Austauschtheorie – Partnerschaften als Kontext des Tauschs von Ressourcen

Austauschtheorien behandeln die Interaktion zwischen Akteuren als rational abgewogene Handlungsentscheidungen. In diesem Sinne leisten sie einen zentralen Beitrag zum Verständnis des Entstehens und der Entwicklung partnerschaftlicher Verbindungen aus Sicht des RC-Ansatzes. Insbesondere die Arbeiten von Thibaut und Kelley (1959) beschreiben ein weitgehend akzeptiertes und überprüftes austauschtheoretisches Konzept. Dem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die Interaktion zwischen Akteuren als Tauschprozess von Gütern zu verstehen ist. Glowsky (2011) überträgt die RC-Begrifflichkeit auf die austauschtheoretischen Thesen: Die Interaktionspartner erhalten innerhalb der bestehenden Tauschbeziehung die Kontrolle über die Ressourcen des jeweiligen Partners, sodass diese zu den je eigenen Zwischengütern werden (ebd.: 35). Im Sinne des Rationalitätsgedankens dient die Tauschbeziehung damit der Nutzenoptimierung (Hill/Kopp 2006: 108). Der Interaktionsprozess unterliegt einer ständigen Bewertung durch die Teilnehmer. Stellt sich die Tauschbeziehung als erfolgreich heraus, wird der Tausch fortgesetzt sowie verdichtet und auf weitere inhaltliche Bereiche ausgeweitet (ebd.: 104, 169).

Wie wird der Tauschprozess bewertet?

Die Austauschtheorie nach Thibaut und Kelley (1959) liefert ausführliche Aussagen dazu wie der Tausch von Ressourcen bewertet wird. Der Aufwand (Kosten), welcher mit der Interaktion verbunden ist, bildet zusammen mit dem Ertrag der Interaktion das (absolute) Ergebnis des Austauschs. Fällt es positiv aus, bleibt die Interaktionsbeziehung wahrscheinlich bestehen und verfestigt sich. Verspricht das positive Ergebnis irreversibel zu sein, ist der Fortbestand der Beziehung umso wahrscheinlicher (Thibaut/Kelley 1959: 67). Eine Rolle für den Erfolg einer Interaktionsbeziehung, das heißt ihren gewinnbringenden Fortbestand, spielen die Ressourcen von alter und ego. Dabei betonen die Autoren, dass manche Ressourcen durch ihre Übereinstimmung zu einem positiven Ertrag führen (ebd. 33, 42), während andere vor allem dann gewinnbringend sind, wenn einer der Partner einen Mangel und der andere einen Überschuss der jeweiligen Ressource aufweist – die Ressourcenausstattung also gegensätzlich ist (ebd. 34). Glowsky (2011) versucht diesen Widerspruch zu entkräften, indem er darauf verweist, dass Akteure, die eine (Liebes-)Partnerschaft anstreben Übereinstimmung vor allem in kulturellen Einstellungen anstreben, während bei allen anderen Ressourcen das Prinzip der Maximierung gelte (ebd.: 36). Dabei bleibt undiskutiert, dass manche Faktoren beides beeinflussen. Das Beispiel des sozialen Status, das auch Thibaut und Kelley (1959) selbst verwenden, verdeutlicht diesen Widerspruch: Einerseits sollten sich zwei Partner des gleichen sozialen Status durch das Teilen eher ähnlicher Werte, Erfahrungen und Sozialisation besser verstehen und sich besser gegenseitig Anerkennung, Lob und Verständnis zusprechen können, was die Tauschbeziehung stabilisiert. Die Aussicht auf langfristige positive Erträge ist damit gegeben. Andererseits ist jeder Akteur daran interessiert seine ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen zu vermehren. Daher werden Personen mit hohem sozialem Status eher als Interaktionspartner bevorzugt. Die Aussicht auf möglichst große positive Erträge ist damit gegeben. Mit wem wird eine Person mit geringem sozialem Status eine Tauschbeziehung aufbauen – mit einer Person des gleichen oder höheren Status? Um die Modellannahmen überprüfbar zu halten, wird davon ausgegangen, dass Individuen der Vergrößerung des Ressourcenzugangs das dominante Gewicht beimessen (Maximierungsprinzip). Die Angemessenheit dieser Annahme wird dadurch gestärkt, dass es sich bei den hier untersuchten Personen um potenziell deprivierte Partnersuchende handelt (partnerlose Frauen mit Kind) die aufgrund eines bedeutenden Unterstützungsbedarfs einen besonderen Nutzen durch den Zugang zu möglichst großem Humankapital hätten.

Unabhängig davon führen Thibaut und Kelley (1959) neben dem absoluten Ergebnis der Interaktion zwei weitere Mechanismen in diesen Bewertungsprozess der Interaktion ein. Individuen vergleichen Interaktionen mit einem gewissen Standard (ebd.: 21), das heißt das Ergebnis wird relativiert (vgl. Kopp et al. 2010: 59). An dieser Stelle lässt sich der Aspekt des Bedarfs integrieren. Demnach haben Personen mit einem großen Mangel einer Ressource einen größeren Bedarf an der Etablierung einer Tauschbeziehung. Gleichzeitig haben schlecht ausgestattete Personen geringere Aussichten darauf, einen an einem Tausch interessierten Partner zu finden (siehe oben). Neben individuellen Bedürfnissen wird das Vergleichsniveau, analog zur Wert-Erwartungstheorie, durch eigene Erfahrungen mit ähnlichen Situationen bzw. aufgrund beobachteter Erlebnisse ähnlicher Akteure bestimmt.{ An diesem Punkt setzt die Austauschtheorie lerntheoretische Elemente ein (vgl. Bower/Hilgard/Aebli/Aeschbacher 1996).{}} All dies wird der Akteur einbeziehen, um den Nutzen der aktuellen Tauschbeziehung zu bewerten. Doch selbst wenn der Nutzen einer bestehenden Interaktion eine Bewertung unterhalb des Vergleichsniveaus erhält, wird der Akteur die Beziehung nur beenden, wenn eine besser bewertete Alternative zur Verfügung steht (Vergleichsniveau für Alternativen) (Hill/Kopp 2006: 113). Dies kann eine Austauschbeziehung mit einem anderen Akteur oder keine Beziehung sein. Bestehen jedoch keiner Interaktionsalternativen, die einen höheren Nutzen versprechen, befindet sich der Akteur in einer Abhängigkeit und muss mit den geringen eventuell gar negativen Erträgen aus der bestehenden Austauschbeziehung leben. Ebenso impliziert das Vergleichsniveau für Alternativen, dass eine (absolut) ertragreiche Tauschbeziehung beendet wird, wenn eine noch ergiebigere Beziehung etabliert werden kann.

 
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