PsychKG-Unterbringung und BGB-Verwahrungsunterbringung
Sowohl im PsychKG NRW als auch im BGB liegt einer Unterbringung dieselbe Definition zugrunde, nämlich dass eine Unterbringung dann vorliegt, wenn dem Betroffenen die Freiheit ohne oder gegen dessen Willen entzogen wird. Wenn er mit einer Klinikeinweisung und dem Aufenthalt auf einer geschlossenen psychiatrischen Station einverstanden ist, handelt es sich nicht um eine freiheitsentziehende Unterbringung, sondern um eine freiwillige Einweisung, die keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung / Anordnung bedarf. Damit die Einweisung auf eine geschlossene psychiatrische Station auf freiwilliger Basis erfolgen kann, muss der Betroffene rechtswirksam einwilligen können; hierfür muss er einwilligungsfähig[1] sein. Man kann sich auch noch während der Unterbringung für einen freiwilligen Klinikaufenthalt entscheiden. Daraufhin wird die ursprünglich zwangsweise Unterbringung in einen freiwilligen Klinikaufenthalt umgewandelt: Aufgrund der erklärten Freiwilligkeit fallen die Unterbringungsvoraussetzungen weg, denn um eine Unterbringung im rechtlichen Sinne handelt es sich nur dann, wenn die Einweisung / der Klinikaufenthalt zwangsweise erfolgt. (Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 8-9, 15, 28; Marschner 2014b, S. 344; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 26-27, 208; 223-224, 282-283; Hell 2013, S. 500; Lamberz 2013, S. 75).
Der wesentliche Unterschied zwischen einem zwangsweisen und einem freiwilligen Klinikaufenthalt liegt in den Entlassmöglichkeiten: Im Gegensatz zu einem zwangsweisen Aufenthalt, bei dem der Betroffene die Klinik nicht eigenmächtig verlassen darf, kann er bei einem freiwilligen Aufenthalt seine Einwilligung jederzeit widerrufen, d.h. er kann jederzeit seine Entlassung einfordern und darf dann auch nicht länger in der Klinik festgehalten werden, es sei denn, es liegt im gegenwärtigen Moment eine akute Gefährdung vor, die wiederum eine Unterbringung gegen seinen Willen rechtfertigen würde. (Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 9; Brosey und Osterfeld 2013, S. 162-163; Marschner 2014b, S. 344).
Für die Berechtigung einer Zwangseinweisung muss die psychische Krankheit bzw. Behinderung sowohl die Fähigkeit zur freien Willensbestimmung in Bezug auf die Gefährdung aufheben als auch die Gefährdung verursachen. Eine wichtige Unterbringungsvoraussetzung liegt folglich in der Unfähigkeit zur freien Willensbestimmung, d.h. dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit bzw. Behinderung keinen freien Willen bilden kann. Wenn dieser Kausalzusammenhang nicht besteht, also wenn sich z.B. eine psychisch gesunde Person oder eine psychisch kranke Person im Zustand freier Willensbestimmung selbst schädigt oder sich zu suizidieren beabsichtigt, darf sie weder davon abgehalten noch zwangseingewiesen werden (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 216-217, 221; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 10; Marschner 2014b, S. 345-346), denn „Handlungen, die eine Person in freier Verantwortung und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte vornimmt, rechtfertigen keine Unterbringung“ (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 25). Die Frage, inwiefern ein Ursachenzusammenhang besteht, ist fachärztlich und einzelfallbezogen zu überprüfen (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 222). Dabei ist der Rückschluss von einer vorhandenen Selbst-/Fremdgefährdung auf das Vorliegen einer psychischen Krankheit unzulässig (Lamberz 2013,
S. 48), ferner „impliziert nicht jede psychische Erkrankung, dass eine Selbstoder Fremdgefährdung auch krankheitsbezogen ist“ (Lamberz 2013, S. 72).
Der Betroffene darf gemäß §11 Abs.1 S.1 PsychKG NRW nur untergebracht werden, wenn die Gefahr nicht anderes abgewehrt werden kann. Derselbe Gedanke liegt der Verwahrungsunterbringung zugrunde und wird gemäß §1906 Abs.1 BGB über die Formulierung vermittelt, dass eine Unterbringung „nur zulässig [ist, wenn] sie [...] erforderlich ist“ (Stascheit 2014,
S. 1066). Von daher gilt sowohl im BGB als auch im PsychKG der Erforderlichkeitsgrundsatz, nach dem eine Zwangseinweisung nur dann legitimiert ist, wenn die Gefahr nicht durch mildere Alternativmaßnahmen mit gleichwertigen Erfolgsaussichten abwendbar ist. Eine Zwangseinweisung ist immer nur als ‚ultima ratio', als letztmögliches Mittel, durchzuführen. (Brosey und Osterfeld 2013, S. 165; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 222-223; Lamberz 2013, S. 85).
Zusätzlich zu der Erforderlichkeitsprüfung ist die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dabei sind die Schwere und der Grad der Gefährdung sowie die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts gegen die subjektive Belastung, mit der eine Unterbringung einhergeht, abzuwägen. (Brosey und Osterfeld 2013, S. 162-163).
Die folgende Übersicht fasst die bereits erläuterten Unterbringungsvoraussetzungen der zivilrechtlichen Verwahrungsunterbringung und der PsychKG NRW-Unterbringung zusammen und zeigt sowohl Differenzen als auch Gemeinsamkeiten anschaulich auf.
Zivilrechtliche Unterbringung
- Volljährigkeit + Vorhandensein eines Bevollmächtigten oder gesetzlichen Betreuers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung/Unterbringung
- Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung
- krankheitsbedingte Selbstgefährdung
Öffentlich-rechtliche Unterbringung in NRW
- Minder-/Volljährigkeit + Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen
- Vorliegen einer psychischen Krankheit
- krankheitsbedingte Selbstoder Fremdgefährdung
Gemeinsame Voraussetzungen
- Unterbringung findet ohne oder gegen den Willen statt
- Unfähigkeit zur freien Willensbestimmung
- Erforderlichkeit der Unterbringung (Gefahr kann nicht mit milderen Maßnahmen abgewendet werden)
- Verhältnismäßigkeit der Unterbringung (Abwägen zwischen der Schwere der Gefährdung und dem Eingriff ins Freiheitsrecht)
Grundsätzlich ist eine PsychKG-Unterbringung auch dann möglich, wenn eine gesetzliche Betreuung besteht (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 65). Da die Verwahrungsunterbringung nur bei Selbstgefährdung greift, kommt im Falle von Fremdgefährdung sowieso nur eine PsychKG-Unterbringung infrage. Wenn bei einem Betreuten allerdings eine reine Selbstgefährdung vorliegt, wäre theoretisch sowohl eine PsychKG-Unterbringung als auch eine Verwahrungsunterbringung möglich. (Marschner 2014b, S. 364; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 110, 226-227). Generell sind beide Arten der Unterbringung gleichrangig (Marschner 2014b, S. 364; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 226; Lamberz 2013, S. 143). Auch lässt sich nicht pauschal festlegen, welche Art der Unterbringung für den Betroffenen die mildere Maßnahme darstellt (Lamberz 2013, S. 131-135). Generell lässt sich konstatieren, dass PsychKG-Unterbringungen eher der kurzfristigen Krisenintervention in akuten Situationen dienen, wohingegen betreuungsrechtliche Unterbringungen eher als langfristige Maßnahme für chronisch psychisch kranke Menschen geeignet sind, die längerfristig auf Hilfe angewiesen sind (Marschner 2008,
S. 200; Lamberz 2013, S. 143). In der Praxis ist es allerdings häufig so, dass in Situationen der akuten Selbstgefährdung gar nicht immer bekannt ist, ob überhaupt eine gesetzliche Betreuung besteht, oder der gesetzliche Betreuer ist nicht erreichbar, sodass allein aus pragmatischen Gründen häufig eine PsychKG-Unterbringung vollzogen wird (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 227; Lamberz 2013, S. 130).
Während einer Zwangseinweisung bzw. einem zwangsweisen Klinikaufenthalt kann es zusätzlich zu einer Fixierung kommen, die im Folgenden thematisiert wird.
- [1] Einwilligungsfähig meint „die Fähigkeit [...] Bedeutung und Tragweite der Entscheidung zu erfassen und seinen Willen hiernach auszurichten“ (Jürgens 2014c, S. 334).