Lebensformen von Frauen und Männern

Neben den Geschlechtsunterschieden in der Zusammensetzung des Arbeitsmarktes liegen weitere Befunde zu Lebensformen von Frauen und Männern vor, die für die Analyse der gesundheitlichen Lage von Bedeutung sind. Siegrist und Möller-Leimkühler (2012) verweisen etwa darauf, dass das klassische Familienmodell längst nicht mehr als Orientierungspunkt für familienoder gesundheitspolitische Interventionen gelten könne. Vielmehr läge ein „Wandel der Frauenrolle im Prozess gesellschaftlicher Individualisierung“ (ebd., S. 130) vor. Dieser sei dadurch gekennzeichnet, dass Frauen zunehmend das gesellschaftliche Leitbild des selbstbestimmten Subjektes in ihren Lebensentwurf übernähmen (ebd.).

Aus der statistischen Datenlage geht zunächst hervor, dass die Ehe nach wie vor die häufigste gewählte Lebensform im mittleren Lebensalter (zwischen 27bis 59-Jährige) darstellt (Statistisches Bundesamt, 2013b). 61% der Frauen und 54% der Männer lebten im Jahr 2012 in einer Ehe. Der Anteil der Single-Männer liegt nach Angabe des Statistischen Bundesamtes bei 28% gegenüber 18% der Frauen, wobei die Befunde insbesondere in der Altersgruppe der 35bis 39Jährigen auffällig sind. So führten 26% der Männer, jedoch lediglich 12% der Frauen in dieser Altersgruppe einen Einpersonenhaushalt (ebd.). Befunde aus dem Mikrozensus 2012 dokumentieren die zunehmende Relevanz, unterschiedliche Lebensentwürfe und -biographien zu berücksichtigen, um den Blick nicht auf die Normalfamilie zu verengen. Während die Zahl der Ehepaare zwischen 1996 und 2012 um gut 8% abnahm, hat sich die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften [1] um gut 50% erhöht (Statistisches Bundesamt, 2013b). Frauen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften waren zu 66% ledig, also noch nie verheiratet. Auf Männer traf dies hingegen mit einem deutlich höheren Anteil von knapp 74% zu (Statistisches Bundesamt, 2010). Darüber hinaus zeigen die Befunde des Statistischen Bundesamtes, dass 29% der Frauen und 25% der Männer in Lebensgemeinschaften bereits geschieden sind. Offensichtlich wird Familie in erster Linie nicht mehr nur durch eine klassische Ehe begründet. Vielmehr beruht die heutige Elternschaft auf einem Familienbild, das auf „einer frei wählbaren Lebensbiographie“ (Bendt, 2013, S. 63) basiert. Interessant ist zudem, dass die Zahl der Alleinerziehenden gegenüber 1996 um ein Fünftel (21%) gestiegen ist. 90% der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern sind weiblichen Geschlechts (Statistisches Bundesamt, 2013b), wobei den Befunden des Bundesamtes zufolge das Betreuungsverhältnis in Abhängigkeit von dem Alter der Kinder variiert: Während 2008 mehr als die Hälfte (56%) der alleinerziehenden Väter Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren betreute, versorgten alleinerziehende Mütter deutlich seltener Kinder dieses Alters (39%) (Statistisches Bundesamt, 2010). Es ist folglich davon auszugehen, dass alleinerziehende Mütter einen deutlich höheren Betreuungsaufwand leisten als die in der Erhebung berücksichtigten Väter.

Aus den rezipierten Daten zu Lebensformen ergeben sich spezifische Herausforderungen, die für die Bewertung alltäglicher Stressoren von Bedeutung sind. Bendt (2013) hebt etwa hervor, dass die individuelle Lebenssituation Alleinerziehender mit großen Herausforderungen verbunden sei, die sich aus der alleinigen Zuständigkeit für die Existenzsicherung, Kindererziehung und Haushaltsführung ergäben. Bevor allerdings der Zusammenhang von Lebensform und Gesundheit näher in Kapitel 3.2.3 thematisiert wird, erfolgt zunächst ein Blick auf das Verhältnis von Haus-, Familien-, Erwerbsund Pflegearbeiten sowie auf die Zeitbudgetverteilung von Frauen und Männern, um weitere für die Forschungsfrage relevante Befunde zusammenzutragen.

  • [1] Unter nichtehelichen Lebensgemeinschaften werden diejenigen verstanden, die ohne Trauschein einen gemeinsamen Haushalt führen und gemeinsam wirtschaften (Statistisches Bundesamt, 2010).
 
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