auch in vielen anderen Bereichen gibt es unausgeschöpfte Potenziale: staatliche Eingriffe, bei denen man Minderjährigen den Zugriff zu einer bestimmten Uhrzeit verbietet, wie sie im asiatischen Bereich (z. B. in Südkorea oder China) existieren, sind sicherlich mit der deutschen Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Man greift hier zu weit in das Erziehungsrecht der Eltern ein, wenn ein Minderjähriger plötzlich bestimmte Spiele nur zwei Stunden am Tag spielen kann. Ich denke, da sollte man eher mit Selbstbeschränkung und natürlich auch mit entsprechenden Warnsystemen arbeiten. Es sollte transparent sein, wie viel Geld man für ein Spiel ausgibt und wie viel Zeit man im Schnitt investieren muss, um erfolgreich zu sein, um als Spieler zu wissen, auf was man sich einlässt: Ist es das kleine Autorennen, das man mal nebenbei spielen kann, oder ist es ein Spiel, in das man 200 oder 300 Stunden investieren muss, um einen Charakter hochgelevelt zu haben. Das sollte man vielleicht vorher wissen. Also mehr Transparenz zu schaffen, wäre gut. Da gibt es verschiedene Ansatzpunkte, denke ich.
I: Ein anderer Punkt ist der Grad der Verantwortung, die die Spieleentwickler gegenüber den Konsumenten haben. Ist das vergleichbar mit der Tabakund Alkoholindustrie?
FR: Ja, ich würde schon sagen, dass das vergleichbar ist. Bei der Alkoholindustrie ist es ja auch so, dass nicht der Weinkenner, der am Wochenende mal ein gepflegtes Glas Rotwein trinkt, das Problem ist, sondern eine gewisse Gruppe von Menschen, die eine Abhängigkeit entwickeln und sich auch langfristig schädigen. Das geht bis hin zu Organschäden oder zum Tod. Das haben wir im Computerspielbereich in ähnlicher Weise: Es gibt eine kleine Gruppe von Spielern, von der wir wissen, dass da Schäden entstehen, die durch das Produkt hervorgerufen werden. Von daher ist es sicher eine vergleichbare Verantwortung, der sich die Entwickler und Produzenten stellen müssen. Die könnte aber z. B. auch so aussehen, dass Spielehersteller Imagepflege betreiben, indem sie etwas Präventives machen oder eine Studie finanzieren, die XY untersuchen soll. Davon halte ich jedoch nichts. Besser wäre es vielleicht, wenn von staatlicher Seite ein gewisser Anteil der Gewinne, die in diesem Bereich gemacht werden, eingezogen wird. Über diese wird dann nach einem ganz seriösen Prinzip entschieden, wie viel davon für die Therapie, die Prävention und vielleicht für bestimmte Forschungsmittel, auf die sich Wissenschaftler bewerben können, um entsprechende Projektideen zu erforschen, aufgewendet werden. Also man hätte eine Abgabe von der Spielindustrie, die von einer anderen Einrichtung ganz seriös verwaltet wird, die auch transparent darlegt, für was das Geld ausgegeben wird. Entsprechend werden in diesem Bereich dann solche Dinge wie Therapie, Prävention oder Forschung finanziert, sodass am Ende nicht der Steuerzahler diese bezahlen muss, sondern eben diejenigen, die diese Risiken schaffen.
I: Gibt es schon ganz konkrete Interventionen in den Spielen, also dass eventuell Sperren von den Entwicklern eingebaut werden?
FR: Die Möglichkeit der Selbstsperre in den Spielen ist mir nicht bekannt. Das höchste Maß dessen, was man da findet, sind Warnmeldungen, die eingeblendet werden. Nach dem Motto:
„Du spielst jetzt schon seit zwei Stunden, willst du nicht mal einen Kaffee trinken gehen?“ Das hat zum Beispiel die Anno-Reihe ganz charmant gemacht, indem immer kleine Warnhinweise eingeblendet werden. Es gab auch bei Onlinerollenspielen beim Laden des Spiels einen kleinen Warnhinweis, z. B.: „Wir haben Interesse daran, dass du dein reales Leben nicht aus den Augen verlierst. Du sollst ja Spaß haben in dem Spiel, vergiss aber nicht dein reales Leben!“ So etwas findet man schon. Das ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, aber natürlich reicht das bei Weitem nicht aus. Da sieht man, dass die Anbieter Dinge machen, die vielleicht das eigene Image pflegen oder auch der unternehmerischen Sozialverantwortung nach außen hin ein bisschen Rechnung tragen. Aber die Dinge, die wirklich gemacht werden müssen, die vielleicht auch das eigene Spieldesign betreffen können, werden nicht gemacht. Warum macht man irgendwelche Achievements, die zu einem exzessiven Spielverhalten anregen, um diese überhaupt erreichen zu können? Warum implementiert man so etwas im Spieldesign? Müsste es da nicht auch Selbstverpflichtungen geben, sodass bestimmte Dinge nicht gemacht werden können?
I: Wie lange existiert das Phänomen der Medienabhängigkeit, und wie lange wird es schon erforscht?
FR: Erforscht wird die Internetabhängigkeit im Allgemeinen seit der Jahrtausendwende. Da gab es die ersten Pioniere in dem Bereich. Young et al. (1999) zum Beispiel haben von der Internet Addiction gesprochen und das systematisiert. Computerspielabhängigkeit ist dagegen schon
Abb. 3.2 Verteilung der Nutzungsintensität von Computerspielen bei Jungen und Mädchen (Anteile in Prozent, n = 44.129, gewichtete Daten). (Nachdruck aus Rehbein et al. 2009, S. 19)
älter. Über die Videogame Addiction finden Sie sogar Studien aus den frühen 90er Jahren, wo es noch eher um das Spielen von Arcade-Spielen in diesen Arcade-Zentren ging (Fisher 1994; Griffiths 1991). Dazu gab es dann die ersten Untersuchungen. Aber die renommiertere und auch bessere Forschung in beiden Bereichen ist jetzt erst ein paar Jahre alt. Dass größere Studien mit größeren Stichproben und besseren methodischen Zugängen durchgeführt werden, ist eigentlich eine Sache, die so seit 2007 oder 2008 läuft (Bischof et al. 2013; Mentzoni et al. 2011; Rehbein et al. 2010a; Rumpf et al. 2011; Schmidt et al. 2011). Wie lange es das Phänomen selbst gibt, darüber kann man nur spekulieren. Also ich denke, es gab schon mit dem ersten Aufkommen der Arcade-Hallen oder den ersten Spielen durchaus auch Nutzer, die mal ein exzessives Verhalten gezeigt haben – vielleicht auch die ersten, die da eine Pathologie im engeren Sinne gehabt haben. Es waren zahlenmäßig sicher noch nicht so viele wie heute, weil sich mit der Verbreitung des Internets, mit der zunehmenden Ausstattung von Computern und Spielekonsolen und jetzt mit dem Mobile Gaming einfach noch einmal viel gewandelt hat. Auch mit der Entwicklung bestimmter Spielgenres, also mit der Verflechtung von Internet und Computerspielen, hat sich einiges verändert. Das passiert jedoch erst seit zehn Jahren in größerem Ausmaß. Davor werden zahlenmäßig erstmal nicht so viele Leute betroffen gewesen sein, dass es dann auch ein relevantes gesellschaftliches Phänomen wurde, welches entsprechend wahrgenommen wurde.
I: Wie kann man den Unterschied zwischen einer Abhängigkeit und einem exzessiven Nutzungsverhalten beschreiben? Ab wann kann man wirklich von einer Abhängigkeit sprechen?
FR: Da ist jetzt wichtig zu wissen, dass mit exzessivem Computerspielen immer ein zeitlich intensives Spielverhalten gemeint ist. Man spielt also regelmäßig und dann auch viele Stunden. Bei Jugendlichen würde man exzessives Spielverhalten ab 4,5 Stunden täglicher Nutzung annehmen, was schon ein relativ hoher Wert ist. Es sind ungefähr 10 % der Jugendlichen im Alter von 15 Jahren, die diesen Wert aufweisen (. Abb. 3.2).
Der Unterschied zu den abhängigen Computerspielern oder auch zur pathologischen Computerspielnutzung wäre, dass nur ein gewisser Anteil dieser exzessiven Spieler tatsächlich auch pathologisch ist. Also es gibt auch unter den Exzessivspielern viele – und das ist sogar der größere Anteil –, die keinerlei Symptome haben oder Symptome zumindest nicht in dem Ausmaß aufweisen, dass man jetzt auf eine Computerspielabhängigkeit schließen würde. Sie verbringen einfach viel Zeit damit, aber wahrscheinlich machen sie auch viele andere Dinge im Leben. Und sie haben das gut im Griff. Also zumindest nach eigenen Auskünften erleben sie entsprechende Symptome nicht in dem Maße, wie sie Süchtige erleben. Das heißt, man darf nicht einfach sagen: „OK, eine bestimmte Spielzeit ist jetzt erreicht, also ist das jetzt ein Süchtiger oder der ist jetzt computerspielabhängig.“ Das würde man in anderen Bereichen auch nicht machen. Also man würde nicht sagen, jemand trinkt jetzt eine bestimmte Menge Alkohol, dann ist er eindeutig alkoholabhängig. In dem Bereich gibt es auch individuelle Verträglichkeiten und unterschiedliche Persönlichkeiten. Es gibt auch diejenigen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, bei denen man dieses Abdriften in die Abhängigkeit nicht wahrnimmt, oder die, die jederzeit damit aufhören könnten und das phasenweise sogar unter Beweis stellen. Da gibt es einfach Unterschiede. Deshalb muss man wirklich mit klinischen Merkmalen arbeiten, also mit Symptomen und Kriterien. Computerspielabhängigkeit ist ein psychopathologischer Symptomkomplex, der ein klinisch relevantes Spielverhalten und auch, entsprechend der Kriterien, Probleme zum Ausdruck bringt. Es müssen Symptome wie Kontrollverlust, verhaltensbezogene Einengung, Toleranzentwicklung und Entzugserscheinung eingetreten sein, dann kann man eben von einer Computerspielabhängigkeit sprechen. Wenn jemand computerspielabhängig ist, also wenn er diese Symptome erfüllt, zeigt er in der Regel auch ein zeitintensives Spielverhalten. Der Umkehrschluss geht also durchaus. Wenn Sie jemanden diagnostiziert haben, dann ist er in aller Regel Vieloder Exzessivspieler. Aber der Umkehrschluss, dass man sagt, jemand ist Exzessivspieler, also ist er süchtig, der funktioniert eben nicht. Das ist ganz wichtig.
I: Gibt es mittlerweile Therapien zur Medienabhängigkeit? Wenn ja, wie läuft diese ab, und was könnten Ziele einer solchen Therapie sein?
FR: Es werden jetzt sukzessiv die ersten Therapieangebote entwickelt. Ganz führend sind da wiederum die Asiaten. In Südkorea zum Beispiel gibt es schon 144 Beratungszentren in 100 verschiedenen Kliniken. Sie kümmern sich um die Beratung von Betroffenen oder Angehörigen. In Korea wurde auch ein großes Boot-Camp-Programm gestartet (Rehbein et al., im 2015 b), wobei sicherlich auch umstritten ist, ob man das so machen soll. Da werden die Jugendlichen dann wirklich vom Computer weggezogen und kriegen zwölf Tage lang überhaupt keinen Zugang zu den Medien, sondern müssen andere Dinge machen. Das Programm ist darauf ausgelegt, die Leute mit diesem ganz drastischen Ansatz wieder in das reale Leben zurückzuholen. Das ist in Südkorea etabliert worden, und darüber hinaus gibt es verschiedene Angebote, die örtlich begrenzt sind. Meistens erfolgen sie verknüpft mit Forschungsambitionen. Zum Beispiel haben wir in Mainz eine große Spieleambulanz. Dr. Klaus Wölfling und Kai Müller sind da führend und haben viel Erfahrung und Expertise im Bereich der Behandlung von pathologischen Glücksspielern. Sie haben ein entsprechendes Konzept für Computerspielabhängigkeit entwickelt. Das Konzept ist das sogenannte STICA-Konzept (STICA = Short-term Treatment of Internet and Computer Game Addiction), das gerade multizentrisch untersucht werden soll und Einzeltherapiesettings mit Gruppentherapiesettings kombiniert (Jäger et al. 2012). Es soll über einen mehrmonatigen Zeitraum mit über 30 Sitzungen auch ambulant erfolgen. Die Wirksamkeit wird gerade untersucht. Also da wird viel gemacht, und es wird auch viel aus dem Bereich der Verhaltenstherapie adaptiert. Das motivationale Interview wird auch als vielversprechend angesehen, aber da muss man einfach abwarten. Es gibt noch nicht viele Studien in dem Bereich. Es vermischt sich auch viel von Internet Addiction und Computerspielabhängigkeit, und man weiß noch nicht, was man wie behandeln kann. Die einzige Metaanalyse dazu von Winkler et al. (2013) hat erbracht, dass eine Reduktion von Spielzeiten und auch von einer depressiven Begleitsymptomatik möglich ist, aufgrund dieser verschiedenen pluralistischen Ansätze, die sie aufgenommen haben. Aber da müssen wir auch noch weitere Forschungen abwarten. Das steckt alles noch in den Kinderschuhen.
I: Inwieweit kann man die Therapie strukturell mit anderen Therapien vergleichen, die Abhängigkeit heilen sollen?
FR: Diese kann man in den wesentlichen Elementen sehr gut damit vergleichen. Es besteht auch die Annahme, dass man viel aus dem Bereich der Behandlung von pathologischen Glücksspielern übernehmen kann. Wenn man z. B. die dysfunktionalen Kognitionen zugrunde legt, kann man sich einen Glücksspieler vorstellen, der immer an die Gewinnwahrscheinlichkeit oder daran, wie er sein Geld bekommen kann, denkt. So etwas kann man sicherlich auch bei einem Computerspieler auseinandernehmen, der Spielszenen vor Augen hat, in denen er triumphiert hat oder vergleichbar erfolgreich war. Dann gibt es die Tagebuchmethodik, die das Ziel verfolgt, sich einfach des eigenen Verhaltens bewusst zu werden. Das ist gerade auch bei verhaltensedukativen oder verhaltenstherapeutischen Maßnahmen wichtig. Gerade auch in einer Gruppe darüber zu sprechen, kann sicherlich viel helfen. Und es ist anzunehmen, dass man sehr viel aus dem Bereich der substanzbezogenen und der glücksspielbezogenen Störungen auf den Bereich der Internet Gaming Disorder adaptieren kann. Ein wichtiger Unterschied wäre, dass man über den Begriff der Abstinenz an der Stelle nachdenken muss. Wenn man ein Behandlungskonzept hat, das sich auf die Internet Addiction oder die Computer Addiction im weitesten Sinne richtet, dann kann man natürlich keine komplette Abstinenz erreichen. Es kann ja nicht Zielsetzung sein, Menschen komplett abstinent von Computern zu machen. Da muss man überlegen, ob eine Teilabstinenz angestrebt wird oder ob es einfach um die Reduktion des Verhaltens geht. Also man will erreichen, dass derjenige es schafft, nur eine gewisse Zeit zu spielen, oder gar nicht mehr. Das ist sicherlich die Frage, die man sich nochmal stellen muss. Bei substanzgebundener Abhängigkeit geht man ja wirklich mit einem rigorosen Abstinenzverständnis heran. Das wäre zumindest bei Internetabhängigkeit so nicht zu fordern.
I: Stimmt es, dass das Spielen von Computerspielen womöglich Vorteile im kognitiven Bereich bringt? Wie könnten solche Vorteile aussehen?
FR: Ja, also es gibt da auch tatsächlich Studien dazu. Das ist natürlich wieder ein ganz anderer Sektor, wenn es um die kognitive Auswirkung des Computerspiels im Allgemeinen geht. Da gibt es durchaus Studien, die gezeigt haben, dass man räumlich-visuelle Fähigkeiten (z. B. De Lisi und Wolford 2002; Subrahmanyam und Greenfield 1994), visuelle Aufmerksamkeit (z. B. Green und Bavelier 2003; Spence et al. 2009) und auch bestimmte Aspekte der Hand-Augen-Koordination und Reaktionsgeschwindigkeit (z. B. Boot et al. 2008; Schlickum et al. 2009) trainieren kann (für einen umfassenden Überblick siehe Rehbein 2011). Wenn man Strategiespiele oder Spiele, in denen man Ressourcen managen muss, spielt, entwickelt man sicherlich auch bestimmte strategische Fähigkeiten. Ich bin durchaus überzeugt davon, dass man das mit Spielen lernen kann. Und eins kann man natürlich ganz sicher lernen, das wird auch niemand bestreiten: Wer viele Computerspiele spielt, der wird natürlich ein besserer Computerspieler. Das klingt jetzt erst einmal trivial, aber wenn Sie jemanden haben, der jahrelang Shooter-Spiele oder ein spezielles Shooter-Spiel gespielt hat, und Sie lassen ihn gegen einen Anfänger antreten, dann gibt es natürlich gravierende Unterschiede. Diese gibt es in seinem ganzen Verhalten – wie er sich durch das Areal bewegt, wie schnell er sich dann vielleicht sogar in einer neuen Umgebung zurechtfindet. Das sind sicherlich Dinge, die man in Computerspielen lernen kann. Das würde ich auch nie in Abrede stellen. Was am Ende immer das Entscheidende sein wird, und das gilt für alles, was wir machen: Man wird viele Fertigkeiten erwerben, aber andere dafür weniger ausbilden, weil man eine Sache zu eindimensional macht. Wenn ich jetzt nur noch den ganzen Tag an meiner Eisenbahnanlage schraube und nichts anderes mehr mache, dann werde ich sicherlich auch feinmotorisch geschickt sein. Beim Computerspielen ab einer gewissen Spielzeit oder beim exzessiven oder sogar abhängigen Spieler, von dem wir jetzt hier sprechen, können wir davon ausgehen, dass er verhaltensbezogen so eingenommen ist, dass er fast nur noch spielt. Das heißt, er wird jede freie Gelegenheit nutzen, um Computerspiele spielen zu können. Also das muss man sich klarmachen. Er geht vielleicht noch zur Schule oder zum Job, aber wenn er nach Hause kommt, dann ist das Erste, was er macht, den Computer einzuschalten. Und da werden natürlich andere Dinge und auch andere Lernchancen womöglich verpasst. Es ist immer die Frage, was ich lerne. Wenn ich nur noch eine Sache lerne, nämlich Computerspiele, dann werde ich bestimmte Fähigkeiten schulen, aber andere werden dagegen eher brachliegen.
I: Jetzt Ihre ganz private Meinung: Wie schätzen Sie die neueren Medien allgemein ein – überwiegend positiv oder jetzt auch durch Ihre Arbeit als großes Gefahrenpotenzial?
FR: Naja gut. Durch meine Arbeit bin ich natürlich ein bisschen voreingenommen. Außerdem beschäftige ich mich natürlich jeden Tag mit den Gefahren. Dadurch sieht man auch stärker die Gefahren, als es vielleicht von einer Außenperspektive gerechtfertigt sein mag. Deswegen ist diese Gewichtung für mich relativ schwierig. Was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass die neuen Medien eine ganze Menge an positivem Potenzial haben, das ich nicht in Abrede stellen würde. Dazu gehören alleine schon die Möglichkeiten, wie man an Wissen herankommen, wie man kommunizieren und auch frei diskutieren kann. Das kann man auch auf politischer Ebene in verschiedenen Kontexten sehen, und es kann zum Beispiel auch demokratiestärkend sein. Solche Sachen alleine sind positiv. Und die grundsätzliche Möglichkeit, sich in Fantasiewelten zu begeben, finde ich auch nicht schlecht. Das kann auch zu verschiedenen Dingen beitragen, unter der Bedingung, dass Leute nicht abdriften und nicht abhängig werden. Ein sozial ängstlicher Mensch beispielsweise, der sich im realen Kontext gar nicht traut, mit Menschen zu reden, kann vielleicht über immer realistischer werdende Spiele (wenn man mal an virtuelle Umgebungen und Datenbrillen denkt oder an die Möglichkeit, richtig mit Figuren zu interagieren) Hilfe bekommen, indem er sich als selbstwirksam erlebt. Dann kann das vielleicht auch helfen, diesen Sprung aus Ängsten oder aus Depressionen zu schaffen. Also ich würde sogar so weit gehen, dass man Computerspiele durchaus auch therapeutisch in angeleiteten Kontexten einsetzen kann. Von daher sehe ich einerseits eine Schattenseite mit Risiken und Nebenwirkungen, wo bestimmte Personen bestimmte Vulnerabilitäten zeigen könnten. Es gibt aber andererseits auch viele positive Chancen, die damit verknüpft sind.
I: Stellen Sie sich vor, Sie würden ein Therapiekonzept zur Medienabhängigkeit, komplett unabhängig von sämtlichen Kosten, entwerfen. Welche Bereiche müssten dringend noch erforscht werden?
FR: Ja, also in einer idealen Welt – wobei es immer schwierig ist, das so zu sagen – müsste man erstmal den verschiedenen Bedürfnissen gerecht werden. Also dass man nicht nur Therapie für diejenigen macht, die schon abhängig sind, sondern dass man auch niederschwelligere Angebote implementiert und da keinen Aufwand scheut. Man müsste Informationsangebote bereitstellen und mehr Aufklärung betreiben, sodass sich Eltern, aber auch Spieler besser informieren können, wie sie ihr Hobby verantwortlich nutzen können. Man sollte bis zu dem Bereich der Therapie eine komplette Versorgungskette aufbauen, die alles abdeckt, von der Primärprävention bis zur Sekundärprävention – und Intervention. Außerdem müssen Psychotherapeuten in dem Bereich besser geschult werden. Also ich sehe noch ein Defizit bei den Psychotherapeuten, die nur die klassischen Krankheiten vor Augen haben und zu wenig Anamnese machen, was das Thema angeht. Ich finde, es gehört mit in eine Basisanamnese, dass man auch nach dem Mediennutzungsverhalten fragt – alleine schon weil es so verbreitet ist und weil es auch viel über die entsprechende Person aussagen kann. Das finde ich wichtig. Dann sollte man natürlich entsprechend den Schutz, also auch die Verhaltensprävention würdigen, damit der Jugendschutz besser aufgestellt ist.
Auch bei der Forschung kann man noch ein bisschen mehr Anstrengung auf das Thema verwenden, aber das ist natürlich etwas, das Zeit braucht. Gute Forschung braucht auch immer Zeit. Von außen kann man das sicherlich forcieren, indem man mehr Forschungsprojekte ausschreibt, wofür Stiftungen Geld bereitstellen müssten, für das Forscher wiederum Anträge stellen können, um an die Forschungsmittel heranzukommen. Das wäre sicherlich wichtig. Eine oder mehrere Professuren in den psychologischen Fakultäten für den Bereich wären wünschenswert, die sich dann auch nochmal mit stoffungebundenen Süchten im Allgemeinen stärker befassen. Ich finde, dass der gesamte Bereich der stoffungebundenen Süchte akademisch zu wenig durch hochrangiges Hochschulpersonal vertreten wird. Beim Glücksspiel haben wir schon einige Hochschullehrer, die das Thema speziell behandeln, aber das brauchen wir eben auch für andere stoffungebundene Süchte, sodass das einfach stärker geklärt wird und auch fachlich gute Studien dazu durchgeführt werden.
I: Vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben.
FR: Ja, sehr gerne!
Video des Interviews (Langversion):
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Kurzversion:
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