Fixierung

Generell bezeichnen Dodegge und Zimmermann (2011) eine „Fixierung als intensivstes Zwangmittel“ (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 265). Bei Fixierungen handelt es sich um mechanisch bedingte Bewegungseinschränkungen des Betroffenen. Fixierungen stellen keine therapeutische Maßnahmen, sondern reine Sicherungsmaßnahmen dar (Steinert 2011, S. 348; Frajo-Apor et al. 2013, S. 85). Hierbei wird dem Betroffenen durch mechanische Hilfsmittel die (Fort-)bewegungsfreiheit entzogen; so wird er beispielsweise mit Hand-, Fußoder Bauchgurten am Bett festgebunden (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 72, 263; Hell 2013, S. 308).

In Deutschland sind „zwischen 2-10% der in der Psychiatrie stationär Aufgenommenen von mechanischen Zwangsmaßnahmen betroffen“ (FrajoApor et al. 2013, S. 85-86), die durchschnittlich 5-10 Stunden andauern. Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Psychiatrien (Steinert 2011, S. 348-349). Den Grund für Fixierungen stellt vorrangig (ca. 83%) eine Selbstgefährdung dar, die in den meisten Fällen (ca. 67%) in Form einer Sturzgefahr und weniger (7,5%) in Suizidalität oder Selbstverletzung vorliegt. Fremdgefährdendes Verhalten liegt in ca. 14 % der Fixierungen zugrunde. (Frajo-Apor et al. 2013, S. 86-87, 89).

Im Folgenden wird zunächst die Fixierung auf zivil-/betreuungsrechtlicher Grundlage und anschließend auf öffentlich-rechtlicher Grundlage thematisiert.

Fixierung bei zivil-/betreuungsrechtlichen Unterbringungen

Fixierungen werden im Betreuungsrecht als ‚unterbringungsähnliche Maßnahmen' bezeichnet. Sie können vom gesetzlichen Betreuer bzw. Bevollmächtigten des Betroffenen mit entsprechendem Aufgabenkreis, nicht aber von der Einrichtung oder Klinik veranlasst werden. Die gesetzliche Regelung befindet sich in §1906 Abs.4 BGB (Crefeld 2013a, S. 546; Marschner 2014b, S. 357-359). Gemäß §1906 Abs.4 BGB gelten „[d]ie Absätze 1 und 2 entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.“ (Stascheit 2014, S. 1066).

Zunächst ist klarzustellen, dass „[d]ie Regelung des Abs.4 [...] entgegen dem Wortlaut auch anwendbar [ist] auf Betreute, die bereits untergebracht sind“ (Marschner 2014b, S. 357). Der §1906 Abs.4 BGB gilt also sowohl bei untergebrachten Betreuten als auch bei nicht-untergebrachten, die in einer Einrichtung leben, wobei es sich dabei nicht unbedingt um eine Psychiatrie handeln muss, sondern es kann beispielsweise auch ein Altenoder Pflegeheim sein (Hell 2013, S. 308-309).

Ursprünglich waren unterbringungsähnliche Maßnahmen nämlich vorrangig für altersverwirrte, körperlich instabile Heimbewohner gedacht, die unkontrolliert ihrem Bewegungsdrang folgen und sich somit in die Gefahr von Stürzen oder planlosem Umherirren begeben (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 146, 156). Dementsprechend gestalten sich auch die vorgeschlagenen Maßnahmen. Mechanische Vorrichtungen sind beispielsweise: am Stuhl oder Bett mit Fixiergurten festbinden, Zimmer absperren, Anbringen eines Bettgitters oder eines Stecktisches am Pflegestuhl, Zwangsjacke, Fixierdecken, Therapietisch. Alternativ können auch dämpfende Medikamente wie Schlafoder Beruhigungsmittel verabreicht werden, um den Betroffenen an seiner Fortbewegung zu hindern. (Marschner 2014b, S. 360; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 150-151; Hell 2013, S. 309; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 18; Otto und Wilhelm 2014, Randnr. 13).

Eine Fixierung auf Grundlage des §1906 Abs.4 BGB kommt nur infrage, wenn sie entweder über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig erfolgen soll. Was damit genau gemeint ist, wird nicht definiert, aber in der Rechtssprechung wird von einem längeren Zeitraum ab drei Tagen ausgegangen und von Regelmäßigkeit, wenn die Fixierung beispielsweise immer nachts erfolgen soll. (Dogegge und Zimmermann 2011, S. 147, 150; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 18).

Eine unterbringungsähnliche Maßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts (Marschner 2014b, S. 357). Wurde ein Betreuter durch seinen Betreuer mit betreuungsgerichtlicher Genehmigung in ein psychiatrisches Krankenhaus untergebracht und hält der Betreuer nun eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung in Form einer Fixierung für erforderlich, so muss er diese unterbringungsähnliche Maßnahme gesondert vom Gericht genehmigen lassen, denn die Erlaubnis zum Fixieren ist in der Unterbringungsgenehmigung nicht automatisch mit enthalten. (Hell 2013, S. 312; Otto und Wilhelm 2014, Randnr. 12; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 148, 150).

Es genügt ein ärztliches Zeugnis bezüglich der Notwendigkeit einer zusätzlichen Freiheitsbeschränkung. Der ausstellende Arzt muss keine bestimmte Facharzt-Qualifikation vorweisen und den Betroffenen noch nicht einmal vorher persönlich sehen (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 147, 154-155; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 33).

Sobald die Voraussetzungen wegfallen, hat der Betreuer die Beendigung der Maßnahme zu veranlassen und dies dem Gericht mitzuteilen (Marschner 2014b, S. 357).

Eine Fixierung kann auf betreuungsrechtlicher Grundlage nur zum Wohl des Betreuten erfolgen und nicht zum Schutz Dritter. Dementsprechend muss die Fixierung entweder erforderlich sein, um eine Selbstgefährdung im Sinne von Suizidalität oder erheblicher gesundheitlicher Selbstschädigung abzuwenden, oder wenn ohne Fixierung bzw. Sedierung eine genehmigte Behandlung oder Untersuchung nach §1906 Abs.1 Nr.2 BGB nicht durchführbar ist. Stellt der Betreute dagegen eine Gefahr für Mitpatienten dar und soll zur Abwendung einer Fremdgefährdung fixiert werden, kann dies nicht auf Grundlage des §1906 Abs.4 BGB geschehen. Fixierungen zum Schutz Dritter können nur auf öffentlich-rechtlicher Grundlage oder aufgrund rechtfertigenden Notstandes nach §34 StGB erfolgen. (Hoffmann und Klie 2004, S. 86-87; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 19; Marschner 2014b, S. 358-359, 362363). Aber auch bei Selbstgefährdung wird auf einer psychiatrischen Akutstation bei BGB-untergebrachten Patienten häufig auf §34 StGB zurückgegriffen werden müssen, wenn sich eine Situation ergibt, in der unvorhergesehen eine Fixierung erforderlich ist. Bei plötzlich auftretender Selbstgefährdung kann mit der Fixierung nämlich nicht immer gewartet werden, bis der Betreuer erreicht wird und eine unterbringungsähnliche Maßnahme veranlasst, selbst wenn er gemäß §1906 Abs.4 i.V.m. Abs.2 BGB bei Gefahr im Verzug auf eine vorherige gerichtliche Genehmigung verzichten würde. Davon abgesehen greift §1906 Abs.4 BGB nur bei längerer oder regelmäßiger Fixierung, sodass kurzfristige Fixierungen in unvorhersehbaren Situationen oder einmalige Fixierungen für einen kurzen ärztlichen Eingriff von §1906 Abs.4 BGB nicht abgedeckt werden. (Hoffmann und Klie 2004, S. 85-86; Marschner 2010b, S. 233, 238; Brinckmann und Gräbsch 2013, S. 20).

Im nächsten Abschnitt wird die Fixierung nach öffentlichem Recht erläutert.

 
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