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Konkrete Fallbeispiele

Zu Beginn soll ein Einblick in die Praxis anhand konkreter Fallbeispiele gegeben werden, um anschaulich einen Eindruck darüber zu vermitteln, welche Ausgangssituationen bestimmten Zwangsmaßnahmen zugrunde lagen.

Zunächst wird ein Fallbeispiel für eine Zwangsbetreuung dargestellt.

„das würde ich vielleicht auch Zwangsbetreuung nennen [...] Da gings auch um Geld. Der hat, ehm, immer ganz viel Post gekriegt, von so vermeintlichen Lotto Gesellschaften, wo man dann ein bisschen einzahlen muss und dann kriegt man den großen Gewinn. Und er hat da immer Geld hingeschickt und auf den Gewinn gewartet. Und so hat er sein Geld verbraten, und hatte nichts mehr für sich zum Leben und hat völlig armselig gelebt, also, menschenunwürdig. Und da hab ich dann versucht, so ein bisschen Ordnung in dieses Leben zu kriegen“ (Gesetzliche Betreuerin 2014, Z. 599-613) [1]

Im folgenden Beispiel geht es um eine Frau, die wegen Suizidalität nach PsychKG zwangseingewiesen wurde.

„Wir hatten jetzt letztens, eh, eins [ein PsychKG], ehm, da ging es darum, dass eine junge Frau, eh, gesagt hat, sie würde sich umbringen, also suizidale Absichten [...] konkret geäußert hatte. Die hatte das auch schon in der Biographie, die hatte schonmal Tabletten genommen und das war da ziemlich brenzlig. [...] die ist dann [...] aus der Wohngruppe weggelaufen und dann haben wir natürlich sofort Polizei informiert, und da sie nicht freiwillig in die Klinik wollte, ist dann halt, eh, durch Polizei und Ordnungsamt n PsychKG eingeleitet worden eben. Eh, es hat sich dann im Krankenhaus herausgestellt, dass sie bei uns in der Wohngruppe auch n Messer entwendet hatte, von daher war das schon, eh, ne ernst zu nehmende Absicht“ (Psychologin BeWo 2014, Z. 57-66)

Einer anderen PsychKG-Unterbringung lag sowohl Selbstals auch Fremdgefährdung zugrunde.

„Ja, wenn es eine Einweisung nach PsychKG gibt, und die letzte Einweisung war auch wieder sehr dramatisch, dann sind es meist sehr dramatische Einweisungen [...] Und das war auch in dieser Situation so, dass [...] die Polizei dann dazu greifen musste, sie wirklich zu fixieren, auch mit Handfesseln und Fußfesseln, und sie auch so im RTW ins Krankenhaus gebracht werden musste, und sie ist [...] auch da in die sofortige Fixierung gegangen, weil [...] sie hat es im Krankenhaus geschafft, sie war so in Rage, dass sie vier Pfleger fast vermöbelt hat. [...] Ja, [...] wenn die richtig in Rage sind, dann können Menschen Kräfte entwickeln, die man sich nicht vorstellen kann. Und die ist danach vier Tage in die Fixierung gegangen. [...] bei der war das Problem [...] die ist seit vielen Jahren Psychotikerin [...] und die hat nicht nur sich, die hat halt auch andere gefährdet. Die hat im Haus die Stromleitungen aufgeklopft, die hat Wasser laufen lassen, die [...] hat dann dieses Wasser auf diese Stromleitungen laufen lassen und hat halt versucht zu verhindern, dass irgendwelche Leute aus den Steckdosen Einfluss auf ihre Gedanken nehmen. Und das ist natürlich ne ganz akute Gefahr, die da ausgeht.“ (Sozialarbeiterin SpDi 2014, Z. 120-151)

Es wurden noch weitere Fälle von Menschen mit einer schizophrenen Psychose geschildert, von denen exemplarisch zwei vorgestellt werden.

„Ich hab eine andere Betreute gehabt, [...] wenn die in solchen Zuständen war, saß die nur noch in ihrer Wohnung, hat [...] alles mit Kreuzen voll gemalt, die ganze Wohnung, und saß dann da apathisch und hat irgendwie vor sich hin geblubbert, [...] war auch nicht mehr erreichbar für Hilfe von außen.“ (Gesetzliche Betreuerin 2014, Z. 78-81)

„Das war ein junger Mann, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet. Der hat seine Wohnung [...] merkwürdig zugerichtet. Der wurde mir gemeldet von seinen Eltern. [...] bei der Arbeit ist aufgefallen, dass er auffälliges Verhalten gezeigt hat, also er hat irgendwelche Merkzettel zerrissen und [...] hat sich auf den Boden gelegt und gelacht oder so, also einfach nicht nachvollziehbares Verhalten. Ehm, in der Wohnung hatte er, das kommt tatsächlich auch immer wieder vor, Steckdosen abgeklebt, die Fenster verdunkelt, das Telefon abgeklebt, Leitungen offen rausgucken lassen, [...] den ganzen Boden mit Decken ausgelegt, vor jedes Fenster mehrere geöffnete Scheren in Richtung Fenster ausgerichtet hingelegt, solche Dinge.“ (Richterin 2014, Z. 88-100)

Als Beispiele für reine Fremdgefährdungen dienen die folgenden zwei Ausschnitte.

„Die hatte [...] Situationen, wo sie sich bedroht gefühlt hat von den Nachbarn, ist dann mitm Messer auf die los gegangen. Sowas geht auch, denn das gibt es auch häufiger, dass die dann Stimmen hören, oder irgendwie sich bedroht fühlen von jedem, und selber diese dann angreifen.“ (Gesetzliche Betreuerin 2014, Z. 99-103)

„ich hab's mal genehmigt bei jemandem, der mit ner Machete in der [Name einer Stadt] Innenstadt im [Supermarkt] auf Leute losgegangen ist. Obwohl er niemanden getroffen hat, habe ich da gesagt, eh, die Gefahr ist konkret genug (lacht) und erheblich genug, das war nicht sonderlich gesund.“ (Richterin 2014, Z. 317-320)

Wie eine typische Aufnahmesituation eines fremdgefährdenden Menschen in die Psychiatrie aussieht, wird im folgenden Beispiel aufgezeigt.

„Also sehr häufig, eh, werden die [...] nach einem Polizeieinsatz von der Polizei und einem Krankentransport hier vorgestellt ne. Oft kommen sie sogar mit Handschellen, weil vorher [...] aggressives Verhalten, eh, gewesen ist, ne, deswegen auch die Polizei gerufen wurde. Und, ehm, n Großteil ist intoxikiert, also es [...] ist ne Berauschung von Alkohol oder anderen Suchtmitteln, die [...] diesen Zustand hervorrufen, und [...] auch n großer Teil eben psychotisches Erleben und Verhalten ne, aufgrund von Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschung, dass die sich dann auch aggressiv verhalten ne, oft im familiären Umfeld, [...] oder auch außerhalb, irgendwelche Passanten informieren dann die Polizei“ (Psychiater 2014, Z. 146-155)

Der Erfahrung des Psychiaters zufolge handelt es sich bei Zwangseinweisungen wegen Selbstgefährdung vorrangig um Fälle von Suizidalität.

„So ne Eigengefährdung, [...] da steht im Vordergrund natürlich die Selbstmordgefährdung. Das kann dann auch sein, dass die Polizei mal gerufen wird, weil irgendeiner sich so äußert, und dann, ehm, zur Abwendung dieser Selbstmordgefahr, also Eigengefährdung, [...] die hier vorgestellt werden ne, das kommt auch häufig vor“ (Psychiater 2014, Z. 160-164)

Beim nächsten Beispiel geht es um die somatische Zwangsbehandlung eines Mannes, der sich selbst verätzt hat und eine Behandlung der Wunden verweigerte.

„der hatte sich schwere Verätzungen, also großflächige Verätzungen durch Säure zugefügt, und [...] war der Ansicht, das heilt alles schön von selber, ne. In Wirklichkeit ist es sehr bedrohlich, also hat bedrohliche Formen angenommen, eh, drohte, sich zu infizieren, und das wäre dann auch durchaus lebensgefährlich geworden, und deswegen haben wir übers Gericht dann eine Zwangsbehandlung dieser Wunden veranlasst [...] in unserer chirurgischen Abteilung, ne, weil der das auch von der Psychose nicht einsah, der hatte ne völlig verzerrte Realitätswahrnehmung.“ (Psychiater 2014, Z. 46-53)

Nachdem hier einige Fallbeispiele dargestellt wurden, wird im nächsten Unterkapitel genauer auf Abläufe und Vorgehensweisen bei Zwangsmaßnahmen eingegangen.

  • [1] Die Zahlen beziehen sich auf die Zeilennummern im jeweiligen Interviewtranskript.
 
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