Problemund Ressourcenanalyse

Vor der Problemund Ressourcenanalyse ist darauf zu achten, die betrieblichen Akteure in die Planung und Durchführung von Aktivitäten eines BGM im CCSetting einzubeziehen. Zunächst empfiehlt es sich, einen Steuerkreis „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zu gründen, der alle relevanten Interessengruppen – wie Beschäftigte, Geschäftsführung, Betriebsbzw. PersonalrätIn, und Gleichstellungsbeautragte(n) –, idealerweise geschlechterparitätisch, einschließt. Um innerhalb dieses Steuerkreises für die Berücksichtigung von Geschlechtsunterschieden zu sensibilisieren, erscheint es für die Vorbereitung des Prozesses sinnvoll, einen Input mit anschließendem Austausch über mögliche Anforderungen, Erwartungen und damit zusammenhängende Belastungen und Ressourcen innerhalb der CC-Tätigkeit durchzuführen, die für Frauen und Männer von Bedeutung sind. Auf dieser Grundlage können allgemeine Projektaufträge und

-ziele formuliert werden, die eine erste Orientierung bieten.

Zur Spezifizierung der Ziele erfolgt in einem weiteren Schritt die konkrete Problemund Ressourcenanalyse mit Hilfe einer quantitativen und qualitativen Befragung der Beschäftigten, die Aspekte der Arbeitsund Lebenswirklichkeiten einschließt. Die Kernergebnisse der vorliegenden Arbeit können dazu systematisch einbezogen werden. Hier deuten die Befunde im Rahmen der Typologie und deren Diskussion nicht auf einen starren Geschlechterdualismus in der Entstehung und Bewältigung von arbeitsbedingtem Stress, sondern auf Unterschiede auch innerhalb der Darstellungsweisen der befragten Frauen und Männer. Um eine Reifizierung [1] von Geschlechtsunterschieden zu vermeiden, ist hier genauer zu prüfen, inwiefern sich Belastungen und Ressourcen zwischen Frauen und Männern unterscheiden und worin sie sich ggf. gleichen. Auf Grundlage der einleitend angeführten Kernergebnisse der qualitativen Befragung erscheint es zielführend, die Maßnahmeplanung auf folgende Schwerpunkte zu konzentrieren:

Ÿ Soziale und fachliche Unterstützung am Arbeitsplatz

Ÿ Handlungsund Entscheidungsspielraum

Ÿ Außerberufliche Ausgleichspräferenzen

Planung

Da in der Typenbildung die Bedeutung von Geschlecht vor dem Hintergrund weiterer Vergleichsdimensionen – wie die betriebliche Rolle, der Studierendenstatus und der Feldzugang – unterschiedlich interpretiert wurde, sind die Maßnahmen nicht getrennt für Frauen und Männer zu entwickeln (geschlechtsspezifisch). Gleichwohl ist von Beginn an die Relevanz von Geschlechtsunterschieden in den Lebensund Arbeitswirklichkeiten der Beschäftigten zu prüfen und als ein Analysebaustein in die Vorbereitung der Projektphasen einzubeziehen (geschlechtsreflektiert). Zur genaueren Planung einer Gender-bezogenen Gesundheitsförderung schlagen Meierjürgen und Wieland (2007) vor, auf den Ebenen Verhalten, Verhältnisse und Unternehmenskultur Interventionen zu entwickeln. Letztere beziehen sich auf „gender-bezogene Werte und Einstellungen“ (ebd., S. 188), die eine Akzeptanz des Themas fördern. [2] Dahingehend ergibt sich aus den dargestellten Befunden folgender Handlungsbedarf für den CCArbeitsbereich:

Ÿ Förderung von kollegialer Unterstützung am Arbeitsplatz

Betriebliche Präventionsbemühungen in CCn sollten sich nicht lediglich auf Rückenschulen und eine neue Bürobestuhlung reduzieren, sondern ebenfalls einen kollegialen Austausch zur Bewältigung von arbeitsbedingtem Stress fördern. Entsprechend der qualitativen Ergebnisse sind hierbei sowohl emotionale als auch fachliche Unterstützungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Denkbar sind hierbei gemeinsam gestaltete Pausen als Möglichkeit eines Austauschs. Darüber hinaus ist es aufgrund des insbesondere von den männlichen Befragten formulierten Bedarfs einer fachlichen Unterstützung empfehlenswert, eine regelmäßige kollegiale Beratung einzuführen, um sich über arbeitsplatzspezifische Konflikte und Themen in einem vertrauten

Kontext auszutauschen. [3]

Ÿ Erweiterung der Handlungsund Entscheidungsspielräume

Die starke technisierte und fremdbestimmte Arbeitsweise erfordert eine Umstrukturierung der CC-Tätigkeit. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse erscheint es zum einen zentral, die zeitliche Taktung der Gespräche zu verringern. Zum anderen sind stärkere Mitwirkungsmöglichkeiten zu implementieren, die den Beschäftigten ermöglichen, ihr Erfahrungswissen in die inhaltliche und organisatorische Gestaltung der CC-Tätigkeit einzubringen. Da diese Faktoren sowohl von Frauen als auch von Männern benannt, aber in den Ergebnissen unterschiedlich dargestellt wurden, sind geschlechtsspezifische Maßnahmen zu vermeiden. Um eine stärkere Mitbestimmung in Bezug auf die technischen und inhaltlichen Vorgaben zu ermöglichen, sind die Beschäftigten z. B. in der Gestaltung des Gesprächsleitfadens für die Inund Outbound-Telefonate einzubeziehen. Damit ist es ebenso möglich, die Agents als ExpertInnen ihres eigenen Arbeitsumfelds zu verstehen.

Ÿ Einrichtung von Sportund Fitnessmöglichkeiten

Neben Maßnahmen zur Verhältnisprävention erfordern die aus der CCTätigkeit resultierenden einseitigen Bewegungsabläufe einen körperlichen Ausgleich. Hier können Angebote im Rahmen von Betriebssport bereitgestellt werden. Gleichwohl ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse zu beachten, dass die befragten Frauen ihren außerberuflichen Ausgleich in starker Abgrenzung von der CC-Tätigkeit formulieren. So ist darauf zu achten, die Angebote nicht generell betriebsgebunden bereitzustellen. Um dies zu berücksichtigen können CC-Betriebe z. B. Verträge mit außerbetrieblichen Fitnessstudios schließen und eine Mitgliedschaft bezuschussen.

Zur Umsetzung dieses Handlungsbedarfs empfehlen Meierjürgen und Wieland (2007) einen Gender-orientierten Gesundheitszirkel. [4] Dieser soll den inhaltlichen Rahmen zukünftiger Interventionen planen bzw. vorschlagen und im weiteren Verlauf eines Projekts regelmäßig zusammentreffen. An dieser Stelle ist allerdings zu erwähnen, dass die Transparenz jeglicher Ergebnisse und Fortschritte dieses „ExpertInnen-Gremiums“ gegenüber der Belegschaft gewährleistet sein muss, um die Akzeptanz des Projekts sicherzustellen. Die Entstehung einer Informations-Hierarchie widerspräche dem partizipativen Grundgedanken.

Um dem entgegen zu wirken, empfehlen sich z. B. die Veröffentlichung von Newslettern und Aushängen sowie ein regelmäßig stattfindendes offenes Gesundheitsforum im Betrieb.

  • [1] Zur begrifflichen Erklärung siehe Kapitel 2.1.1.
  • [2] Als unterstützendes Instrument für die konkrete Planung bietet sich die von dem Schweizer Qualitätssystem quint-essenz entwickelte Planungstabelle an (Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, 2014a).
  • [3] Zur Methode der kollegialen Beratung siehe ebenfalls die Ausführungen der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz (2014b).
  • [4] Gesundheitszirkel dienen seit über 25 Jahren der systematischen Klärung und Ermittlung von betrieblichen Belastungen und Ressourcen durch ein homogenes oder interdisziplinär zusammengesetztes Team, das durch partizipative Instrumente eine Verbesserung der Arbeitssituation auf personeller und struktureller Ebene vorsieht (Schröer & Sochert, 2012).
 
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