Vorstellung der Stressund Bewältigungstypologie

Obgleich in fast allen geführten Interviews Stressoren der Arbeitstätigkeit benannt werden, fallen grundlegend unterschiedliche Darstellungsweisen in den Erzählungen der Agents auf, die vor dem Hintergrund der Vergleichsdimension Geschlecht bedeutend sind. Diese gehen insbesondere aus Teilen der Erzählung hervor, in denen keine offene Thematisierung der Dimension Geschlecht in den Interviews erfolgt. Die Passagen beziehen sich zum einen auf Anforderungen und Stressoren im Rahmen der CC-Tätigkeit. Zum anderen gehen daraus unterschiedliche Darstellungen der Umgangsund Verarbeitungsweisen empfundener Stressoren hervor. Bei der Vorstellung der deskriptiven Analyseergebnisse sind daher nicht nur die aus den Interviews hervorgegangenen Stressfaktoren zu benennen. Vielmehr gilt es, im Sinne der gewählten Analysemethode, das Wie der Erzählung näher zu fokussieren, um unterschiedliche Darstellungsweisen der Stressoren sowie deren Bewältigung zu explizieren. [1] Auf Grundlage des beschriebenen Verfahrens wurden die folgenden vier Typen gebildet, deren zentrale Eigenschaften nachfolgend kurz vor dem Hintergrund der Vergleichsdimension Geschlecht zusammengefasst und im Anschluss anhand von Interviewpassagen näher charakterisiert werden. [2]

Ÿ Typ A: Ressourcenorientierte Darstellung CC-spezifischer Anforderungen

Ÿ Typ B: Individualisierte Anpassung trotz erfahrener Stressbelastung

Ÿ Typ C: Selbstbestimmung über Lebensund Arbeitsentwürfe im Konflikt mit Stressoren

Ÿ Typ D: Akutes Belastungsempfinden bei ausbleibender Bewältigung

Typus A, der als Ressourcenorientierte Darstellung CC-spezifischer Anforderungen beschrieben wird, steht für eine konstruktive Umgangsweise mit wahrgenommenen Anforderungen und Belastungen in der Arbeitstätigkeit. Stress wird den Agents zufolge nicht als negatives Phänomen wahrgenommen. Vielmehr kennzeichnet sich der überwiegende Teil der Erzählpassagen dadurch, dass positive Bewältigungsstrategien innerhalb und außerhalb der CC-Tätigkeit vorgestellt werden. Mit Blick auf die Vergleichsdimension Geschlecht fällt auf, dass zwar ähnliche Ausgleichspräferenzen genannt werden, diese jedoch einer unterschiedlichen Funktionsweise entsprechen. Während die Darstellungsweisen männlicher Agents auf eine zweckbezogene Nutzung des sportlichen Ausgleichs zur Umgangsweise mit arbeitsbedingtem Stress deuten, beziehen sich die Befragten aus der Gruppe der Frauen auf die erfüllende Funktion sozialer, psychischer und physischer Aktivitäten.

Demgegenüber zeichnet sich Typ B durch eine Individualisierte Anpassung trotz erfahrener Stressbelastung aus. Das zentrale Merkmal dieses Typs besteht darin, dass zwar strukturelle Belastungsfaktoren – wie etwa der Zeitdruck oder die Emotionsarbeit – benannt, diese jedoch in einem weiteren Schritt relativiert werden. Aus geschlechtsreflektierender Perspektive fällt bei diesem Typus auf, dass die männlichen Interviewten bei einer direkten Konfrontation mit dem Begriff Stress zu einer Theoretisierung und Distanzierung tendieren. In der Gruppe der befragten Frauen zeigt sich, dass Stressoren im Vergleich zu den männlichen Befragten deutlicher und ausführlicher benannt werden und eigene, als erfolgreich bewertete Strategien der Umgangsweise in den Vordergrund der Erzählung gestellt werden.

Typ C bildet Stressund Bewältigungsmuster ab, die auf eine Selbstbestimmung über Lebensund Arbeitsentwürfe im Konflikt mit Stressoren verweisen. Auffallend dabei ist, dass eine starke Belastung bei gleichzeitiger Entwicklung konkreter beruflicher und außerberuflicher Bewältigungsstrategien dargestellt wird. Im Gegensatz zu Typ A und B erfolgt keine offensichtliche Anpassung an die genannten Stressoren der Arbeitstätigkeit. Vielmehr werden sie als Widerspruch zu den eigenen Arbeitsund Lebensbedürfnissen wahrgenommen. Daraus gehen Wertesysteme der Befragten hervor, die sich auf subjektive Vorstellungen von Arbeit und Leben beziehen. Kollegialität nimmt dabei sowohl für die Befragten aus der Gruppe der Männer als auch für die Frauen eine zentrale Bedeutung im Arbeitsalltag ein. Hierbei fällt jedoch eine unterschiedliche Verortung der eigenen Rolle auf. Während für die befragten Frauen die soziale Interaktion als existenznotwendige Unterstützungshilfe gilt, verstehen sich die befragten Männer als Schlüsselpersonen zur Herstellung von Kollegialität und sozialer Unterstützung.

Akutes Belastungsempfinden bei ausbleibender Bewältigung zeichnet schließlich den Typ D aus, der die Darstellungsweisen derjenigen Befragten fokussiert, aus deren Erzählungen eine starke Belastung und Erschöpfung hervorgeht. Gegenüber den anderen Typen fällt hierbei auf, dass die Beschäftigten wenige bis keine konstruktiven Strategien der Bewältigung darstellen. Außerberufliche Faktoren verstärken die Belastungssituation, ohne dass – im Vergleich zu anderen Typen – ein Rückgriff auf Ressourcen erfolgt. Vor dem Hintergrund der Vergleichsdimension Geschlecht fällt auf, dass die befragten Männer die geschilderte Funktionsunfähigkeit in Folge der Stressbelastung weniger innerhalb der CC-Tätigkeit verorten als vielmehr in Bezug auf die persönliche und individuelle Handlungsunfähigkeit im lebensweltlichen Kontext. Darüber hinaus zeigen die Darstellungsweisen der Frauen, die diesem Typ zugeordnet werden können, dass eine Stressbelastung auch bei denjenigen, die Kinder haben, nicht im Rahmen der Vereinbarkeit von Familie und CC-Tätigkeit thematisiert wird.

Vielmehr werden Belastungen in einem Prozess beruflicher und sozialer Perspektivlosigkeit begründet, der der CC-Tätigkeit zugeschrieben wird.

Nachfolgend wird die überblickhaft zusammengefasste Typologie näher erläutert und mit Hilfe ausgewählter Interviewpassagen argumentativ untermauert. Hierbei erfolgt die Deskription auf Grundlage der Agency-Analyse, die in der Auswertung des Materials eine zentrale Bedeutung einnahm (Kapitel 6.5.2).

  • [1] Zur Erklärung der damit einhergehenden Auswertungsmethode sei auf die im methodischen Vorgehen beschriebene integrative, texthermeneutische Analysemethode verwiesen (Kapitel 6.5).
  • [2] An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass das Interviewmaterial eine Fülle an Informationen über die Arbeitsbedingungen in CCn bereithält, die mit Sicherheit für die allgemeine gesundheitswissenschaftliche Bewertung des Arbeitsbereichs von Bedeutung wären. Zur weiteren Fokussierung der Forschungsfrage wird der Schwerpunkt jedoch auf diejenigen Aspekte gelegt, die eine Reflektion der Vergleichsdimension Geschlecht ermöglichen.
 
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