Strategien Kultur und Medien
Gegenöffentlichkeit und Aufbruch im Netz Welche strategischen Funktionen erfüllen Websites und Angebote im Web 2.0 für den deutschen Rechtsextremismus?
Thomas Pfeiffer
Einleitung
Das Internet ist ein Schaufenster des deutschen und internationalen Rechtsextremismus. Das gilt schon lange für das World Wide Web und inzwischen mehr noch für das Web 2.0: für soziale Netzwerke, Videoplattformen und andere interaktive Dienste. Kaum eine Szene-Gruppe verzichtet darauf, im Netz auf sich aufmerksam zu machen – mal krude und provokant, mal in adrettem Design und mit gewählter Sprache. Mit mehr oder minder aufwändigen Websites und Profilen sind rechtsextremistische Parteien im Netz vertreten, neonazistische "Aktionsgruppen" und "Kameradschaften", Bands und Online-Vertriebe, Zeitungen, Zeitschriften und Verlage, pseudowissenschaftliche Rassisten, Holocaust-Leugner, selbst ernannte "Reichsbürger", neurechte Intellektuelle und obskure Zirkel. Hinter den Seiten stehen teils Gruppen und Organisationen, die auch in der realen Welt zu den Motoren rechtsextremistischer Mobilisierung zählen, teils Splittergruppen oder Randfiguren, die sich als gewichtige Instanzen "der Bewegung" inszenieren. Was von beidem der Fall ist, ist im Netz nicht immer auf Anhieb zu unterscheiden.
Die Präsenz der Szene im Netz ist fast so alt wie das Internet selbst – seit es vom Kommunikationsforum für militärische und wissenschaftliche Teilöffentlichkeiten in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren zum preiswerten Massenmedium mit stetig sinkenden Zugangsschwellen geworden ist, sind Rechtsextremisten beteiligt. Ein näherer Blick auf die Funktionen, die computergestützte Kommunikation für diese Szene leisten kann, zeigt, dass diese Kommunikation gerade im Zuge des Veränderungsund Modernisierungsprozesses des Rechtsextremismus seit den 1990er Jahren strategische Vorzüge bietet. Rechtsextremisten sind sich dessen bewusst, in ihrem Medienmix nimmt das Netz heute den zentralen Platz ein. Wie haben sich rechtsextremistische Internetangebote entwickelt? Welche Funktionen erfüllen sie für die strategischen Ziele der rechtsextremistischen Szene? Fragen wie diesen geht der folgende Beitrag an Beispielen nach.