Einleitung
Rückblende: "Rechtsextremismus bei Frauen: Die Gefahr in unserer Mitte" – "Rechtsextreme Frauen wollen Gesellschaft unterwandern" – "Türöffner in die Gesellschaft". Mit solchen und ähnlichen Schlagzeilen waren Artikel aus dem Sommer 2008 überschrieben. Die mediale Öffentlichkeit hatte, so schien es, ein Thema für sich entdeckt: Frauen und Rechtsextremismus. Lange Zeit widmete man dem Wirken von Frauen am rechten Rand keine oder nur unzureichende Aufmerksamkeit. Zu unspektakulär traten sie in Erscheinung, nämlich nicht als Gewalttäterinnen, die zuschlugen, sondern als Akteurinnen im Hintergrund. Ihr politisches Engagement wurde entweder nicht gesehen oder unterschätzt. Erst als sich der Blick für subtilere Formen rechtsextremer Aktivitäten schärfte, die schleichende Unterwanderung von Vereinen und Verbänden als Bedrohung wahrgenommen wurde, gerieten Frauen und Mädchen mehr und mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Ihnen scheint es weitaus besser zu gelingen, sich dort zu bewegen, wo rechtsextreme Parteistrategen so gerne sein wollen: in der "Mitte des Volkes". Als ehrenamtlich Tätige wirken Rechtsextremistinnen in Elternbeiräten mit, geben Unterricht in Sportvereinen, organisieren Mutter-Kind-Treffen, Sonnenwendfeiern, bieten Fahrdienste an etc. Ihre politische Ideologie verstecken sie zwar nicht, aber mit offensiven und plakativen Aussagen üben sie zunächst Zurückhaltung.
Klischeevorstellungen über rechtsextreme Frauen machen ihr Wirken leicht. Kaum eine der aktiven Rechtsextremistinnen sieht aus wie aus einem BDM-Film entsprungen – mit Zöpfen und langen Röcken – oder läuft martialisch gekleidet als Skingirl durch die Gegend. Es sind erschreckend normale Mädchen und Frauen, die sich ganz rechts engagieren. Sie entstammen allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen – bilden einen Querschnitt durch die Bevölkerung. Gemeinsam ist ihnen ein völkisches Weltbild: Sie sind Rassistinnen, Antisemitinnen, extreme Nationalistinnen. Sie bekämpfen den demokratischen Staat, das ihnen verhasste System. Doch so lange sich das Bild der friedfertigen Frau hält, die resistenter ist gegenüber rechtsextremen Welterklärungsmodellen, werden die braunen Kameradinnen als politische Akteurinnen nicht wirklich wahrund ernstgenommen. Wenn sie auf Staat und Gesellschaft schimpfen, soziale Schieflagen beklagen, nach Kindergärten und Schulen suchen, in denen der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund möglichst gering ist, sind sie zudem in ihrer Denkweise und Argumentation nicht so weit entfernt vom gesellschaftlichen Mainstream.
Als ganz normale Frauen, die von ihrem Umfeld keineswegs ausgegrenzt werden, sehen sich auch jene Rechtsextremistinnen, die im dritten Teil dieser Untersuchung vorgestellt werden. Sie gehören unterschiedlichen Spektren des Rechtsextremismus an und verkörpern Frauentypen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Als "Volksmutter" mit acht Kindern leistet die eine ihren Beitrag für die "nationale Sache", die anderen bringen sich ein als politische Kämpferinnen, kritisieren das Patriarchat und postulieren sogar einen "Nationalen Feminismus". Die Fallstudien illustrieren nicht zuletzt das, was den modernen Rechtsextremismus heute so stark macht. Er ist nicht festgelegt auf bestimmte Verhaltensweisen oder Rollenbilder, sondern offen für verschiedene Spielarten des Engagements, wenn sie denn nur der "nationalen Sache" dienen und helfen, seine Basis und Ausstrahlkraft zu erweitern.
Die extreme Rechte ist zwar ein politischer Bereich, der immer noch stark von Männern dominiert wird, er war aber noch nie ein reines Männerphänomen. In den ersten Teilen dieser Abhandlung wird es darum gehen, zu zeigen, in welchem Ausmaß Frauen und Mädchen im deutschen Rechtsextremismus verstrickt sind und welche Entwicklungstendenzen sich gegenwärtig abzeichnen.