Öffentlich-rechtliche Zwangsbehandlung
Die Behandlung von PsychKG-Untergebrachten ist in §18 PsychKG NRW geregelt. Hier wird zwischen einer einvernehmlichen (§18 Abs.1-3 PsychKG NRW) und einer zwangsweisen Behandlung (§18 Abs. 4-5 PsychKG NRW) unterschieden. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 71, 250-251; Marschner 2008, S. 202). Im Regelfall soll eine auf Konsens beruhende Behandlung erfolgen, die der Einwilligung des Betroffenen bedarf (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 71, 251-252). Diese konsensierte Behandlung soll den Charakter eines Angebotes haben, welches der Betroffene während der Unterbringung in Anspruch nehmen darf. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 251, 253). Unter bestimmten Voraussetzungen ist es jedoch auch möglich, einen PsychKG-Untergebrachten ohne dessen Einwilligung zu behandeln, was dann als Zwangsbehandlung zu bezeichnen ist (Crefeld 2013a, S. 534; Dodegge und Zimmermann 2011, S. 71).
Gemäß §18 Abs.4 PsychKG NRW ist „[n]ur in den Fällen von Lebensgefahr, von erheblicher Gefahr für die eigene und für die Gesundheit anderer Personen [...] die Behandlung ohne oder gegen den Willen Betroffener [...] zulässig.“ (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 250-251). Eine Zwangsbehandlung ist demnach ausschließlich bei den genannten Gefährdungssituationen, also Lebensgefahr oder erheblicher Gesundheitsgefahr für den Betroffenen oder Dritte, legitim. Dabei darf die Zwangsbehandlung nur für die Anlasserkrankung erfolgen, d.h. es darf nur die psychische Krankheit, die die Selbst-/Fremdgefährdung verursacht hat und aufgrund derer der Betroffene untergebracht wurde, zwangsbehandelt werden. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 255, 260). Sonstige Krankheiten, sogenannte interkurrente Krankheiten, dürfen eigentlich nicht gegen den Willen des Betroffenen behandelt werden, können jedoch in Notfällen unter Bezugnahme auf allgemeine Rechtfertigungsgründe wie „mutmaßliche Einwilligung, Nothilfe oder Notstand“ (Honds 2008, zitiert nach Dodegge und Zimmermann 2011, S. 255) ebenfalls zwangsweise behandelt werden.
Soll nun die psychische Anlasserkrankung zwangsbehandelt werden, kommt theoretisch sowohl eine somatische als auch eine psychotherapeutische Behandlung in Betracht. Mit einer somatischen Behandlung sind körperliche Eingriffe gemeint, unter die auch die Vergabe von Psychopharmaka fällt. Der Betroffene hat die Zwangsbehandlung zu dulden, darf jedoch nicht dazu gezwungen werden, aktiv daran mitzuwirken. Dementsprechend ist eine psychotherapeutische Behandlung schwer realisierbar, weil sie auf die aktive Mitarbeit des Betroffenen in Form von Gesprächsbeteiligung angewiesen wäre. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 255, 257).
Möglich „bleiben also zwangsweises Verabreichen von Medikamenten, Zwangsinjektionen, Fixierungen zur Medikamentengabe [...] oder Behandlungen unter Betäubung sowie Zwangsernährung“ (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 257-258). Dabei ist es dem Pflegepersonal und den Ärzten erlaubt, unmittelbaren Zwang in Form von körperlicher Gewalt anzuwenden, wenn die Behandlung anders nicht durchgeführt werden kann (Dogegge und Zimmermann 2011, S. 258-259).
Eine für die Legitimation einer Zwangsbehandlung wichtige Voraussetzung aufseiten des Betroffenen ist, dass er aufgrund der psychischen Krankheit nicht zur freien Willensbestimmung fähig ist. Ebenfalls relevant ist die Pflicht des Klinikpersonals, den Betroffenen im Vorfeld über die geplante Zwangsbehandlung zu informieren und aufzuklären, sofern er gesprächsfähig ist. Damit geht einher, dass heimliche Zwangsbehandlungen verboten sind. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 256, 259).
Nach §18 Abs.5 „dürfen [Zwangsbehandlungen] nur durch die ärztliche Leitung [...] angeordnet werden und nur durch Ärztinnen oder Ärzte vorgenommen werden“ (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 251). Wie bei der Fixierung kommt es also auch bei der Entscheidung für eine Zwangsbehandlung im Rahmen des PsychKG NRW auf das ärztliche Ermessen an, ohne Beteiligung des Gerichtes. Durch die vorherige Aufklärung hat der Untergebrachte allerdings die Möglichkeit, rechtzeitig eine gerichtliche Entscheidung beim Betreuungsgericht zu beantragen, damit dieses die Rechtmäßigkeit der Zwangsbehandlung prüft und infolgedessen die ärztlich angeordnete Zwangsbehandlung entweder erlaubt, begrenzt oder ganz untersagt. (Dodegge und Zimmermann 2011, S. 256-257, 259-261).
Insgesamt bestehen zwischen den beiden Rechtsgrundlagen zur Zwangsbehandlung erhebliche Unterschiede. Die BGB-Regelung ist verfassungskonform und beinhaltet strenge Voraussetzungen. Hier sind am Entscheidungsprozess sowohl der Betreuer als auch der Betreuungsrichter beteiligt; zudem wird ein neutrales Sachverständigengutachten zur Entscheidungsbildung hinzugezogen. Im Gegensatz dazu ist die derzeitige PsychKG NRW-Regelung hinsichtlich der Zwangsbehandlung verfassungswidrig. Hier entscheiden die behandelnden Ärzte nach eigenem Ermessen über die Durchführung einer Zwangsbehandlung; eine Beteiligung des Gerichts erfolgt nur, wenn der Betroffene extra eine gerichtliche Entscheidung beantragt.