Steuerungstypen

Die vorangegangenen Ausführungen haben die Vielfalt der Bestimmungen der Länder zur Sicherstellung der Kinderbetreuungsinfrastruktur aufgezeigt. Gleichsam wurde der Versuch unternommen, die im Detail und in ihren konkreten Instrumenten sehr unterschiedlichen Regelungen auf vier wesentliche Vergleichsdimensionen und vier Steuerungsformen abzubilden. In einem letzten Schritt werden diese Ergebnisse mithilfe einer Clusteranalyse zu Steuerungstypen verdichtet.

Die Ergebnisse der Clusteranalyse sind äußerst robust über verschiedene Distanzmaße hinweg. Dabei lassen sich die Länderregelungen in eine fünfgliedrige Clusterstruktur unterteilen, die im Großen und Ganzen den vier Steuerungsformen zuzuordnen sind. Die Logiken der vier Steuerungstypen werden im Folgenden idealtypisch beschrieben. Nicht alle Fälle, die dem jeweiligen Cluster in Tabelle 6 zugeordnet wurden, entsprechen in allen ihren Ausprägungen diesen Beschreibungen. Auf die Abweichungen in den einzelnen Ländern wird nicht gesondert eingegangen, da die Regelungen der Länder bereits in den vorigen Ausführungen im Einzelnen dargelegt wurden. An dieser Stelle geht es vor allem darum, die Steuerungstypen idealtypisch in ihrer Logik und ihren Steuerungsinstrumenten voneinander abzugrenzen.

Tabelle 6: Steuerungstypen in Bezug auf die Kindertagesstätten

Der hierarchische Steuerungstyp ist charakterisiert durch ein hohes Maß staatlicher Vorgaben in Bezug auf die untersuchten Dimensionen im Bereich der Kinderbetreuung. Zentrales Instrument einer solchen Politik ist die Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII, die auf einer kommunalen Bedarfsplanung fußt. Die Förderung der öffentlichen Hand erfolgt angebotsorientiert. Die Einrichtungsbetreiber erhalten Zuschüsse, damit sie ein politisch gewolltes Angebot vorhalten. Die Bezuschussung erfolgt anteilig an den tatsächlich anfallenden Betriebskosten. Durch die Bindung der Vergabe von Fördermitteln an die Aufnahme in die kommunale Planung soll gewährleistet werden, dass das Leistungsangebot mit den politischen Vorstellungen übereinstimmt. Auf diese Weise wird ein Primat der Politik über den Markt festgeschrieben. Das Land hat die Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand abschließend oder zumindest zu einem sehr hohen Grad geregelt. Ein Gestaltungsspielraum der nachgeordneten staatlichen Ebenen bei der Festlegung ihres Finanzierungsanteils besteht somit kaum. Gemäß der Logik der Subventionsfinanzierung ist die öffentliche Förderung jedoch lediglich als Zuschuss zu den Betriebskosten des Trägers gedacht. Über den nichtgeförderten Kostenanteil kann somit grundsätzlich der Träger entscheiden.

Der zweite Steuerungstyp wird als wettbewerbsorientierte Hierarchie beschrieben. Im Wesentlichen entspricht er dem ersten Steuerungstyp mit dem Unterschied, dass die Förderung der Betriebskosten nicht von einer Aufnahme in die Bedarfsplanung abhängt. Dadurch haben bestehende und neue Einrichtungsbetreiber deutlich mehr Freiheiten bei der Festlegung ihres Angebots.

Der marktorientierte Steuerungstyp zeichnet sich durch den Verzicht auf staatliche Vorgaben und eine hohe Wettbewerbsorientierung aus. Der Wettbewerbscharakter des Steuerungsmodells tritt am stärksten in der Anreizstruktur zutage. Die Finanzierung von Kindertagesstätten erfolgt nur für tatsächliche belegte Plätze, sodass die Betreiber gehalten sind, sich aktiv am Markt zu positionieren und sich um „Kunden“ zu bemühen. Die Vorgaben des Landes in Bezug auf die Leistungsstandards beschränken sich zumeist auf Mindestvorgaben. Einer freien Gestaltung durch die Träger sind durch Bundesrecht enge Grenzen gesetzt, da § 45 SGB VIII eine Festlegung von Mindeststandards bei der Erteilung der Betriebserlaubnis nahelegt.

Wie die Ausführungen zu den Steuerungsinstrumenten in Kapitel 2.3 dargelegt haben, handelt es sich bei den betrachteten Sozialmärkten nicht um genuine Märkte als staatsferne Angelegenheit, sondern um einen staatlich induzierten Wettbewerb. Der Markt ist lediglich ein Instrument zur Erfüllung staatlich vorgegebener Ziele. Dies zeigt sich zum einen in Hinblick auf die Finanzierungsstruktur. Ein Preiswettbewerb zwischen den Einrichtungen ist selbst in marktorientierten Steuerungsverfahren nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Um zu verhindern, dass die Wettbewerbsorientierung des Systems zu einer sozialpolitisch unerwünschten Preisbildung führt, sind die Finanzierungsaspekte weitestgehend vom Land oder in Vereinbarungen geregelt. Zum anderen nehmen einige Länder trotz leistungsorientiertem Vergütungssystem weiterhin eine Bedarfsplanung vor, um das Angebot zu steuern. Idealtypisch wird hingegen über das vorgehaltene Angebot bei einer marktorientierten Steuerung nicht in einem Planungsprozess, sondern am Markt entschieden.

Der Typ der Netzwerksteuerung findet in seiner reinen Anwendung – d.h. einer vollständigen Regulierung der unterschiedlichen Aspekte – allein in Berlin (19912005) Anwendung. Die übrigen Fälle dieses Clusters zeichnen sich durch Verhandlungselemente auf kommunaler Ebene aus, in denen das Förderverfahren und die Art der Förderung vertraglich zwischen Einrichtungsbetreiber und Kommune geregelt werden. In diesen Ländern ist die Netzwerkkomponente erst nachträglich als Modifizierung des kommunalen Finanzierungsauftrages in das bestehende System eingefügt worden. Die Förderverpflichtung der Kommunen wurde dahingehend verändert, dass sie mit dem Einrichtungsbetreiber individuelle Vereinbarungen einzugehen haben, in der die konkrete Ausgestaltung der kommunalen Förderung dargelegt wird. Die Einflussnahme des Landes auf die innere Struktur der Einrichtungen ist verhältnismäßig hoch. Das Land, das über das Förderverfahren relativ wenig Einfluss nimmt, sucht die Qualität des Leistungsangebots durch eine Regulierung der Leistungsstandards zu sichern.

Der Steuerungstyp der Delegation zeichnet sich durch eine nahezu vollständige Zurückhaltung des Landes in Bezug auf das Finanzierungsverfahren aus. Ende der 1990er Jahre äußerte der damalige niedersächsische Innenminister Glubowski, dass ein Kindergartengesetz nur zwei Paragraphen bräuchte: einen zur Regelung der ausschließlichen kommunalen Zuständigkeit, den zweiten zur sofortigen Inkraftsetzung (Diller 1998: 104). Von der grundlegenden Logik entspricht dieser Gedanke den Prinzipien des Steuerungstyps der Delegation. Mit Ausnahme des Landesanteils an der Förderung sind keine weiteren Aspekte der Finanzierung durch das Land geregelt. Förderhöhe, Anreizstruktur und die Notwendigkeit einer Aufnahme in die kommunale Bedarfsplanung werden auf kommunaler Ebene entschieden. In Abwesenheit jeglicher Einflussnahme mittels des Finanzierungsverfahrens hat das Land die Standards der Leistungserbringung hierarchisch reguliert, um auch im Rahmen vollständiger kommunaler Verantwortung die Qualität sicherzustellen.

 
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