Nicht mehr in der Minderheit? Wählerinnen rechtsextremer Parteien

Beim Wahlverhalten gegenüber rechtsextremen Parteien fällt auf, dass nur etwa ein Drittel der Wählerschaft weiblich ist. Diese Geschlechterverteilung erwies sich über Jahre hinweg als konstante Größe. Allerdings deutet sich auch hier möglicherweise eine Trendwende an. Eine Umfrage des Emnid-Instituts für Bild am Sonntag (BamS) förderte im August 2007 zu Tage, dass sich 14 Prozent der Frauen vorstellen können, bei den nächsten Landtagswahlen für eine rechtsextreme Partei zu votieren. Bei den Männern waren es hingegen lediglich neun Prozent (BamS, 26. 8. 2007). Emnid-Chef Klaus Peter Schöppener kommentierte:

"Das ist überraschend und wurde so noch nicht gemessen. Frauen neigen normalerweise nicht so stark dem rechten Spektrum zu. Eine Erklärung könnte sein: Konservative Frauen, die einem traditionellen Familienbild anhängen, sind von der modernen Familienpolitik der Union enttäuscht. Manche gehen gar nicht mehr wählen, andere wenden sich Parteien an rechten Rand zu." (ebenda)

Solche Einschätzungen decken sich allerdings nicht mit den Ergebnissen der Geschlechterforschung. Die Berliner Psychologin Birgit Rommelspacher unterstreicht:

"Wenn Frauen diese Parteien wählen oder gar Mitglied oder Funktionärin werden, dann tun sie dies in der Regel nicht wegen ihrer Geschlechterpolitik, sondern vor allem wegen ihrer rassistischen Programmatik und ihrer Sicherheitsund Ordnungsvorstellungen." (Rommelspacher 2006: 96)

Rommelspacher räumt extremen Parteien zudem dann eine Chance ein, wenn sie im Auftreten moderater werden und sich ihre Programmatik in das breite Gesellschaftsverständnis einfügt (vgl. Rommelspacher 2006: 92–93).

Rechtsextreme Parteien: Keineswegs "Frauenfreie Zonen"

Als Bestätigung der These, Rechtsextremismus sei ein Männerphänomen, wird nicht selten auf die angeblich geringe Anzahl weiblicher Mitglieder in rechtsextremen Parteien hingewiesen. Rechtsextreme Parteien wie die NPD geben jedoch an, dass sie einen bemerkenswerten Zulauf von Mädchen und Frauen haben. Peter Marx, ehemaliger Generalsekretär der NPD, bezifferte den Anteil der weiblichen Parteimitglieder auf 27 Prozent. Bei den Neueintritten sollen es nach seiner damaligen Darstellung 50 Prozent sein (vgl. Aden/Röpke 2007). Aussagekräftig werden solche Daten erst dann, wenn sie zu den Frauenanteilen in anderen Parteien in Bezug gesetzt werden. Laut Statistischem Bundesamt ergibt sich für Ende 2012 – basierend auf Eigenangaben der Parteien – folgendes Bild: Schlusslicht bildet die CSU mit einem Frauenanteil von 19,5 Prozent. In der FPD sind 23,0, in der CDU 25,6, in der SPD 31,5, bei der Linken 37,7 und bei den Grünen 37,8 Prozent Frauen organisiert (vgl. Niedermayer 2013). Der Prozentsatz der Frauen in der NPD liegt somit nicht wesentlich unter dem Durchschnitt, was den Schluss nahe legt, dass Parteipolitik insgesamt von Männern dominiert wird. Ohnehin ist es nur eine verschwindende Minderheit der Deutschen, die sich in Parteien engagiert. Im Jahre 2012 verfügten 1,3 Millionen Männer und Frauen über ein Parteibuch. Das entspricht einem Anteil von rund 2 Prozent der Bevölkerung. Im Jahre 2012 hatte die NPD 6000 Mitglieder (vgl. Verfassungsschutzbericht 2012). Wenn man davon ausgeht, dass ein Viertel davon weiblich ist, wären das 1500 Nationaldemokratinnen.

Was die Funktionärsapparate rechtsextremer Parteien betrifft, so sind auch diese keine "frauenfreien Zonen". Bitzans Angaben von bis zu 20 Prozent berufen sich auf die Daten des Bundeswahlleiters und sind ein Annäherungswert. Tendenziell ist damit aber auch gesagt, dass Frauen durchaus entsprechend ihres Mitgliederanteils in Funktionen rechtsextremer Parteien anzutreffen sind. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Angaben des Sächsischen Innenministeriums aus dem Jahr 2008.

"Der Frauenanteil bei der Besetzung von Vorstandsämtern entspricht etwa dem des Frauenanteils in der NPD-Mitgliedschaft." (Drucksache des Sächsischen Landtags/ Dokument 4/13281). Spitzenfunktion üben sie hingegen seltener aus. "Wegen des in der rechtsextremen Szene vorherrschenden Rollenverständnisses sind Frauen als Führungspersönlichkeiten nur selten anzutreffen", analysiert das Ministerium. Jedoch zeige sich in jüngster Zeit, "dass Frauen durchaus für die NPD kandidieren und insofern auch als politischer Partner akzeptiert werden" (ebenda).

Die Journalistin Rena Kenzo sieht die Chancen für NPD-Frauen auf die verstärkte Übernahme von Funktionen perspektivisch als günstig an. Einerseits gebe es weibliche und männliche NPD-Mitglieder, die einen Vorteil darin sehen, Frauen bei der Besetzung von sozialen Themen, zur Verbesserung der Außenwirkung und zur Demonstration der vermeintlich gewaltfreien NPD einzusetzen, andererseits hätten sich männliche Parteimitglieder durch Straftaten etc. als Kandidaten disqualifiziert (vgl. Kenzo 2008: 210–211).

Zurzeit gibt es keine weibliche Landtagsabgeordnete in Reihen der NPD. Mit dem Ausscheiden der NPD aus dem sächsischen Landtag im Sommer 2014 verlor Gitta Schlüßler ihr Mandat, das sie seit 2004 als eine von insgesamt neun, später acht NPDAbgeordneten innehatte. In der verbleibenden NPD-Fraktion im Schweriner Landtag findet sich keine Frau. Auf des Bundesvorstands der NPD sind Frauen zwar vertreten, aber unterrepräsentiert.

Die NPD hat auf ihrem Parteitag am 1./2. November 2014 in Weinheim zwei Frauen in den Vorstand gewählt: Ricarda Riefling (Rheinland-Pfalz) und Ariane Meise (NRW). In den Vorständen der sechszehn Landesverbände der NPD sind Frauen unterschiedlich stark vertreten. In Brandenburg und NRW stellen sie jeweils ein Drittel des Vorstands, während es gleichzeitig eine Reihe von Landesverbänden gibt, die gänzlich ohne Frauen auszukommen scheinen (Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Schleswig-Holstein). Seit der Abwahl von Dörthe Armstroff als Landeschefin in Rheinland-Pfalz gibt es keine Vorsitzende mehr in den Ländern. Drei Frauen haben jedoch Stellvertreterposten inne: Ricarda Riefling (Rheinland-Pfalz), Brigitte Kallweit (Niedersachsen) und Ariane Meise (NRW). Trotz einer mehr oder weniger deutlichen Unterrepräsentanz bleibt festzuhalten, dass es Frauen durchaus möglich ist, Führungspositionen innerhalb der NPD einzunehmen. Renate Bitzan hält es bisher für schwer vorstellbar, aber für überhaupt nicht ausgeschlossen, dass die NPD eines Tages – analog zu Marine Le Pen beim rechtspopulistischen französischen Front National – eine Parteivorsitzende bekommt. Im Interview mit Toralf Staud sagt sie:

"Aber wer weiß, was passieren würde, wenn es in der NPD jemanden dieses Formats gäbe. In Bayern hat die Partei bei der letzten Landtagswahl eine Frau als Spitzenkandidatin aufgestellt, Sigrid Schüßler, die machte überhaupt keinen verhuschten Eindruck. Sie trat selbstbewusst auf, kess und ein bisschen provokativ, der Slogan dazu lautete "Unwiderstehlich anders". Natürlich sind das Einzelfälle, aber es ist eben nichts ausgeschlossen." [1]

Die von Bitzan angesprochene, diplomierte Schauspielerin und ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der NPD Bayern, Sigrid Schüßler, kandidierte auf dem Weinheimer Bundesparteitag der NPD am 1./2. November 2014 für den Vorsitz der rechtsextremen Partei und erhielt 12 Prozent der abgegebenen Stimmen. Ihre Kandidatur nutzte Frau Schüßler als finalen Akt für eine Generalabrechnung mit der skandalund krisengeschüttelten NPD. Parteifunktionen hatte sie bereits vorher abgelegt. Die als Krawallmacherin geltende Bayerin beklagte das Fehlverhalten ehemals hoher Parteifunktionäre, von denen sexuelle Übergriffe und kriminelle Machenschaften in jüngster Zeit öffentlich bekannt geworden waren. Sie sprach damit ein grundsätzliches Personalproblem an, das die NPD durchzieht, ohne dass sich die Partei immer konsequent von einer solchen Klientel distanziert.

Schon bei ihrem Rückzug als Vorsitzende der NPD-Frauenorganisation (RNF) im Frühjahr 2014 hatte die parteiintern höchst umstrittene Frau der NPD ein desolates Erscheinungsbild attestiert und dem RNF vorgeworfen, es bestünde kein Interesse an selbstbewussten, modernen Frauen. [2] Dieses harsche Urteil ist als ein Resultat persönlicher Verbitterung zu werten, zeigt aber auch, dass es bis in die Spitze der NPD noch ein weiter Weg ist, wenn Frauen wie Sigrid Schüßler zu forsch und machtbewußt auftreten.

Analog zu demokratischen Parteien bekleiden rechtsextreme Funktionärinnen bisher häufig Positionen als Beisitzerinnen, sie sind zuständig für die Kasse und Schriftführung und bekommen das Ressort Frauenund Familienpolitik übertragen. Auch diese Zuschreibung von klassisch weiblichen Arbeitsbereichen hebt rechtsextreme Parteien nicht von dem ab, was demokratische Parteien als Funktionen für weibliche Mitglieder vorsehen.

Exkurs: Die Landesämter für Verfassungsschutz in Berlin, NRW und Baden-Württemberg haben in den Jahren 2009–2011 eigene Handreichungen zur Beteiligung von Mädchen und Frauen im Rechtsextremismus herausgegeben. Ihre Expertisen beziehen sich ausschließlich auf den harten Kern aktiver Frauen im eng definierten Phänomenbereich rechtsextremistischer Bestrebungen. Zu den Ergebnissen:

Demnach lag in Berlin der Anteil der Frauen an den bekannten Personen des organisierten Rechtsextremismus im Jahre 2008 bei rund 13 Prozent. [3] Nordrhein-Westfalen unterstreicht in einer Expertise vom November 2011, [4] dass der Anteil von Frauen und Mädchen in neonazistischen Gruppen (zum Beispiel "Kameradschaften") erheblich variiert und sich kaum pauschal benennen lässt. Etwas klarer sei hingegen das Bild bei den Parteien. 15–20 Prozent der NPD-Mitglieder an Rhein und Ruhr seien weiblich, etwas weniger sind es demnach bei der "Bürgerbewegung pro NRW" mit 10 bis 15 Prozent. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg kommt auf Basis einer umfangreichen Auswertung (Stand: 15. November 2010) zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Frauen am rechtsextremistischen Personenpotenzial seit Jahren zwar nur geringfügig, aber stetig ansteigt. [5]

Aktuell liegt der Anteil bei 18,7 Prozent. Bezogen auf einzelne Teilbereiche des Rechtsextremismus ergibt sich jedoch ein unterschiedliches Bild: Der Frauenanteil bei der NPD und ihrer Jugendorganisation beläuft sich auf 15,8 Prozent, in Reihen der Neonazis auf 16,3 Prozent. Im Bereich des gewaltbereiten Rechtsextremismus, wozu Skinheads und "Autonome Nationalisten" zählen, sind es 23,2 Prozent. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg trifft zudem Aussagen über die Altersstruktur der erfassten Frauen. Bezogen auf das gesamte rechtsextremistische Personenpotenzial findet man den höchsten Frauenanteil mit 30,8 Prozent in der Altersgruppe der 16bis 17-Jährigen. Im Teilsegment des gewaltbereiten Rechtsextremismus weist diese Altersgruppe sogar einen Anteil von 46,2 Prozent auf. Der Verfassungsschutz wertet diese Zahlen als einen Beeg dafür, dass junge Frauen relativ früh und schnell den Kontakt zur Szene finden, ihn aber oft alsbald wieder aufgeben. Die hohe Beteiligung von jungen Frauen wird somit als eine vorübergehende Phase interpretiert. Bleibt zu hoffen, dass dies keine Fehlinterpretation und gefährliche Unterschätzung der Lage am rechten Rand ist.

  • [1] Kann es einen "Feminismus von rechts" geben? Renate Bitzan im Interview mit Toralf Staudt vom 29. 01. 2014. Onlinequelle: bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/174172/ kann-es-einen-feminismus-von-rechts-geben (zuletzt aufgerufen am 28. 02. 2014).
  • [2] Onlinequelle: endstation-rechts-bayern.de/2014/04/npd-frauenorganisation-umstritte- ne-vorsitzende-wirft-hin/ (zuletzt aufgerufen am 2. 11. 2014).
  • [3] Senatsverwaltung für Inneres und Sport/Abteilung Verfassungsschutz (2009): "Frauen im Rechtsextremismus", Berlin.
  • [4] Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen/Verfassungsschutz NRW (2011): "Nationalismus ist Mädchensache"Schlaglichter auf Geschlechterbilder und Geschlechterrollen im Rechtsextremismus, Düsseldorf.
  • [5] Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Infoblatt 6/2011, Frauenanteil in der rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg steigt weiter an. Online-Quelle: verfassungsschutz-bw.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1069:frauenanteil-in-derrechtsextremistischen-szene-in-baden-wuerttemberg-steigt-weiter-an&catid=91:sonstige&Itemid =80. Vgl. auch die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage von Gerlinde Gurr-Hirsch (CDU) zu "Frauen und Mädchen in der rechtsradikalen Szene in Baden-Württemberg", Drs. 15/3669: landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP15/Drucksachen/3000/15_3669_D. pdf
 
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