Die Funktion von Holocaustleugnung und Geschichtsrevisionismus für die rechte Bewegung
Wolfgang Benz
Als "Revisionisten" bezeichnen sich Rechtsradikale, die gegen das auf Forschung und Fakten gegründete Geschichtsbild über den Nationalsozialismus und seine Verbrechen Amok laufen. Ursprünglich waren es alte Nationalsozialisten, die seit den 1950er-Jahren an der Verteidigung des Nationalsozialismus arbeiteten. Zuerst bemühten sie sich darum, die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verkleinern. Als Kronzeuge diente Anfang der sechziger Jahre der Amerikaner David L. Hoggan mit seinem Buch "Der erzwungene Krieg", das im rechtsradikalen Grabert Verlag erschien. Es gab sich als wissenschaftliche Studie und wartete mit einer Fülle von Quellenzitaten und Querverweisen, Fußnoten und Literaturangaben auf. Damit sollte der Anschein der Seriosität und umfassenden Dokumentenkenntnis erweckt werden und ein Geschichtsbild, das Hitler als überlegenen friedfertigen Staatsmann und seine Gegner als kriegslüsterne Monster zeichnete, sollte als wissenschaftlich erwiesen dargestellt werden.
Bei genauerer Betrachtung erwiesen sich die Quellenzitate allerdings als falsch oder verfälscht, die Literaturangaben als weithin unkorrekt und die Argumentation als unsinnig. Als revisionistische Propagandawaffe war das Buch aber sehr tauglich, denn es genügte, den Titel als Programm zu nehmen und auf die vermeintlich schlüssige Dokumentation zu verweisen (vgl. Hoggan 1961, vgl. Graml 1963).
Der "Revisionismus" etablierte sich als Hilfsideologie im Dienste rechtsextremer Ziele mit dem Anspruch, Geschichte zu "entkriminalisieren" und das Geschichtsbild durch Fälschung und Manipulation zu schönen. Die "Auschwitzlüge" hat die zentrale Funktion im Konzept des Revisionismus, als der Ideologie des Negierens der Verbrechen des NS-Staates, mit der Hitler-Apologeten, Nationalisten sowie Altund Neonazis das historische Bild des Nationalsozialismus retuschieren wollen (vgl. Zarusky 2001: 63 ff.).
Zu den "Autoritäten" auf die sich die Revisionisten berufen, gehört seit den sechziger Jahren der Franzose Paul Rassinier ("Was ist Wahrheit? Die Juden und das Dritte Reich"). Sein Epigone Robert Faurisson stützt sich unter anderem auf den Juristen Wilhelm Stäglich, der 1979 das Buch "Der Auschwitz-Mythos" schrieb. Zu diesem Kreis zählen auch der amerikanische Professor im Fachgebiet Elektrotechnik Arthur R. Butz ("Der Jahrhundertbetrug", 1977), der Brite David Irving und das in Kalifornien angesiedelte Institute for Historical Review oder das in Südaustralien von dem deutschstämmigen Frederick Thoben betriebene "Adelaide-Institut" (vgl. Bailer-Galanda/Benz/Neugebauer 1996, vgl. Lipstadt 1994). Bemerkenswert ist, dass alle diese
"Autoritäten", die als "Wissenschaftler" auftreten und die in der einschlägigen Literatur als Experten, Doktoren, Professoren tituliert werden, keinerlei Fachkompetenz in Anspruch nehmen können. Ziel der Revisionisten ist nur Propaganda gegen die historische Wahrheit. Die Polemik, die sich "streng wissenschaftlich" gibt, erfolgt in Arbeitsteilung. Die Erwähnten spielen dabei die Rolle der gelehrten Autoritäten, sie verfassen Schriften und Bücher, deren Inhalt von Neonazis wie Ernst Zündel in Kanada, "Gary" Rex Lauck in den USA, Walter Ochensberger und Gerd Honsik in Österreich, Manfred Roeder, Udo Walendy und vielen anderen in Deutschland unters Volk gebracht wird – in Pamphleten, Flugblättern, Zeitschriften, Internetauftritten.
Der Revisionismus bedient sich pseudowissenschaftlicher Argumente und trägt sein Anliegen in bürgerlicher Sprache vor. Die Imitation von Wissenschaft durch Übernahme ihrer Formen – Abhandlung und Fußnote, Vortrag und Seminar, Tagung und Zeitschrift – konstituiert jedoch nicht Wissenschaftlichkeit und Seriosität, sondern dient lediglich dem Zweck, Verwirrung zu stiften und historische Wahrheit zu verneinen.
Der Ausdruck "Auschwitzlüge", mit dem unterstellt wird, die Realität des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden existiere nicht, erschien erstmals als Titel einer 1973 veröffentlichten Broschüre des deutschen Nazis Thies Christophersen (1918–1997). Er war 1944 als SS-Mann in Auschwitz in einer Versuchsabteilung für Pflanzenzucht tätig gewesen. Die Kompetenz des Augenzeugen in Anspruch nehmend, wollte Christophersen (der mit dem Mordprogramm nichts zu tun hatte und dessen Arbeitsplatz sich an der Peripherie des Lagerkomplexes befand) nachweisen, dass Auschwitz für alle, auch für Häftlinge ein eher harmloser Aufenthaltsort war. Bei der Arbeit sei getanzt und gesungen worden und es habe einige Zeit gedauert, bis sich die in unterernährtem Zustand eingelieferten Häftlinge in Auschwitz "herausgefuttert" hätten (vgl. Christophersen 1973).
Der Amerikaner Fred Leuchter, selbst ernannter Ingenieur und Hinrichtungsfachmann, verfasste den so genannten "Leuchter-Report", der seit 1988 kursiert. Mit ihm haben die Leugner des Völkermords und Apologeten des Nationalsozialismus eine neue Taktik der Anzweiflung historischer Realität eingeführt, nämlich den Versuch, mit naturwissenschaftlichen und technischen Argumenten zu beweisen, dass die Morde in Auschwitz, Treblinka, Majdanek und allen anderen Vernichtungsstätten aus technischen Gründen gar nicht möglich gewesen seien. "Naturwissenschaftliche Sachbeweise" sollen historische Dokumente (deren Echtheit anzuzweifeln unter Auschwitz-Leugnern lange Tradition hat) entwerten und ersetzen, um historische Realitäten ungeschehen zu machen. Zu den Methoden gehören Spekulationen über die Wirkung des in Auschwitz verwendeten Giftgases Zyklon B ebenso wie "Berechnungen" über den Koksverbrauch, die Kapazität der Krematorien in den Vernichtungslagern oder über die Brenndauer von Leichen, immer mit dem Ziel nachzuweisen, dass die Massenmorde an den Juden gar nicht möglich waren. Das Urteil professioneller Naturwissenschaftler hierzu ist vernichtend, hindert die AuschwitzLeugner aber nicht an ihrer Propaganda (vgl. Bailer 1996: 130 ff., Wellers 1991: 230 ff.). Als sich der Altnazi Otto Ernst Remer (Generalmajor a. D. und nach 1945 jahrzehntelang einer der Protagonisten der Neonazi-Szene) 1992 wegen Leugnens des Völkermords vor Gericht verantworten musste, beauftragte er einen Diplom-Chemiker mit einem "Gutachten über die Bildung und Nachweisbarkeit von Cyanidverbindungen in den ›Gaskammern‹ von Auschwitz". Mit Tabellen und Kurven, Zahlen und "chemischen Analysen" sollte einmal mehr bewiesen werden, dass die Morde in Auschwitz naturwissenschaftlich gar nicht möglich waren. Nach ihrem Verfasser heißt diese Schrift auch "Rudolf-Report". Germar Rudolf (Jahrgang 1964) begann mit dem "Gutachten" eine Karriere als Rechtsextremist. Er betätigte sich unter dem Namen Germar Scheerer (ebenso unter dem Pseudonym Ernst Gauss) im Ausland weiterhin einschlägig, wurde Chefredakteur einer Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung", die sich der Leugnung des Holocaust widmet. Vom Gericht wurde das Gutachten seinerzeit nicht akzeptiert. Für den Revisionismus wurde es zum zentralen Dokument, sein Verfasser zum Märtyrer einer Bewegung Unbelehrbarer. Im März 2007 wurde er, nachdem ihn die USA, wo er jahrelang wohnte, ausgeliefert hatten, in Mannheim zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Schon mit seiner Auslieferung durch die USA an die Bundesrepublik habe das revisionistische Spektrum einen herben Verlust erlitten, urteilte der Verfassungsschutz. Die Zeitschrift "Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung" änderte den Kurs, anstelle Rudolfs Bemühens um eine "wissenschaftliche" Argumentation agiert das Organ jetzt mit offener Holocaustleugnung (vgl. Verfassungsschutzbericht 2007: 111).
Die Leugner des Holocaust spekulieren mit solchen Methoden auf die Unsicherheit des Publikums gegenüber den historischen und moralischen Problemen, greifen verbreitete Vorbehalte und Stereotype gegen Juden auf und arbeiten geschickt mit Verschwörungstheorien und nationalistischen Emotionen.
Auftrieb erhoffte sich die einschlägige Szene von den Israel-feindlichen und holocaustleugnenden Äußerungen des damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Achmadinedschad und der von ihm initiierten Konferenz "Review of the Holocaust: Global Vision", die am 11./12. Dezember 2006 in Teheran stattfand. Der iranische Präsident, der mit der Leugnung des Holocaust seinen Hass gegen Israel politisch instrumentalisierte, wurde für die Revisionisten zur Instanz, auf die sie sich beriefen. Unter dem Titel "Danke, Herr Präsident!" war in der rechtsextremen Zeitschrift
"Nation und Europa" die Hoffnung auf Befreiung aus der vermeintlichen "immerwährenden Schuldknechtschaft", die der Judenmord konstituierte, artikuliert: "Die von Washington und Tel Aviv mit Meinungsterror und militärischer Gewalt am Leben erhaltenen Welt-Unterordnung sieht sich mit einem Mal in die Schranken gefordert. Die ›One-World‹ hat plötzlich wieder Konkurrenz bekommen: die Vision einer alternativen, gerechteren und vor allem ehrlicheren Weltordnung" (Vergeiner 2006: S. 10). Auf der revisionistischen Szene hat ein Generationenaber kein damit verbundener Paradigmenwechsel stattgefunden. Den Wegbereitern Thies Christophersen, Paul Rassinier, Robert Faurisson, Wilhelm Stäglich sind jüngere gefolgt wie David Irving (Jahrgang 1938), Ernst Zündel (Jahrgang 1962), Germar Rudolf (Jahrgang 1964), Siegfried Verbeke (Jahrgang 1941).
Die groteske Beliebigkeit extremistischer Thesen zeigt sich wohl am deutlichsten im Fanatismus, mit dem Horst Mahler den Holocaust leugnet. Der einstige Anwalt (Jahrgang 1936) war in den 1970er Jahren Mitgründer der Rote Armee Fraktion (RAF) und saß wegen Beihilfe zum gemeinschaftlich versuchten Mord und zur gemeinschaftlichen Gefangenenbefreiung fast zehn Jahre lang in Haft, ehe er sich vom Linksextremisten zum Rechtsextremen wandelte und Ende der 1990er Jahre als Ideologe des Revisionismus in Erscheinung trat. 2000 bis 2003 war Mahler Mitglied der NPD gewesen, hatte deren Verteidigung im Verbotsverfahren organisiert. Seinen Parteiaustritt begründete er mit der mangelnden Radikalität der NPD. Mahler entdeckte, gestützt auf ein paar Anhänger, die er 1994 im "Deutschen Kolleg" um sich scharte, die Fortexistenz des Deutschen Reiches, schwang sich zum Protagonisten einer "Wortergreifung" auf und begann einen "Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust". Getrieben von pathologischem Geltungsbedürfnis produzierte er sich – weit unterhalb seiner intellektuellen Fähigkeiten – als "Reichsverweser" und verkündete: "Das Deutsche Reich lebt! Die Judäo-Amerikanische Despotie und ihre globalen Kapos werden zu Grunde gehen" (vgl. Erb/Klärner 2005: 111 ff.). Er stützte seine Argumentation auf die These, der Judenmord habe nicht stattgefunden, er werde lediglich behauptet, um die deutsche Nation unterdrücken zu können.
Wegen Volksverhetzung saß Mahler von Februar 2004 bis Januar 2005 auf der Anklagebank der Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts. Er wurde zu neun Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Den Prozess hatte Mahler benutzt, um sich als Antisemit darzustellen und in endlosen Tiraden, juristisch deklariert als "Einlassungen zur Sache" mit Zitaten, Mutmaßungen, Behauptungen, revisionistische Positionen zu vertreten. Das Gericht bescheinigte ihm, dass seine keineswegs originellen Darlegungen vom Genuss an der Provokation geprägt seien, dass er aus intellektueller Selbstgefälligkeit und Geltungssucht schwadroniere.
Die kleine Schar seiner Anhänger hat er mit seinen Monologen überwiegend gelangweilt oder in die Flucht getrieben. Als Vordenker des Revisionismus hat sich Mahler durch Eloquenz und dramaturgisches Geschick mit Phrasen und Zitaten, die im Internet Wirkung entfalteten, etabliert. Er hat die Ideologie des Revisionismus in dem infamen Satz komprimiert, der die Emotionen der Holocaustleugner vielleicht am treffendsten spiegelt: "Milliarden von Menschen wären bereit, Hitler und dem Deutschen Volk den Völkermord an den Juden zu verzeihen, wen er ihn denn begangen hätte, nur weil sie sich keine andere Lösung der Judenfrage vorstellen können, als die Ermordung der Juden" (ebd: S. 123).
Die Sekte der Revisionisten hat am 9. November 2003 den "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten e. V." mit Sitz in Berlin gegründet. Der Verfassungsschutz ging für 2005 von bundesweit etwa 120 Mitgliedern aus. 2008 wurde der Verein verboten. Die Gründungserklärung, die wie das ganze Unternehmen Horst Mahlers Handschrift trägt, fordert, "endlich den Allgemeinen Volksaufstand zur Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch einen organisierten und geordneten Angriff auf die Auschwitzlüge als dem Fundament der Fremdherrschaft über das Deutsche Reich zu beginnen". Im Dezember 2006 reisten Mitglieder des Vereins nach Teheran, um an der Veranstaltung "Review of the Holocaust: Global Vision" teilzunehmen. Prominenz wie Horst Mahler und andere waren am Auftritt beim Revisionistentreffen wegen Gefängnisaufenthalts verhindert. Allerdings nimmt die Bedeutung des Mahler-Kreises rapide ab, weil aller Fanatismus der Anhänger nicht die Ermüdung durch die pseudo-intellektuellen Tiraden ihres Vordenkers ausgleichen kann. Mahler wurde zunehmend zur bizarren Figur am Rande der Neonazi-Szene. Gerichte in München, Landshut und Potsdam verurteilten Anfang 2009 Horst Mahler zu Haftstrafen. Als Antisemit zunehmend skurriler Observanz betätigt er sich weiterhin im Internet.
Der Anspruch auf Deutungshoheit über die deutsche Geschichte in nationalistischem und exkulpatorischem Verständnis ist die eigentliche Triebfeder revisionistischen Bemühens. Die Leugnung oder mindestens Verharmlosung historischer Tatsachen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Herrschaft hat eine Tradition, die bald nach dem Zusammenbruch Hitlerdeutschlands einsetzt. Die unbelehrbaren (zugleich enttäuschten) Nationalsozialisten hatten existentielle Interessen an der Bagatellisierung der deutschen Kriegsschuld, an der Rechtfertigung der Überfälle auf Polen und die Sowjetunion (die als Präventivkriege interpretiert wurden), an der Versklavung und Beraubung ganzer Völker (was als nationale oder militärische Notwendigkeit gerechtfertigt wurde), und der Verleugnung des Judenmords (für den es allerdings keine Rechtfertigungsmöglichkeit gab). Auch diejenigen, die nicht an den Verbrechen selbst beteiligt waren, wollten sich vielfach auf den Zustand der Unschuld durch Nichtsgewussthaben, durch Unbeteiligtsein, wenigstens durch inneren Widerstand gegen Augenschein und Wissen, zurückziehen.
Die Leugnung der Realität des Holocaust, das Nichtwahrhabenwollen von sechs Millionen ermordeter Juden, das Fortargumentieren nationalsozialistischer Verbrechen war und ist einem kleinen Kreis von ideologisch festgelegten Apologeten des NS-Regimes vorbehalten, dessen Bedeutung in der rechtsextremen Szene zwar zu schwinden scheint, deren Argumente aber in der Mitte der Gesellschaft mit wachsendem Abstand zu den historischen Ereignissen auf Zustimmung stoßen oder Hoffnungen bedienen. Das Bemühen, die Historie entgegen den Tatsachen zu korrigieren und ein neonazistisches Geschichtsbild zu etablieren, isolierte das internationale revisionistische Kartell der Holocaust-Leugner lange Zeit nicht nur gegenüber der Mehrheit sondern auch gegenüber vielen Rechtsextremisten, die nicht als Neonazis definiert sein wollten. Spätestens in den 1980er Jahren hat sich das geändert. Obwohl kein ernsthafter Historiker den revisionistischen Zirkeln angehört und obwohl in Deutschland die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords kriminalisiert ist, gab es in den in dieser Zeit erste Versuche, den "Revisionisten" des Entreebillet in die seriöse Wissenschaft zu verschaffen. Ernst Nolte etwa hat durch vage Formulierungen den Anschein zu erwecken versucht, es lohne sich, die Argumente der Revisionisten zu prüfen und er verstieg sich, die in den USA und Frankreich tätigen Ideologie-Produzenten des "radikalen Revisionismus", die Auschwitzleugner also, zu charakterisieren als "nach Beherrschung des Quellenmaterials und zumal in der Quellenkritik" den "etablierten Historikern in Deutschland" überlegen (vgl. Nolte 1993).
Es gelang zwar nicht, die "Revisionisten" seriös zu machen, wie der Historikerstreit gezeigt hatte, bei dem es darum gegangen war, ob Auschwitz nur ein Reflex auf originäre Verbrechen Stalins gewesen und damit nicht singulär und weniger gravierend gewesen wäre. Die Debatte hat aber Spuren hinterlassen und im Publikum eine gewisse Ratlosigkeit erzeugt, die sich in wachsender Unlust zu weiterer Auseinandersetzung zeigt.
Ein deutscher Schriftsteller hat öffentlich gemacht, was viele empfinden, er hat damit spontanen Beifall gefunden und anhaltenden Streit ausgelöst: Überdruss an einem Thema, das alle peinlich berührt, das ratlos und verlegen macht, demgegenüber "normale Verhaltensweisen" nicht möglich sind. Das Plädoyer des Schriftstellers Martin Walser im Herbst 1998 für die Privatisierung der Erinnerung an den Holocaust hat eine Diskussion in Gang gesetzt, in der die Emotionen vieler deutscher Bürger öffentlich artikuliert wurden als Motive zur Abwehr kollektiver Erinnerung an Auschwitz, keineswegs zur Leugnung des Geschehens oder zur Abwertung von Schuld, wohl aber zur Ausgrenzung des Themas aus dem öffentlichen Diskurs und damit zur Relativierung des Sachverhalts: Es gebe andere Probleme, die aktueller und bewegender seien. [1]
Für das Nachlassen der Aufmerksamkeit gegenüber dem Holocaust gibt es mehrere Gründe. Der wachsende zeitliche Abstand macht das Ereignis für neue Generationen immer abstrakter und schwerer fassbar. Ohne Holocaust-Überlebende, die durch ihre Auftritte in Schulen und vor einer interessierten Öffentlichkeit Empathie mit dem Schicksal der Opfer stiften, wie das immer noch geschieht, wird die Vermittlung von anschaulichen Kenntnissen über den Völkermord künftig ausschließlich vom pädagogischen Engagement der Lehrenden an den Schulen, den narrativen und interpretatorischen Talenten der Historiker und von den Medienangeboten abhängen. Das Interesse nimmt natürlicherweise ab, weil es mit immer zahlreicher werdenden Gegenständen von meist größerer Attraktivität geteilt werden muss. Dazu kommt die natürliche Abwehr in den Folgegenerationen gegenüber jedem Thema, das die Väter bewegte.
Das Problem der Holocaustleugnung war wieder Thema des öffentlichen Diskurses, als Papst Benedikt XVI in einer Geste der Versöhnung im Jahre 2009 die Exkommunikation von Bischöfen der reaktionären Priesterbruderschaft St. Pius aufhob und sie in die Katholische Kirche zurückholte. Wenig später wurde bekannt, dass einer von ihnen, Bischof Richard Nelson Williamson, in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen im November 2008 den Judenmord geleugnet hatte. Williamson war nicht bereit, seine Äußerungen, es habe keine Gaskammern gegeben und höchstens 200 000 bis 300 000 Juden seien als Opfer des Nationalsozialismus ums Leben gekommen, zu bedauern oder zurückzunehmen. Der Geistliche war auch durch ultrareaktionäre Äußerungen über Frauen, Muslime, Homosexuelle aufgefallen, ebenso durch Verschwörungsphantasien und durch antijudaistische und antisemitische Tiraden. Die Piusbruderschaft hat ihn aufgrund der weltweiten Empörung von der Leitung des Priesterseminars La Reja bei Buenos Aires, die Williamson seit 2003 innehatte, entbunden, Argentinien wies ihn im März 2009 aus.
Im moralisch und emotional besonders besetzten Themenkomplex Holocaust gibt es aber auch gleichzeitig wirkende unbewusste Delegationsaufträge im Diskurs der Generationen, und zwar in der Tätergesellschaft wie bei den Nachkommen der Opfer. Auf der einen Seite ist es die Suche nach brauchbaren Traditionen deutscher Vergangenheit, die Suche nach positiven Elementen in der deutschen Geschichte, möglichst auch im Nationalsozialismus. Der Delegationsauftrag lautet, es dürfe und könne doch nicht alles negativ sein, was die Väter taten. Auf der Suche nach einer positiven nationalen, kollektiven Identität sind die Verbrechen der Nationalsozialisten auch für Nachgeborene unangenehm, weil sie eine Schulddiskussion aufrecht erhalten, und lästig, weil so oft in einem moralischen Sinne davon die Rede ist.
Auf der anderen, der jüdischen, Seite besteht der kollektive Auftrag, Wachsamkeit und Argwohn zu institutionalisieren, die Erinnerung zu provozieren, die Verbrechen an den Vorfahren nicht Geschichte werden zu lassen, sondern im Bewusstsein aller Deutschen lebendig zu halten. Der intergenerative Delegationsauftrag, Mahner zu sein, kontrastiert mit dem Wunsch der Gegenseite, nichts mehr von den Untaten der eigenen Vorfahren hören zu müssen und stärkt Ressentiments wie das von den "nicht versöhnungsbereiten Juden".
Der Bombenkrieg der NATO Ende der 1990er Jahre gegen Serbien bot die Gelegenheit, Paradigmen zu wechseln. Der Pazifismus, der sich jahrzehntelang auf die Verbrechen des NS-Staats berief, verstummte und Politiker wie Intellektuelle wetteiferten in der Rechtfertigung der militärischen Aktionen, die dazu dienen sollten, "ein zweites Auschwitz" zu verhindern. [2] Dass Deutschland zum ersten Mal seit 1945 an kriegerischen Handlungen teilnahm stimulierte solche Begründungen, da eine längst erhoffte "Normalisierung" im internationalen Umgang mit Deutschland erreicht schien, weil Deutschland – in seltener Einmütigkeit der öffentlichen Meinung wurde dies konstatiert – jetzt auf der moralisch richtigen Seite engagiert war.
Eine künftig wohl noch stärker auftretende Form der Relativierung ist die inflationäre und instrumentalisierende Beschwörung des Holocaust, um aktuelle politische, moralische oder sonstige Zielsetzungen zu legitimieren. Zur Rechtfertigung der Bomben im Krieg der NATO gegen Serbien bemühten Politiker, Philosophen und Dichter im Namen von Ethik, Demokratie und Humanität historische Vergleiche, die allerdings trotz der guten Absicht nur das historische Geschehen relativierten und banalisierten. Der Schriftsteller Peter Handke beklagte, dass für ihn das erste Opfer des Krieges immer die Sprache sei und wollte damit die Apologeten der Gewalt und ihren undifferenzierten Gebrauch von Schlagworten treffen, wollte Propaganda als solche entlarven. Er bot allerdings im gleichen Atemzug selbst ein drastisches Exempel für das, was er bekämpfte: Die NATO habe "ein neues Auschwitz erreicht", als sie behauptete, es verhindern zu wollen.
Auf den Einwand, Auschwitz sei aber doch etwas anderes, entgegnete er im Mai 1999 in einer großen deutschen Tageszeitung: "Der Horror der Geschichte wiederholt sich nicht seitengleich oder spiegelbildlich. Dieser Krieg zeigt auf fürchterlich unvermutete Weise die ewige Barbarei: Nur bricht die im Jugoslawien-Krieg in grundanderer Gestalt aus als in der planen Wiederholung. Damals waren es Gashähne und Genickschußkammern; heute sind es Computer-Killer aus 5000 Meter Höhe." [3]
Wenn alles mit allem verglichen wird, wenn die Tragödie des Völkermords nur noch als historische Sensation wahrgenommen und beliebig in die Argumentation eingefügt wird, ist der Weg zu ihrer endgültigen Relativierung beschritten. Es gibt bereits eine fatale unreflektierte Verwendung des Begriffs "Holocaust", die nur dazu dient, Aufmerksamkeit zu verstärken im Sinne bekannter public relations-Strategien, die Aufregung als Stimulanz herbeiführen wollen. Wenn jeder, der über irgend etwas besonders empört ist, den Terminus "Holocaust" als rhetorisches Mittel verwendet – wenn Tierschützer vom Holocaust an den Rindern sprechen, oder wenn vom "roten Holocaust" die Rede ist, um mit einer griffigen Formel Untaten unter kommunistischer Ideologie zu brandmarken –, dann ist der Völkermord an den Juden als ideologisch motivierte, systematisch geplante, bürokratisch perfektionierte und konsequent durchgeführte Tat seiner Einmaligkeit entkleidet und marginalisiert. Der britische Außenminister Robin Cook hat, um den serbischen Diktator Milošević zu stigmatisieren, von dessen "Endlösung" gesprochen und damit die demokratische Seite profilieren wollen, in Wirklichkeit aber durch die Instrumentalisierung eines singulären historischen Begriffs diesen entwertet.
Mit voller Absicht erfolgte im Januar 2005 im Sächsischen Landtag eine revisionistische Attacke der NPD-Fraktion. In der Sitzung am 21. Januar 2005, bei der der Bombardierung Dresdens 1945 gedacht wurde, hatte zunächst der NPD-Abgeordnete Holger Apfel vom "kaltblütig geplanten industriellen Massenmord an der Zivilbevölkerung" Dresdens geredet und die Forderung nach einer "Staatsstiftung als zentrale Gedenkstätte für die zivilen Opfer des Bombardements" erhoben. Dann hatte Jürgen Gansel (NPD) erklärt: "Der Bomben-Holocaust von Dresden steht ursächlich weder im Zusammenhang mit dem 1. September 1939 noch mit dem 30. Januar 1933. Die Pläne zur Vernichtung des Deutschen Reiches existierten nämlich schon lange, bevor in Versailles der erste Nationalsozialist geboren wurde" (Sächsischer Landtag 2005: 460 f.).
Provokation gegen den Konsens der Erinnerungskultur war die Methode, mit der die um intellektuelles Niveau bemühte sächsische NPD einige öffentliche Aufmerksamkeit errang. Stolz verwiesen die Provokateure auf die Zustimmung, die sie für höhnische Attacken gegen das als "Reichsopferfeld" oder "Bundesschamanlage" apostrophierte Denkmal für die ermordeten Juden Europas angeblich "aus der Mitte der Gesellschaft" erhielten, und auf Ergebnisse der Demoskopie, nach denen "nationale Einstellungen" mit Ressentiments gegen Ausländer im Vormarsch seien. Unter dem Titel "Revisionismus für die politische Mitte" wurde im März 2005 im NPDBlatt "Deutsche Stimme" der "Tabubruch Dresden" bilanziert mit dem Signal "Antideutsche Bußprediger unter Druck". Absicht und Ziel wurden in der vorauseilenden Erfolgsmeldung, die zur Methode der Provokation gehört, unter Aufbietung martialischer Bilder, enthüllt:
"Im ›Supergedenkjahr‹ 2005, das die Umerziehungsmaschinerie sechzig Jahre nach Kriegsende noch einmal mit Schmieröl versorgen soll, schmerzt es die Sühnepolitiker besonders, dass die nationale Opposition geschichtsrevisionistische Positionslichter auch in der gesellschaftlichen Mitte zu setzen vermag. Mit ihrem beherzten Auftreten und dem tabuverletzenden, aber historisch völlig statthaften Wort vom ›Bomben-Holocaust‹ hat die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag große Löcher in den Schuldturm geschossen, in dem die Deutschen seit genau sechzig Jahren gefangengehalten werden." [4]
Der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel hatte die Metapher vom "Bomben-Holocaust" im Sächsischen Landtag benutzt, um den Untergang Dresdens in die Dimension des Genozids zu steigern und gleichzeitig den Völkermord an den Juden zu relativieren. In der März-Ausgabe des NPD-Blattes "Deutsche Stimme" trumpfte er mit einem Artikel "Warum die NPD-Wortwahl im Sächsischen Landtag richtig war" noch einmal auf. Ausführungen zur Semantik und Verwendung des Begriffs Holocaust, vermengt mit Zitaten aus unterschiedlichsten Quellen, in denen (möglichst hohe) Zahlen der Opfer des Luftangriffs auf Dresden genannt sind, sollten die Gleichsetzung des Judenmords mit dem Luftkrieg über Deutschland untermauern. Die Argumentation, die ideologische Intentionen und historischen Kontext bewusst außer Acht lässt, folgt dem Muster der "Beweisführung" der Revisionisten, die, um den Holocaust zu marginalisieren, Quellen ohne Relevanz anführen und ein Zitationskartell einschlägiger Autoren bemühen. Die Absicht ist leicht zu erkennen, nämlich den Anschein seriöser und wissenschaftlicher Beweisführung zu erwecken, damit Verwirrung zu stiften und die eigene Lesart im Publikum zu verankern. [5]
Als Fazit des Dresdner Skandals erklärte Gansel im NPD-Blatt "Deutsche Stimme": "Die NPD-Wortwahl im Parlament war nicht nur sachlich richtig, sondern auch geschichtspolitisch wichtig, um die Exzesse der Vergangenheitsbewältigung im 60. Jahr der Kriegsniederlage wenn schon nicht zu verhindern, so doch wenigstens einzudämmen." Gansel verwies unter selektiver Zitierung der "Süddeutschen Zeitung" auf einen Vordenker, den er als "linksgewirkten Historiker" apostrophiert, den Historiker Jörg Friedrich, der in seinen publikumswirksamen Büchern über den Luftkrieg die Konnotationen nahe gelegt hat mit Vergleichen, in denen die amerikanischen und britischen Bomberverbände "Einsatzgruppen", die brennenden Luftschutzkeller "Krematorien", die Toten "Ausgerottete" genannt werden.
Heribert Prantl machte in der "Süddeutschen Zeitung" auf die Methode und ihre Tendenz aufmerksam:
"Die allgemeine Empörung über das freche Benehmen der Neonazi-Abgeordneten, die sich einer Gedenkminute für Auschwitz und für die Opfer des Holocaust lärmend verweigert haben, lenkt nämlich von der Tatsache ab, dass die Relativierung und Beschönigung der Nazi-Wirklichkeit nicht exklusive Spezialität der Schreier von Dresden ist. Das Wort ›Bomben-Holocaust‹ beispielsweise, das ein NPD-Abgeordneter zur Bezeichnung der Bombardierung von Dresden kreierte, hat seine sprachliche Vorformung: In seinem Bestseller-Buch über den Bomben-Krieg der Alliierten ("Der Brand") benutzt Jörg Friedrich dafür Begriffe, die sofort an das Vernichtungslager in Auschwitz und an die Mordverbände der Einsatzgruppen denken lassen. Der Historiker Hans Ulrich Wehler hat das scharfsinnig analysiert: ›Wenn Friedrich schreibt, die Bomberflotten seien ›Einsatzgrup pen‹, brennende Luftschutzkeller ›Krematorien‹ und die Toten ›Ausgerottete‹, dann hat man sprachlich die völlige Gleichsetzung mit dem Holocaust‹." (Prantl 2005)
Inszeniert war das Aufbäumen der NPD gegen die Erinnerungsund Geschichtskultur der Bundesrepublik als nationalpatriotische Aufwallung. Sie unterstellte in verschwörungstheoretischer Manier zielgerichtetes und planmäßiges Handeln nicht genannter finsterer Mächte gegen die Interessen des Vaterlandes:
"Durch eine systematische Schuldneurotisierung sollen die Deutschen von der Vertretung ihrer Lebensinteressen abgehalten werden. Durch injizierte Schuldgefühle sollen sie moralisch gedemütigt, politisch bevormundet und finanziell ausgepresst werden. Der nationalen Opposition muss es jetzt gelingen, diesem Volk seinen Selbstbehauptungswillen wiederzugeben. Die selbstbewusste Vertretung deutscher Gegenwartsinteressen ist nur durch einen Schlussstrich unter eine irrwitzige Vergangenheitsbewältigung möglich. Mit den eingeübten Selbsterniedrigungsritualen und dem neurotischen Schuldkult muss Schluss sein. 60 Jahre nach Kriegsende ist es hoch an der Zeit, dass die Deutschen wieder den aufrechten Gang erlernen. Nur so haben sie als Volk eine Zukunft." (Sächsischer Landtag 2005)
Wesentlicher als rechtsextreme Provokationen und Versuche der Relativierung des Holocaust – bei denen immer auch das Argument des zunehmenden Abstandes zum Ereignis eine Rolle spielt – sind Erscheinungen wie die Erosion des Konsenses über die historische Wahrheit aus Desinteresse und Unkenntnis sowie die versuchte Konstruktion von sekundären Geschichtsbildern bei gleichzeitiger Dekonstruktion einer Geschichtskultur, die als Erfahrung aus nationalsozialistischer Vergangenheit (mit unterschiedlichen Akzenten in BRD und DDR) gepflegt wurde. Dafür ist das folgende ein repräsentatives Beispiel.
Im Juni 1998 wurde ein Buch mit dem Titel "Politisch nicht korrekt – eine Streitschrift für Deutschland" an "kompetente Meinungsführer" verschickt; es kann als Prototyp für den Umgang mit nationalsozialistischer Vergangenheit gelten, wie er von rechtskonservativen bis rechtsextremen Vertretern der zweiten oder dritten Generation in Deutschland gepflegt wird. Verfasser der Schrift ist ein Zahnarzt in Berchtesgaden, seine Gedankengänge gehören in das Spektrum deutschnationaler Agitation, wie sie auch im publizistischen Spektrum des Rechtsextremismus anzutreffen ist (vgl. Römhild 1998). Ausgangspunkt war möglicherweise die Diskussion um das Denkmal für die Opfer des Holocaust in Deutschland. Moderater vorgetragen und argumentativ nicht auf den ersten Blick und auch nicht durchgängig als rechtsextrem/nationalistisch einzuordnen, lautet die zentrale These des Buches:
"Die meisten Probleme, die uns heute beschäftigen, haben ihren Ursprung in unserem Umgang mit unserer jüngeren Geschichte. Fast unbemerkt und unbewusst steht in Deutschland das politische Empfinden, Denken und Handeln unter dem Schock, den vor allem wir Nachgeborenen in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus empfinden. Wir erkennen die Zusammenhänge kaum noch, die zwischen den aktuellen politischen und sozialpolitischen Entscheidungen und jenem tiefen Schock bestehen." [6]
Das Pamphlet ist eine Facette des Verweigerungsdiskurses, in den auch Martin Walsers Frankfurter Rede und die anschließende Debatte gehören, es ist als Montage gängiger Klischees und stereotyper Vorstellungen bemerkenswert, widersteht in seiner Banalität aber jeder ernsthaften Analyse. Die Addition von Abwehrreaktionen und Aversionen operiert mit der angeblich gegen Deutsche instrumentalisierten Kollektivschuldthese, konstatiert Selbstgerechtigkeit und Flagellantentum der Deutschen, Selbsthass bis zum schleichenden Selbstmord durch Überfremdung in einer unerwünschten multikulturellen Gesellschaft und kommt zu dem Schluss, es mangele der deutschen Nation an Identität, also an Selbstbewusstsein. Der Sehnsucht nach dem "weltoffenen Nationalstaat" steht die "einseitige Fixierung auf den deutschen Nationalsozialismus" im Wege. Als Kernaussage sind die "Folgen der deutschen Schuldkultur" zusammengefasst in tabellarischer Form unter dem Motto "andauernde Schuldzuweisungen (auch "besondere Verpflichtungen" genannt) lösen viele Gefühle und Reaktionen aus, die sich wiederum auf das jeweilige Verhalten auswirken."
Die Liste der Gefühle besteht aus Angst, Scham, Wut, Trauer, Melancholie und Minderwertigkeitsgefühl, die Reaktionen darauf enthalten u. a. "Unsicherheit, Überreaktionen, Zwangsvorstellungen, unsicheres Verhalten, Willfährigkeit, Aggression, Selbstverachtung". Und folgende Auswirkungen resultieren daraus wie "Besuche von KZs als pädagogisches Instrument (Erziehungsprinzip Angst)" als Beispiel für Überreaktion, "undifferenzierte Auseinandersetzung mit der Geschichte des 3. Reiches" als Zwangsvorstellung, "verkrampftes Verhalten gegenüber jüdischen Mitbürgern und Ausländern" als Merkmal unsicheren Verhaltens, "Akzeptanz klassischer Schuldtheorien der Nachkriegszeit (Sippenhaft, Perpetuierung der Schuld in die Zukunft)" als Reaktion der Willfährigkeit oder "Schändung jüdischer Friedhöfe und Gedenkstätten" als Form der Aggression, die wiederum als Reflex von Wut als "Folge der deutschen Schuldkultur" ausgemacht wird (Römhild 1998: 64 f.).
Das Pamphlet ist auch dafür als Symptom zu werten, dass es Wirkung hat, weil es in der Machart seriöser wirkt als übliche rechtsextreme Publizistik. So fand es sogar einen Rezensenten im seriösen Berliner "Tagesspiegel", dessen Spalten solcher Art von Druckerzeugnissen normalerweise nicht zur Verfügung stehen. Mit einigem Verständnis wurden dort die Positionen des Autors referiert, die These vom "allgegenwärtigen Schuldkomplex", die Vorstellung eines "Superlativs der Reue", der zur "typisch deutschen Maximalmoral" führe, die völlig überdimensional "dort alles wieder gut zu machen versucht, wo es eigentlich gar nicht hinpaßt". Asylpolitik und die Vision einer multikulturellen Gesellschaft stünden im Gegensatz zu nationalen Interessen und Bedürfnissen – so wird die Botschaft verstanden und ein Stück weiter transportiert. [7] Hier wird eine Nahtstelle zwischen verbreiteten Bedrohungsängsten und ihrer Instrumentalisierung durch rechtsextreme Propaganda deutlich.
Das wirksamste Medium revisionistischer Publizistik ist die "National-Zeitung" des 2013 verstorbenen Verlegers Gerhard Frey, zu dessen Unternehmungen auch die Deutsche Volksunion (DVU) gehörte. Themen sind seit Jahrzehnten – eintönig, aber mit Enthüllungspathos vorgetragen – der Zweite Weltkrieg, Alliierte Kriegsverbrechen, Judenmord, aufbereitet in der Absicht, ein apologetisches Geschichtsbild gegen die historischen Fakten durchzusetzen. Typisch ist ein Artikel mit der Überschrift "War Deutschland allein schuld? – Wie es wirklich zum Zweiten Weltkrieg kam". Dort wird behauptet: "Wer es in heutiger Zeit wagt, der These der deutschen Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu widersprechen und auf den jeweiligen Schuldanteil der Siegermächte zu verweisen, muss Mut aufbringen. Auch 70 Jahre nach Ausbruch des fürchterlichen Völkerringens ist in der Bundesrepublik Deutschland keine Souveränität im Umgang mit Wahrheit zu erkennen, sondern nach wie vor gilt, was bereits US-Präsident Truman wusste: ›Die Geschichte schreibt immer der Sieger.‹" [8]
Ein großer Teil des redaktionellen Textes der "National-Zeitung" besteht aus Buchwerbung, die Titel sind im angeschlossenen Versandhandel Freys erhältlich. In diesem Fall heißt der Titel "Das letzte Geheimnis – Wie es wirklich zur Katastrophe des Zweiten Weltkrieges kam". Das Buch hat keinen Verfasser, ist dafür "spannend bebildert". Als "neuen Tabubrecher" schätzt das Blatt den polnischen Historiker Bogdan Musial, der so sehr um Aufsehen bemüht ist, dass seine Seriosität darunter leidet. Unter dem Titel "Keine Feigheit vor Fakten" wird er im Frühjahr 2008 als mutiger Kämpfer dargestellt, dessen Buch "Kampfplatz Deutschland – Stalins Kriegspläne gegen den Westen" wieder einmal die Präventivkriegsthese strapaziert. [9] Wenig später erscheint Musial wieder in der "National-Zeitung", diesmal als Kronzeuge eines angeblichen Historikerstreits in Polen um die Vertreibung der Deutschen. Der Artikel dient wiederum als Werbeträger für Musials Buch und für eine andere Schrift, in der unter dem Titel "Der andere Holocaust" die Vertreibung der Deutschen einschlägig thematisiert ist. [10]
Wenn es der Beweise bedürfte, wie notwendig Aufklärung statt Wegsehen über historische Sachverhalte ist, die Redaktion der "National-Zeitung" liefert sie Woche für Woche und stereotyp Jahr für Jahr aufs Schlichteste. Das Wesentliche steht jeweils zwischen den Zeilen und im Anzeigenteil, in dem Bücher mit Titeln wie "KZ-Lüge" oder "Wer ist wer im Judentum?" feilgeboten werden. Das erfolgreichste, am weitesten verbreitete und langlebigste Wochenblatt der rechtsextremen Szene in Deutschland, die "National-Zeitung", ist charakterisiert durch den monotonen Appell an muffigen Patriotismus, an Gefühle des Selbstmitleids, der Bedrohung durch Fremde. Die Beschwörung traditionell nationalistischer Wertvorstellungen kristallisiert sich thematisch am Zweiten Weltkrieg, an der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa nach 1945, an Besatzungsherrschaft und behaupteter andauernder deutscher Ohnmacht, an "Überfremdung" durch Migranten. Leitmotiv der Agitation ist ein aggressiver Revisionismus, der von der "Kriegsschuldfrage" bis zur Anzweifelung der Dimensionen des Holocaust reicht, den Völkermord relativiert und Antisemitismus artikuliert. Verbrämt durch stereotypes Bedauern über die Verfehlungen einer kleinen Minderheit von Tätern werden antijüdische Ressentiments bedient und an Gegenständen wie der Debatte um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, um die Entschädigung von Holocaust-Opfern, um den vermuteten jüdischen Einfluss in Deutschland und in der Welt thematisiert.
Das Konstrukt jüdischer Aggression – ausgedrückt in der Unterstellung einer Perpetuierung des Schuldvorwurfs, unangemessener oder erschlichener Entschädigungsleistungen und Wiedergutmachungszahlungen – ist wirksam, weil es mit Ängsten und Ressentiments korrespondiert, die keineswegs auf rechtsextreme Kreise beschränkt sind, die in der gesamten Gesellschaft existieren und bei einer Minderheit einen sekundären Antisemitismus stimulieren, der aus der Abwehr von Schuldgefühl und Scham wegen des historischen Judenmords entsteht.
Dieses Konstrukt wird in die Geschichte zurückverlängert in der oft widerlegten, aber ebenso eifrig reanimierten Behauptung einer "jüdischen Kriegserklärung" an Deutschland. [11] Gestützt auf "Beweise" wie die Schlagzeile der britischen Boulevardzeitung Daily Express vom 24.März 1933 "Judea declares war on Germany" und den Brief Chaim Weizmanns Ende August 1939 an den britischen Premierminister (in dem ausgedrückt war, dass die Juden ihren Beitrag zur Verteidigung der Demokratie leisten würden) wird eine Argumentation aus Geschichtsklitterungen und "Dokumenten" aufgebaut, die den Zweck hat, zu beweisen, dass der nationalsozialistische Staat quasi aus Notwehr die Juden verfolgen musste. [12]
Das Bild vom feindseligen, rachsüchtigen und mächtigen Juden wird propagiert, um tradierte Vorurteile wachzuhalten; es ist Bestandteil einer Inszenierung, die den historischen Judenmord und seine Folgen im kollektiven Gedächtnis und Bewusstsein manipuliert. Jüdische Prominente sind im Rahmen dieser Inszenierung regelmäßig die Zielscheibe abgefeimter Attacken der "National-Zeitung".
Die Brückenfunktion beim Transport von ahistorischen Konstrukten – deren übelstes die "Auschwitzlüge" ist – vom rechtsextremen Spektrum über das konservative Lager in die Gesamtgesellschaft ist unübersehbar. Anteil an der Verankerung von Ressentiments im öffentlichen Diskurs haben – neben Revisionisten und Rechtsradikalen – rechtskonservative Zirkel, die aufklärerische Absichten für sich beanspruchen, die Bedrohung der Meinungsfreiheit durch "Denkverbote", Sprachregelungen und die vermeintlich publizistische Übermacht linker Medien argwöhnen und gegenaufklärerische Bastionen zur Überwindung "neototalitärer Methoden und Strategien" aufrichten wollen. Mit anderer Frontstellung löste das Buch Akif Pirinccis "Deutschland von Sinnen" in dem gegen Frauen, Schwule, Zuwanderer gewütet wird, eine Debatte aus. Die ebenso obsessive wie obskure Gemeinde des deutsch-türkischen Autors pöbelt im Internet so feindselig und besessen, wie Antisemiten den Judenmord leugnen – mit dem einzigen Unterschied, dass der Holocaustleugnung rechtliche und moralische Schranken gesetzt sind, die für Weblogs wie die "Achse des Guten" nicht gelten (vgl. Satola/Spanger 2014: 243 ff.).
Hauptziel des Kreuzzugs gegen vermuteten Gesinnungsdruck und behaupteten verordneten Gesinnungskonformismus ist in der Nachfolge älterer Feindbildkonstrukte ("Kollektivschuld", "Umerziehung") die "political correctness". Mit verschwörungstheoretischer Ambition wird der Begriff als eine mächtig wirkende allgegenwärtige Gesinnungsmaschinerie verstanden, die von feindlichen Kräften (vor allem "den Linken") bedient wird, der Widerstand zu leisten ist, um Gefahren für Nation, Vaterland und andere Werte abzuwenden. Ein ultrakonservatives "Professorenforum" hat sich zum Kampf für christliche Wertvorstellungen etabliert und bietet dabei auch dem Kampf gegen "political correctness" eine Plattform. Verstanden wird unter diesem Begriff offensichtlich der liberaldemokratische Konsens der Gesellschaft der Bundesrepublik, die Verbrechen des Nationalsozialismus in kollektiver Erinnerung zu halten und moralische Konsequenzen aus dieser Erinnerung zu ziehen.
Auf einem Symposium dieses "Professorenforums" vorgetragen und dann in beträchtlicher Auflage gedruckt wurden Ausführungen über die Gefahren einer angeblich herrschenden "neototalitären Gesinnungsdiktatur", in der selbstgerechter Tugendterror der öffentlichen Verurteilungskultur herrsche und "Gewissensprüfungen durch straflüsterne Moralgiganten" veranstaltet würden – das sei eine political correctness, deren Methode auf Goebbels zurückgehe. Die Stichworte hatte dem referierenden Professor der Schriftsteller Martin Walser gegeben, der – lange vor der Frankfurter Friedenspreis-Rede – im November 1994 bei einer früheren Preis-Verleihung zitierfähige Formulierungen gefunden hatte:
"In diesem von ›liberalen Erledigern‹ geschaffenen öffentlichen Klima mit seinen Reizklischees samt der ›Macht des Fernsehens über die Schläfrigen‹, angesichts dieser ›Zeigefingerbemühungen der Herbeter, Abfrager, Insgewissenredner‹ und ihrer ›politischmoralischen Lynchstimmung‹ im ›Correctness-Rausch‹ sollen wieder einmal Einsichten, Erfahrungen und Gewissen in typisch totalitärer Manier standardisiert werden." (Hornung 1999)
Ein trivialer, aber wesentlicher Grund für die Relativierung des Holocaust im allgemeinen Bewusstsein liegt sicher auch in den Informationsmedien, die zugleich den Leugnern neue und wirksame Möglichkeiten bieten. Im Internet marginalisiert das Riesen-Angebot an Informationen zu allen beliebigen Themen nicht nur die Informationen selbst, das Medium eignet sich auch hervorragend zur gezielten Desinformation und zur Tarnung ihrer Urheber. Das Internet ist innerhalb eines Jahrzehnts das weltweit wichtigste Propagandainstrument geworden. Kriminalisierte Sachverhalte wie die Behauptung der "Auschwitz-Lüge" werden (z. B. über US-amerikanische Provider) anonym ins Netz gestellt und damit der deutschen Strafjustiz entzogen (vgl. Verfassungsschutzbericht 1998: 70). Die Leugnung des Holocaust ist in den Kommunikationsmedien begleitet von Manifestationen des traditionellen Antisemitismus. Ein "Bürgerforum Europa" verbreitet zum Beispiel per Homepage einen Text
"Talmud ohne Maske" und die Behauptung, alle Prophezeiungen der "Weisen von Zion" seien seit 1900 "punktgenau und mit vernichtender Sicherheit" realisiert worden (vgl. Wetzel 1997: 89).
Welche Möglichkeiten der Abwehr gibt es gegen das Leugnen des Holocaust? Die Mittel der Strafjustiz sind begrenzt, weil sich, trotz der gesetzlichen Kriminalisierung in der Bundesrepublik ("Auschwitz-Gesetz") die Revisionisten auf Meinungsfreiheit berufen und weil mit einigem Geschick tatsachenwidrige Hetze juristisch unangreifbar betrieben werden kann. Das beweist die rechtsextreme Presse stets aufs Neue, wenn sie ihre Behauptungen in die Form des Zitats, der Frage, garniert mit scheinheiliger Entrüstung über Verbrechen des Nationalsozialismus kleidet. Die Strafjustiz trifft deshalb die Unvorsichtigen oder Propagandisten, die der Wirkung halber die Märtyrerrolle suchen.
Die Möglichkeiten des Jugendschutzes sind ebenfalls begrenzt. Alles dankenswerte Bemühen der Bundesprüfstelle, politische Pornographie wie die Holocaust-Leugnung (in Filmen, Computerspielen, Druckschriften, im Internet usw.) von der Jugend fernzuhalten und durch Indizierung die Verbreitung zu erschweren, hat enge Grenzen. Die Liste jugendgefährdender Schriften kann leicht zum Informationssystem für Interessenten über aktuelle Angebote werden (vgl. Dittler 1996: 5 f.).
Unerlässlich bleibt die Aufklärung über die nationalsozialistische Judenverfolgung in der Schule. Sachgerecht betrieben – also kognitiv orientiert und nicht an Schuldgefühle und moralische Emotionen appellierend – muss der Schulunterricht das Fundament an überzeugendem Wissen legen, das nicht leicht erschüttert werden kann. Unterstützung braucht die Schule aber auf der einen Seite durch die Wissenschaft und durch die Medien, auf der anderen Seite durch das Elternhaus. Wenn die Bildungsinhalte der Schule in der Familie durch leichtfertigen Zweifel, durch Ignoranz oder Desinteresse relativiert werden, haben die antisemitischen Leugner der Wahrheit Terrain gewonnen. Deshalb bleibt die wichtigste Voraussetzung der Abwehr der demokratische Konsens der Bürger, die historische Wahrheit weder der Sensationslust gewisser Medien noch den politischen Interessen einer Minderheit von aggressiven Nationalisten, Neonazis und Rechtsextremisten auszuliefern.
- [1] Die Debatte eskalierte zum "Walser-Bubis-Streit", in dem die von Walser propagierte Privatisierung der Erinnerung an den Holocaust zurückgewiesen und gegen den Schriftsteller der Vorwurf geistiger Brandstiftung im Sinne des Antisemitismus erhoben wurde. Ein Beitrag zugunsten Walsers von Klaus von Dohnanyi (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. 11. 1998) machte die Dimension der Auseinandersetzung für das öffentliche Bewusstsein mit folgender Sentenz deutlich: "Allerdings müßten sich natürlich auch die jüdischen Bürger in Deutschland fragen, ob sie sich so sehr viel tapferer als die meisten anderen Deutschen verhalten hätten, wenn nach 1933 ›nur‹ die Behinderten, die Homosexuellen oder die Roma in die Vernichtungslager geschleppt worden wären."
- [2] Gelegentlich waren auch Holocaust-Experten eingeladen, die moralische Notwendigkeit militärischer Intervention durch schlichte historische Vergleiche und Deduktionen zu beweisen (vgl. Goldhagen, Daniel J.: Eine "deutsche Lösung" für den Balkan. Um das Völkermorden zu beenden, muß die NATO Serbien besiegen, besetzen und umerziehen. In: Süddeutsche Zeitung vom 30. April/1./2. Mai 1999.
- [3] "Moral ist ein anderes Wort für Willkür. Der Schrift teller Peter Handke über die NATO-Bomben auf Serbien und über die Frage, warum Amerika umerzogen werden muß". In: Süddeutsche Zeitung vom 15./16.Mai 1999.
- [4] "Revisionismus für die politische Mitte. Antideutsche Bußprediger unter Druck". In: Deutsche Stimme, März 2005.
- [5] "Deutsche wieder den aufrechten Gang lehren. Warum die NPD-Wortwahl im Sächsischen Landtag richtig war". In: Deutsche Stimme, März 2005. Dieser sowie der Artikel "Revisionismus für die politische Mitte" stehen unter der Kopfzeile "Tabubruch Dresden", mit der offensichtlich ein Symbol konstituiert werden soll.
- [6] Schreiben Römhilds vom Juni 1998, mit dem das Buch an "kompetente Meinungsführer" übersandt wurde.
- [7] Tagesspiegel Berlin, 12. 12. 1998 ("Asylpolitik und Anspruchsdenken: ein Buch wider die deutschen Befi hkeiten").
- [8] National-Zeitung, 2. 5. 2008.
- [9] National-Zeitung, 28. 3. 2008.
- [10] National-Zeitung, 6. 6. 2008. Vgl. die dreiteilige Serie "Die Hölle der Vertreibung", in der die "National-Zeitung" beanspruchte, "den ungesühnten und lange Zeit tabuisierten Vertreibungs-Holocaust" zu dokumentieren. National-Zeitung Nr. 11/2007.
- [11] Die "jüdische Kriegserklärung" ist ein alter Topos rechtsextremer Propaganda, der gegen alle Aufklärungsbemühungen am Leben gehalten wird. In der National-Zeitung war im Frühjahr 1999 ein Buch angekündigt: "Jüdische Kriegserklärungen an Deutschland. Vorgeschichte – Wortlaut – Folgen. Ca. 400 Seiten, viele faksimilierte Originaldokumente, DM 49,90. Das Buch erscheint im Sommer. Zur Vorbestellung schon jetzt wird geraten.", National-Zeitung, 16. 4. 1999.
- [12] Eines der "Beweisstücke" ist der Plan des Theodore N. Kaufman, das deutsche Volk durch Sterilisierung auszurotten und das Territorium aufzuteilen. Die Hintergründe der von Kaufman 1941 in New York publizierten Broschüre "Germany must perish" sind mit allen Details aufgeklärt, es handelte sich um einen wirren Einzelgänger, der sich bald selbst von seiner Schrift distanzierte (vgl. Wolfgang Benz (1981): Judenvernichtung aus Notwehr? Die Legende um Theodore N. Kaufman. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 29, S. 615–630). Die Legende, Kaufman sei ein einflussreicher Vertreter des Judentums, Berater des US-Präsidenten gewesen, sein Plan habe weite Zustimmung gefunden, wird unermüdlich weiterverbreitet, auch in Römhilds Pamphlet wird phantasiert: "Dieses Buch enthält keineswegs, wie verschiedentlich behauptet, die von deutschen Rechten böswillig überbewerteten Phantasien eines nicht ernstzunehmenden Unzurechnungsfähigen, sondern ernstgemeinte Überlegungen zur Massensterilisation der Deutschen, die in der amerikanischen Presse einschließlich der renommierten ›New York Times‹ auf reges Interesse stießen. Dank lebhafter Lesernachfragen erfreute sich Kaufmans Buch mehrfacher Neuauflagen" (Römhild 1998: 23).