Pflegeeinrichtungen

Auch im Bereich der Pflegeeinrichtungen beschränkt sich der Einfluss der Länder auf die Investitionen, sodass sich die Erhebung der Steuerungswerte allein auf diesen Aspekt bezieht. Anders als in den Bereichen Kinderbetreuungsund Krankenhausfinanzierung besitzen die als bedarfsgerecht anerkannten Einrichtungen keinen Rechtsanspruch auf Fördermittel. Die Ermittlung des Anteils an angebotsorientierter Förderung an den Gesamtkosten setzt sich daher sowohl aus der geleisteten Förderhöhe als auch aus dem Anteil der geförderten Plätze zusammen.

Die konkrete Berechnung des Steuerungswertes Hierarchie erfolgt mittels der folgenden Formel:

Steuerungswert = Anzahl der durch Objektforderung geschaffenen Platze x Forderquote

Anzahl aller neuentstandenen bedarfsgerechten Platze

Dieser Berechnung liegt die Annahme zugrunde, dass die durchschnittlichen Investitionskosten bei geförderten Plätzen und nicht geförderten Plätzen identisch sind. Die neuentstandenen Plätze umfassen auch modernisierte und sanierte Plätze.

Die Förderquote wurde den Landesgesetzen und den dazugehörigen Rechtsverordnungen entnommen. Dabei musste mangels genauerer Angaben davon ausgegangen werden, dass die Förderhöhe stets vollständig gewährt wurde. Notwendig für die Berechnungen sind zudem Angaben zur Anzahl der durch Objektförderung geschaffenen Plätze sowie zum Neubauund Modernisierungsbedarf.

1) Anzahl der geförderten Plätze

Die Anzahl der durch Beteiligung staatlicher Objektförderung entstandenen Plätze wurde für die ostdeutschen Länder dem Abschlussbericht zum Investitionsprogramm nach Artikel 52 PflegeVG entnommen (BMG 2010: 13). Für Berlin wurden darüber hinausgehende Informationen durch die zuständige Senatsbehörde zur Verfügung gestellt.

Die Zahlen für die Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wurden auf Grundlage von Förderlisten erstellt, die von den Ländern zur Verfügung gestellt wurden. Mit der Ausnahme von Nordrhein-Westfalen enthielten diese Listen keine durchgängigen Angaben zu der Anzahl der geförderten Plätze, sondern lediglich namentliche Angaben der geförderten Einrichtungen. In diesen Fällen wurde die Platzanzahl der Einrichtungen aus den Landespflegeeinrichtungsverzeichnissen herausgelesen. Dabei wurde jeweils das Pflegeeinrichtungsverzeichnis gewählt, das in einem zeitlichen Abstand von 5 Jahren auf den Förderbeginn folgte. In diesem Zeitraum waren die Bauarbeiten zumeist abgeschlossen, aber ein möglicher neuerlicher Ausbau der Platzkapazitäten noch nicht erfolgt. Für Hessen wurde zudem auf Informationen aus Antworten auf zwei Kleine Anfragen zurückgegriffen (Hessischer Landtag DRS 15/2994; Hessischer Landtag DRS 18/5179).

Die Länder Bremen und Saarland haben keine vollstationären Pflegeeinrichtungen durch eine Objektförderung finanziert.

Niedersachsen und Rheinland-Pfalz sind die einzigen Länder, die mittels Objektförderung gefördert haben, zu denen von den Ländern aber keine Informationen bezüglich der geförderten Einrichtungen bzw. der Anzahl der geförderten Plätze zur Verfügung gestellt werden konnten. Für Niedersachsen wurde die Anzahl der geförderten Plätze auf Grundlage der in den Haushaltsrechnungen ausgewiesenen Ausgaben und der Antwort auf eine Große Anfrage ermittelt (Niedersächsischer Landtag DRS 14/1067: 14). Die Angaben für Rheinland-Pfalz wurden auf Basis der in den Haushaltsrechnungen ausgewiesenen Kosten und der im Landespflegegesetz vorgeschriebenen Förderquote geschätzt.

2a) Neubaubedarf

Viele Länder weisen in ihren Landespflegegesetzen die Vorhaltung einer bedarfsgerechten Versorgungsstruktur als Ziel aus. Bedarfsgerecht bedeutet dabei jedoch nicht nur die Schaffung ausreichender Kapazitäten, sondern auch die Verhinderung von Überkapazitäten (Rothgang 2007: 171). Geringe Auslastungen verteuern die Pflegekosten und sind daher sowohl aus Sicht der Pflegebedürftigen, als auch aus Sicht der örtlichen Träger der Sozialhilfe zu vermeiden. Die Möglichkeiten der Länder, den Markteintritt zusätzlicher Anbieter zu verhindern, sind jedoch äußerst gering, wie in Kapitel 7. Insofern ist das einzige erreichbare Ziel der Landessteuerung in Bezug auf die Quantität die Schaffung ausreichender Pflegekapazitäten. Solange diese vorhanden sind, ist der Auftrag des Landes erfüllt. Aus diesem Grund wird nicht die Anzahl aller neuentstandenen Plätze als Divisor gewählt, sondern die Anzahl der neuentstandenen zur Bedarfsdeckung notwendigen Plätze.

Zur Berechnung der bedarfsgerechten Plätze wurden in der Bedarfsplanung in den Ländern verschiedene Methoden angewendet. Einige Länder haben mit festen, einheitlichen Bedarfsrichtwerten pro tausend Bewohner einer bestimmten Altersgruppen (65+ oder 75+) gerechnet (vgl. z.B. § 13 LPflegeHGDVO, RheinlandPfalz). Eine solche Vorgehensweise lässt jedoch regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme außer Acht. In dieser Arbeit wurde der Bedarf auf Grundlage der tatsächlichen Inanspruchnahme berechnet. Dabei wurde der Bedarf an neu zu errichtenden Plätzen als Differenz zwischen der Anzahl der existierenden Plätze zu einem Zeitpunkt und der Anzahl der belegten Plätze zwei Jahre später berechnet. Denn für diese Anzahl pflegebedürftiger Personen hätte ohne einen Neubau kein Angebot bereitgestanden.

Die Berechnung erfolgte auf Kreisebene als kleinster Einheit, die durch die Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes ausgewiesen wird, da der Bedarf möglichst wohnortnah gedeckt werden soll. Eine Berechnung auf Landesebene würde dazu führen, dass Überkapazitäten in einem Landesteil Versorgungslücken in einem anderen ausgleichen würden. Der Kreisvergleich wird durch das Statistische Bundesamt erst seit 2003 bereitgestellt. Daher wurden die Werte für die Jahre 1999 und 2001 eigenständig aus den Mikrodaten der Pflegestatistik ausgelesen (FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder 1999, 2001).

2b) Modernisierungsbedarf bestehender Pflegeplätze

Zusätzlich zu der Schaffung neuer Platzkapazitäten, bedarf es auch der kontinuierlichen Erneuerung bestehender Einrichtungen. Nach Einschätzung des Pflegemarktberichts der Avivre Consult GmbH gelten 25 bis 30 Prozent der Pflegeeinrichtungen gemessen an den gesetzlichen bzw. branchenüblichen Standards als veraltet (Ernst & Young 2011: 26). Eine von Ernst & Young durchgeführte Befragung unter deutschen Pflegeeinrichtungsbetreibern kommt zu dem Ergebnis, dass 37 Prozent der Einrichtungen in Westdeutschland und acht Prozent der Einrichtungen in Ostdeutschland sanierungsbedürftig sind. Angesichts dieser Zahlen sehen die Verfasser der Studie einen jährlichen Erneuerungsbedarf von zwei Prozent der bestehenden Kapazitäten als realistisch an (Ernst & Young 2011: 26). Sie beziehen sich dabei auf eine gleichlautende Annahme, die entsprechenden Berechnungen des Pflegeheim-Rating Reports 2009 zugrunde gelegt wurde (Augurzky et al. 2009: 76).

Eine schlüssige Begründung für einen jährlichen Modernisierungsbedarf von zwei Prozent wird in der Literatur nicht angeboten. Er ließe sich zwar auf Basis der herkömmlichen Abschreibungsfristen von 50 Jahren für Gebäude berechnen, würde aber bedeuten, dass Pflegeeinrichtungen tatsächlich erst nach Ablauf von 50 Jahren wieder modernisierungsbedürftig wären. Zahlen für Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2008 zeigen jedoch, dass Einrichtungen bereits vor Ablauf von 50 Jahren erheblichen Modernisierungsbedarf aufweisen (TU Dortmund 2009: 212f.).

Die Annahme eines konstanten, prozentualen jährlichen Erneuerungsbedarfs an der Gesamtplatzkapazität führt zudem zu der unsinnigen Situation, dass ein schneller Ausbau der Betreuungskapazitäten, wie er seit Inkrafttreten des PflegeVGs zu beobachten ist, verantwortlich für einen höheren Modernisierungsbedarf wäre.

Aus diesen Gründen wird das oftmals verwendete Verfahren, den Modernisierungsbedarf mit zwei Prozent der gegenwärtigen Pflegeplatzkapazitäten anzunehmen, abgelehnt. Stattdessen folgt diese Arbeit einem Berechnungsverfahren, das in einer Auftragsstudie des Bundeswirtschaftsministeriums angewendet wurde und auf der Einschätzung eines Forschungsbeirats und Experteninterviews beruht (an der Heiden et al. 2012). Es geht davon aus, dass Pflegeeinrichtungen bei unveränderten Einrichtungsstandards nach dreißig Jahren modernisiert werden müssen. Der Erneuerungsbedarf liegt somit bei 3,3 Prozent. Dieser Schlüssel wird allerdings nicht auf den jeweils aktuellen Bestand, sondern auf einen Anfangsbestand angelegt (an der Heiden et al. 2012: 48).

Für diese Arbeit wäre es sinnvoll, den Bestand an Pflegeeinrichtungsbetten vor Inkrafttreten des PflegeVGs für den stationären Sektor im Jahr 1996 als Basis zu wählen. Leider liegen die ersten verlässlichen und zeitlich wie räumlich vergleichbaren Zahlen erst seit der ersten Erhebung der amtlichen Pflegestatistik im Jahr 1999 vor. In der Zeit davor, wurde zwar von den einzelnen Ländern eine Heimstatistik geführt, diese gehörte jedoch nicht zur amtlichen Statistik, sondern lag in der Verantwortung der Ministerien in den Ländern. Bundeseinheitliche Vorgaben gab es nicht und die Angaben sind nicht immer vollständig (PreCura Institut 2002: 4f.). Ein weiterer erheblicher Nachteil liegt darin, dass die Heimstatistik zwar die Anzahl an Pflegeplätzen in Altenpflegeheimen und mehrgliedrigen Einrichtungen ausweist, nicht jedoch Pflegeplätze in anderen Einrichtungsarten, in denen auch Pflegebedürftige betreut wurden (Krug/Reh 1992: 34). Aus diesem Grund ist „diese Statistik gerade zur Beantwortung der Frage nach der Zahl der Pflegeplätze in allen Einrichtungen ungeeignet“ (Rothgang 1997: 71, Fn. 36). Versuche, die Heimstatistik mit der Pflegestatistik in Einklang zu bringen (PreCura Institut 2002: 18f.), können nicht überzeugen. Zwar liefern sie für die Bundesebene scheinbar ähnliche Zahlen, doch wendet man das vorgeschlagene Verfahren auf Länderebene an, ergeben sich teilweise große Abweichungen zur amtlichen Pflegestatistik, die doch eher auf eine zufällige Übereinstimmung der für die Bundesebene harmonisierten Zahlen hinweisen.

Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Arbeit zur Berechnung des Modernisierungsbedarfs zwangsläufig auf die Pflegeplatzkapazitäten aus dem Jahr 1999 zurückgegriffen. Es wird davon ausgegangen, dass unabhängig von einer möglichen Landesförderung eine Erneuerung von 3,3 Prozent der Plätze pro Jahr erfolgt, sodass sich der Modernisierungsbedarf pro Jahr entsprechend verringert.

Für die ostdeutschen Länder wurde ein gesondertes Verfahren angewendet, da fast die komplette bestehende Pflegeinfrastruktur erneuerungsbedürftig war. In einem ersten Schritt wurde festgestellt, wie viele vollstationäre Pflegeplätze zu Beginn der Förderung gemäß dem Investitionsprogramm Artikel 52 PflegeVG bereits in ausreichender Qualität bestanden. Dazu gehörte zum einen der kleine Prozentsatz an Einrichtungen aus der DDR-Zeit, die den Anforderungen entsprachen, sowie die 1991 bis 1994 durch Landesfördermittel renovierten Einrichtungen. Die Angaben stammen überwiegend aus dem Abschlussbericht zum Investitionsprogramm nach Artikel 52 PflegeVG (BMG 2010: 13). Für die Länder Berlin und Brandenburg wurden darüber hinausgehende Informationen durch die zuständige Senatsbehörde/ das Ministerium zur Verfügung gestellt. Weitere Angaben für Sachsen wurden einer Publikation des Sozialministeriums entnommen (Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie 2000), für Sachsen-Anhalt der Antwort auf eine Große Anfrage (Landtag von Sachsen-Anhalt DRS 3/1805: 61). Für Angaben zu Berlin wurde auf den Landespflegeplan 1996 zurückgegriffen (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales 1996)

In einem zweiten Schritt wurde der Bedarf an Pflegeplätzen zum Ende der Investitionsförderung durch das Land ermittelt. Hierfür wurde die tatsächliche Inanspruchnahme zu diesem Zeitpunkt aus der Pflegestatistik entnommen. Endete das Programm in einem Jahr, in dem keine Informationen durch die Pflegestatistik ermittelt wurden, wurde das arithmetische Mittel aus dem Vorund dem Folgejahr gebildet. Die Differenz zwischen dem vormaligen Bestand und der späteren Inanspruchnahme wurde als Förderbedarf betrachtet und gleichmäßig auf die Jahre des Investitionsprogramms verteilt.

Mittels der erhobenen bzw. geschätzten Zahlen zu den geförderten Plätzen, dem Neubau und dem Modernisierungsbedarf werden die Steuerungswerte in Bezug auf die Anreizstruktur berechnet. Eine belastbare Zuschreibung der Werte zu einem einzelnen Jahr ist jedoch aufgrund der dünnen Datenlage und den deshalb zu treffenden Annahmen kaum möglich. Aus diesem Grund werden die Werte immer über einen längeren Förderzeitraum berechnet. Grundlage für die Bestimmung der Perioden ist die Förderaktivität und die zugrundeliegende Gesetzgebung. Auf diese Weise werden für Zeiträume, die eine erkennbar gleiche Steuerungslogik aufwiesen, einheitliche Steuerungswerte berechnet. Hierfür werden die jährlichen Zahlen aufaddiert und die Ergebnisse auf alle Jahre angewendet.

In Ländern, die nachgeordneten Ebenen keine eigenständige Investitionsverpflichtung zuweisen, sondern diese lediglich an den Kosten der eigenen Investitionsprogramme beteiligen, wird der nicht geförderte Anteil als Marktsteuerung gewertet.

Für Länder, die den nachgeordneten Ebenen hingegen eine eigenständige Investitionstätigkeit zuschreiben, besteht der Steuerungswert Markt in dem Eigenanteil, den die Träger bei geförderten Einrichtungen zu tragen haben. Die Höhe der Zuwendung ist abschließend geregelt, sodass der nicht geförderte Anteil von dem Träger erbracht werden muss und die Kosten später gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI am Markt realisiert werden müssen. Die Investitionen für die nicht geförderten Einrichtungen werden hingegen dem Steuerungswert Delegation zugeschrieben, da es den nachgeordneten Ebenen überlassen bleibt, inwiefern sie eigene Investitionsprojekte fördern. Sollten allerdings die Förderkonditionen durch das Land vorgegeben sein, wird von diesem Anteil die vorgesehene Selbstbeteiligung abgezogen und der Steuerungsform Markt zugeschrieben.

Eine Netzwerksteuerung hat in keinem der Länder stattgefunden.

 
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