Informieren, berichten und konsultieren
Informieren, berichten und konsultieren verweisen auf zentrale Praktiken des diplomatischen Alltags (Neumann 2012). Die Fülle an Dokumenten der US-amerikanischen, westdeutschen und britischen Regierung verdeutlicht, dass politische Verhandlungen stets der Dokumentation, Interpretation und Bewertung unterliegen. Dabei werden Interessen analysiert, Handlungsoptionen ausgelotet und politische Anweisungen artikuliert. In der Regel berichten die diplomatischen Vertreter den politischen Entscheidungsträgern, beispielsweise übermittelte Botschafter X ein Telegramm an ‚seinen' Außenminister Y, in dem ein Gespräch mit Z zusammengefasst wird.
Diplomatie dient dem Informationsaustausch, d.h. der Kommunikation mit anderen Staaten – „Diplomacy is the system and the art of communicating between powers“ (Wight [1946, 1978] 2002: 113) –, aber auch der Kommunikation zwischen der bürokratischen und der politischen Ebene innerhalb eines Staates (Kommunikation). Die Entscheidungsgewalt ist dabei klar geregelt: Während Diplomaten verhandeln, berichten, Informationen sammeln und Anweisungen erhalten, wird die Gültigund Verbindlichkeit von Entscheidungen auf der politischrepräsentativen Ebene hergestellt.
Der Kreis derjenigen, die nicht nur an den EVG-Verhandlungen, sondern auch an den Beratungungen auf dem Petesberg sowie an der Ausarbeitung der EGKS beteiligt waren, ist nach den Berichten von Monnet und Speidel recht deckungsgleich gewesen. Dies erscheint insbesondere unter vertrauensbildenden Aspekten wichtigt: Man kannte sich, die Verständigung unter einander viel leichter (Vertrauen). In diesem Sinne konstituieren Kommunikations-Praktiken wie verhandeln, berichten und konsultieren nicht nur eine Gemeinschaft, sondern auch eine Profession: das Problem der deutschen Wiederbewaffnung durch diplomatische Verhandlungen zu lösen anstatt zu drohen oder gar Gewalt anzuwenden (Professionalisierung).
Zugleich zeigen sich in den Kommunikationsprozessen auch unterschiedliche Hierarchien, d.h. wer spricht mit wem, wer berichtet an wen. Während die Regeln in den Staaten formalisiert sind, z.B. Botschafter berichten regelmäßig an ‚ihre' Außenminister, weisen die Verhandlungen und Diskussionen einen stärker informellen Charakter auf. Zwar strukturiert eine Tagesordnung die Sitzung in Paris, der Austausch bei informellen Treffen verschafft den Beteiligten jedoch erst die nötigen Informationen (In-/Formalisierung).