Subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands

Gesundheit und Krankheit werden nicht nur auf Grundlage von objektiven Datenquellen – wie etwa der Todesursachenstatistik – abgebildet, sondern ebenfalls durch den Einbezug subjektiver Wahrnehmungen und Bewertungen. Als aussagekräftig erscheinen zunächst die von der GBE des Bundes dokumentierten Daten zur Morbidität. Allgemein fällt auf, dass durch Angaben zur Morbidität die Krankheitsverteilung unterschiedlicher Bezugsgruppen abgebildet und weniger Aussagen zur Gesundheit zusammengetragen werden. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit neben den krankmachenden Stressoren jedoch ebenfalls gesundheitliche Ressourcen von Frauen und Männern in den Blick genommen werden, soll der Fokus zunächst auf den Aspekt der Gesundheit gerichtet werden. Als Indikator bieten sich hier die Befunde zur Einschätzung des Gesundheitszustands im Allgemeinen sowie zur psychischen Gesundheit im Besonderen an.

Die subjektiven Einschätzungen zum allgemeinen Gesundheitszustand lassen auf den ersten Blick keine nennenswerten Geschlechtsunterschiede erkennen. Anhand der Daten der vom RKI durchgeführten Querschnittstudie „Gesundheit in Deutschland aktuell – Telefonischer Gesundheitssurvey“ (GEDA) für das Jahr 2009/2010 [1] wird deutlich, dass männliche Befragte ihre Gesundheit positiver einschätzen als Frauen. Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, geben ca. 75% der männlichen Befragten einen guten bzw. sehr guten Gesundheitszustand an. Demgegenüber schätzen weibliche Befragte ihren Gesundheitszustand zu 69% als gut bzw. sehr gut ein (RKI, 2012a).

Tabelle 4: Subjektive Einschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands nach Alter und Geschlecht im Jahr 2011 (in Prozent). (Quelle: RKI, 2012a)

Internationale Befunde bestätigen die hier rezipierten Ergebnisse. So lassen sich auf Grundlage einer Studie von Hosseinpoor et al. (2012) Unterschiede in der Selbsteinschätzung der Gesundheit bei Frauen und Männern erkennen. Die mit Hilfe des World Health Surveys erhobenen Studienergebnisse belegen, dass Frauen ab einem Alter von 18 Jahren ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen als die Vergleichsgruppe der männlichen Befragten. Gleichwohl verweisen die Befunde des RKI (2012a) auf den Einfluss des Alters. Unterteilt man die geschlechtsspezifische Auswertung in unterschiedliche Altersgruppen, nimmt mit steigendem Alter die positive Einschätzung tendenziell ab. Während 92% der befragten Männer und 87% der Frauen unter 30 Jahren ihren Gesundheitszustand noch als gut oder sehr gut bewerten, berichten bei den Befragten ab dem 65. Lebensjahr nur noch 56% der Männer und 49% der Frauen von einem positiven Gesundheitszustand (ebd.).

Ähnliche Ergebnisse liegen auch im internationalen Vergleich vor. So kommen Singh et al. (2013) auf Grundlage von Daten der National Sample Survey Organization in einer indischen Studie zu dem Schluss, dass das Alter bzw. die Altersgruppen der ProbandInnen einen erheblichen Einfluss auf die subjektive Einschätzung des Gesundheitszustands üben: „The odds of poor self-rated health outcome were higher among oldest-old (≥80) compared with the youngest-old (60-69)“ (ebd., S. 8).

Neben dem körperlichen Wohlbefinden wird die psychische Gesundheit als wichtige Voraussetzung von Lebensqualität und persönlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Selbstverwirklichung beschrieben (Hapke et al., 2012). Diesbezüglich geht aus den Daten des RKI (2012b) hervor, dass 56% der weiblichen und 68% der männlichen Befragten von einer durchschnittlich oder überdurchschnittlich guten psychischen Gesundheit berichten. Deutliche Geschlechtsunterschiede ergeben sich hingegen in der Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Während sich die Befragten in der Gruppe der Frauen zu 14% psychisch beeinträchtigt fühlen, geben lediglich 7% der Männer seelische Beeinträchtigungen an. Eine Unterteilung der Daten nach Altersgruppen zeigt zudem, dass sich bei den Frauen mit zunehmendem Alter eine Verbesserung ihrer psychischen Gesundheit einstellt, die jedoch ab dem 45. Lebensjahr wieder zurückgeht (ebd.). Hingegen verweisen die Ergebnisse des RKI bei den männlichen Befragten auf keine nennenswerten Altersunterschiede. Gegensätzliche Befunde legen Tedstone Doherty und Kartalova-O´Doherty (2010) auf Basis des National Psychological Wellbeing and Distress Survey vor. Durch die Analyse einer Telefonbefragung kommen die Autorinnen zu dem Schluss, dass Männer in höherem Alter (65+) von weniger psychischen Belastungen berichten als in der Gruppe der befragten Frauen. Gleichwohl wird einschränkend auf methodische Verzerrungen hingewiesen, da das Thema der psychischen Erkrankung unabhängig vom Geschlecht gesellschaftlich tabuisiert wird und mit Stigmata verbunden ist (ebd.).

  • [1] Die dritte Erhebungswelle der GEDA-Studie (GEDA, 2012) erfolgte zwischen März 2012 und März 2013. Der ausführliche Ergebnisbericht lag zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Studie noch nicht vor.
 
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