Spezifizierung in Bezug auf die Stabilität von Steuerungsformen

Um die Wirkungsmacht von Pfadabhängigkeit in Bezug auf die Stabilität von Steuerungsformen postulieren zu können, bedarf es der Identifizierung von Faktoren, die eine Änderung der Steuerungsform unwahrscheinlich werden lassen. Für die Wohlfahrtsarrangements auf kommunaler Ebene sieht Grohs (2010: 244-246) die Hauptursache der Persistenz in der selbstverstärkenden Wirkung neokorporatistischer Strukturen. Aufgrund der andersgearteten Kompetenzen auf lokaler Ebene sind diese Ergebnisse jedoch nicht auf die Länderebene übertragbar, denn die „dezentrale, kommunale Ebene ist seit jeher die eigentliche korporatistische Handlungsebene der Wohlfahrtsverbände“ (Heinze/Strünck 1996: 297-298).

Für die Länderebene lassen sich vor allem zwei Ursachen formulieren, die zur Stabilisierung von bestehenden Steuerungsformen beitragen könnten. Eine Begründung kann in dem strukturell bedingten Konservatismus der Ministerialverwaltung vermutet werden. So hat Kapitel 8.2.2.2 gezeigt, dass Sachfragen im Rahmen der gegebenen Referatsstruktur eher kleinteilig adressiert werden und die Methode der negativen Koordination eine umfassendere Bearbeitung erschwert. Dieser Hang zum Inkrementalismus wirkt grundsätzlich pfadstabilisierend, kann jedoch z.B. überwunden werden, wenn politische Vorgaben eine Umstellung verlangen.

Eine weitere Ursache kann in der bestehenden Machtund Kompetenzverteilung, die mit jeder Steuerungsform einhergeht, vermutet werden. Am deutlichsten wird diese These in Bezug auf die Steuerungsform der Delegation, der zufolge ein Akteur Entscheidungsverantwortung an andere Akteure abtritt. Grundsätzlich steht es ihm frei, sich seine Entscheidungskompetenz jederzeit zurückzuholen. Jedoch ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Änderung der Kompetenzverteilung in der Praxis oftmals schwierig sein dürfte. Zum einen haben sich die Akteure im Feld in ihrem Verhalten an dem geltenden Arrangement ausgerichtet, sodass eine Umstellung der Steuerung auf Widerstand treffen würde.

[I]f such delegation develops to be perceived by the public as part of the government's institutional structure, it can be interpreted as part of the de facto-constitution, and therefore, its revocation or amendment cannot be done as easily as its creation. In other words, pathdependence might be relevant (Voigt/Salzberger 2002: 292).

Zum anderen ist mit der Kompetenzverteilung auch eine entsprechende Finanzierungsverantwortung verbunden. Der Gedanke, dass derjenige Akteur, der eine kostenverursachende Regelung vorschreibt, auch für die Deckung der Kosten verantwortlich ist, hat inzwischen in Form des Konnexitätsprinzips Eingang in alle Landesverfassungen gefunden (vgl. Kapitel 5.2.3.1). Spätestens seit Einführung des Konnexitätsprinzips ist somit eine Rückholung delegierter Entscheidungskompetenz für die Länder mit Kosten verbunden. Die Kompetenzverteilung ist daher als pfadabhängig zu charakterisieren.

 
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