Gesetzgebung und Verhältnis von Exekutive und Legislative
Am Anfang eines Gesetzentwurfs steht üblicherweise das von DPR-Führung und den Ausschüssen gemeinsam mit der Regierung beschlossene Nationale Gesetzgebungsprogramm (program legislasi nasional, Prolegnas), in dem die während einer Legislaturperiode zu verabschiedenden Gesetze priorisiert und auf die Sitzungsperioden verteilt werden. Gesetzesinitiativen, die im Prolegnas vorgesehen sind, entstehen oft im zuständigen Ministerium in Kooperation mit dem Justizministerium und werden zusammen mit einem erläuternden Dokument an das DPR-Präsidium zur Annahme weitergeleitet. Parlamentsinitiativen können von einem oder mehreren Ausschüssen sowie vom Legislativausschuss Baleg erarbeitet werden. Zur Annahme benötigt ein Entwurf mindestens zehn Unterschriften von Parlamentariern und wird dann über das Präsidium an den parlamentarischen Steuerungsausschuss weitergeleitet. Dort wird ein ständiger Ausschuss für die erste Lesung bestimmt oder die Bildung eines Sonderausschusses veranlasst. Auch DPD-Initiativen müssen auf diese Weise als DPR-Initiativen angenommen werden. Wird ein parlamentarischer Entwurf an den Ausschuss verwiesen, benennt die Regierung einen Vertreter zur ersten Lesung. Dies ist die erste Möglichkeit für die Regierung, einen Gesetzentwurf zu verschleppen (Schneier 2008).
Ist ein Repräsentant ernannt, folgen Regierungsund Parlamentsinitiativen dem gleichen Prozess. Während der ersten Lesung ist anfänglich der zuständige Minister, später meist eine Gruppe von Ministeriumsmitarbeitern anwesend. Aus beiderseitigen Stellungnahmen zum Gesetzentwurf werden im zuständigen Unterausschuss und Ministerium als Grundlage der weiteren Verhandlungen sogenannte Problemlisten (daftar inventarisasi masalah, DIM) erstellt. Sobald diese abgearbeitet sind und keines der Ausschussmitglieder Einwände erhebt, gilt der Gesetzentwurf ohne Abstimmung als verabschiedet und wird an den parlamentarischen Steuerungsausschuss Bamus weitergeleitet, der ihn auf die Tagesordnung einer Plenarsitzung setzt. Diese „Beratung bis zum Konsens“ (musyawarah untuk mufakat) durchzieht als grundlegende Norm den gesamten parlamentarischen Prozess und ist in der Geschäftsordnung der DPR verankert. Innerhalb der Ausschüsse macht dies angesichts der hohen Zahl der vertretenen Fraktionen Verhandlungen langwierig. Mehrheitsfraktionen verzichten zudem oft eher auf die Verabschiedung eines Gesetzes als eine Abstimmung zu erzwingen und so das Konsensprinzip zu verletzen. Grundsätzlich ist allerdings – wie später im Plenum – die Abstimmung mit absoluter Mehrheit möglich (vgl. Febrian 2009). Der Hauptgrund für die, selbst hinter die maßvollen Zielstellungen des Nationalen Gesetzgebungsplans zurückfallende, Gesetzgebungsleistung der DPR (vgl. Braun 2008; Ziegenhain 2008) ist allerdings die Zustimmungserfordernis der Regierung. Da diese üblicherweise durch Fachministerien vertreten wird, können Sonderinteressen Einfluss auf das Verfahren gewinnen: So konnten die Streitkräfte über das Verteidigungsministerium etwa bislang eine Reform der Militärjustiz verhindern (Braun 2008, S. 192 f.).
Während der ersten Lesung haben die Ausschüsse die Herrschaft über das Verfahren. Im Rahmen der formalen Anhörungen oder informellen Konsultationen werden allerdings nur selten Details von Gesetzesentwürfen diskutiert. Zudem müssen aufgrund der schlechten Dokumentation des Verfahrens immer wieder bereits geklärte Fragen neu aufgeschnürt werden. Viele Ausschüsse laden zu öffentlichen Anhörungen statt externer Experten eher Regierungsoder Verwaltungsangehörige ein, sodass auf institutioneller Ebene selten Arbeitsbeziehungen zwischen Zivilgesellschaft und Parlament entstehen (Schneier 2008, S. 206 f.).
In der zweiten Lesung im Plenum erhält das Parlament zusammen mit dem überarbeiteten Gesetzentwurf einen Bericht über den bisherigen Prozess sowie Stellungnahmen von Fraktionen und Regierung. Auch hier gilt der Grundsatz, dass ein Gesetzentwurf als angenommen gilt, wenn sich kein Widerspruch regt. Nur in seltenen Ausnahmefällen muss eine formale Abstimmung stattfinden, in deren Verlauf sich eine insgesamt schwache Fraktionsdisziplin zeigt (Sherlock 2008, S. 13). Sollte während einer der beiden Lesungen keine Übereinstimmung zwischen Regierungsund Parlamentsposition erreicht werden, kann der Gesetzesvorschlag in der laufenden Sitzungsperiode nicht mehr eingebracht werden. Nach erfolgreicher Verabschiedung geht der Entwurf zur Unterschrift und Ausfertigung an den Präsidenten, tritt aber auch ohne Unterschrift 30 Tage später in Kraft (Abb. 4.2).