Qualifikationsniveau als Indikator der Personalstruktur?
Wer eine professionelle Tätigkeit als Agent auf dem deutschen Arbeitsmarkt anstrebt, kann sich seit dem Jahr 2006 zur „Servicekraft für Dialogmarketing“ (SDM) ausbilden lassen und hat damit eine nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG, 2011) anerkannte Ausbildung absolviert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer 12bis 16-wöchigen Weiterbildungsphase zum Agent durch die Industrieund Handelskammer (IHK). Die vorliegende Literatur enthält jedoch keine Informationen darüber, welchen Anteil die qualifizierten Servicekräfte an den eingestellten Agents einnehmen. Als Grund für die defizitäre Datenlage könnte auch die Heterogenität des CC-Arbeitsbereichs gelten. So ist zu vermuten, dass mit den gestellten Anforderungen auch unterschiedliche formelle und inhaltliche Voraussetzungen gelten. Erste Annahmen über die personelle Zusammensetzung lassen sich im Rahmen der Beschäftigungsanteile ableiten. Kerst und Holtgrewe (2003) nennen diesbezüglich drei Gruppen von Agents: Vollzeiterwerbstätige, die entweder am Anfang ihres Berufslebens stehen oder nach Erwerbsunterbrechungen den Wiedereinstieg suchen, Teilzeitbeschäftigte und Studierende. Es ist somit davon auszugehen, dass sich die Beschäftigtenund Qualifikationsmerkmale der Agents zwischen und innerhalb der Unternehmen stark unterscheiden. Schönauer et al. (2010) kommen im Rahmen ihrer österreichischen Erhebung zu dem Schluss, dass der Anteil der Studierenden im Bereich der Marktforschung 40% bis 60% beträgt. Hingegen sind Agents mit Berufsabschluss überwiegend im Handel sowie in der Telekommunikation vertreten (ebd.). Um Aussagen über die Personalstruktur in CCn treffen zu können, reicht die alleinige Orientierung am Qualifikationsniveau nicht aus. Nachfolgend sollen daher die Merkmale Alter und Geschlecht näher fokussiert werden.
Altersstruktur
Informationen zum Alter der Agents bietet u. a. der Gesundheitsbericht der AOK Rheinland-Hamburg aus dem Jahr 2007 (AOK, 2007). Die Datenbasis bezieht sich auf Versicherte aus 27 CCn, die zum Zeitpunkt der Erhebung im Rheinland versichert waren (n=2.110). Die gesetzliche Krankenkasse verweist hierbei auf eine besonders heterogene Personalstruktur. Auffallend ist zunächst, dass in der Region eine grundsätzlich niedrigere Altersstruktur gegenüber der Erwerbsbevölkerung der Versicherten im Rheinland konstatiert wird. So waren die Agents im Durchschnitt 34 Jahre alt. Während die beschäftigten Frauen im Jahr 2006 einen Altersdurchschnitt von 35 Jahren aufwiesen, waren die dort beschäftigen Männer 33 Jahre alt. Bei näherer Betrachtung ist ein Blick auf die Unterteilung der Agents in Altersgruppen aufschlussreich. Demzufolge repräsentieren BerufseinsteigerInnen und junge Erwachsene bis 24 Jahre rund 10% aller Erwerbstätigen. Knapp 40% – und damit die größte Gruppe – sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, fast 30% aller versicherten Agents der AOK liegen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren und 17% der Agents sind zwischen 45 und 54 Jahre alt. Den geringsten Anteil mit 3% nehmen die Beschäftigten in CCn ein, die älter als 55 Jahre sind. Im internationalen Vergleich liegen ähnliche Befunde vor: Croidieu et al. (2008) verweisen im Rahmen einer Befragung französischer Agents (n= 2.117) zwar auf einen überwiegend jungen Altersdurchschnitt (<30 Jahre = 45%). Gleichwohl entsprechen etwa über die Hälfte der Befragten den Altersgruppen 30-40 Jahre (37%) und älter als 40 (18%).
In der Literatur finden sich indes weitere Ausdifferenzierungen der vorliegenden Daten. Eichmann et al. (2006) unterscheiden in Bezug auf die Altersstruktur etwa zwischen den Organisationsstrukturen. So verfügen betriebsinterne gegenüber ausgegliederten CCn über vergleichsweise alte Belegschaften, da sie ihre Agents oftmals aus der Stammbelegschaft rekrutieren. Brinkmann (2006, S. 26) begründet den besonders jungen Altersdurchschnitt mit der Neuheit des Arbeitsbereichs sowie mit dem „intensiven Umgang mit Informationsund Kommunikationstechnologien“. Auf Grundlage der hier dokumentierten Altersstruktur ist jedoch zum einen davon auszugehen, dass die Tätigkeit eher als kurzzeitiger Job denn als Beruf wahrgenommen wird und sich deshalb als Übergang von Schule und Beruf bzw. Studium eignet. Zum anderen liegt die Annahme nahe, dass die hohen Belastungsanforderungen zu einer starken Fluktuation und stetigen Verjüngung der Agents führen (Kapitel 5.4.1).
Insgesamt ist unter Berücksichtigung des Alters von einer heterogenen Personalstruktur auszugehen, die sich auf unterschiedliche sozio-ökonomische Lebensrealitäten bezieht (z. B. Studierende, Alleinerziehende). Holtgrewe (2003a, S. 149) stellt etwa fest, dass neben Berufsrückkehrerinnen Studierende und männliche oder weibliche Vollzeitbeschäftigte mit „vielfach gebrochenen und umwegigen Berufsbiographien das Arbeitskräftepotenzial von Call Centern bilden“.