„New Home Economics“ – Der Haushalt als Kontext zur Steigerung von (ökonomischer) Produktivität

In Beckers Erweiterung des Rational Choice Gedankens innerhalb seiner Theorie der „New Home Economics“ bezieht sich der Nutzen, den Individuen durch ihr Handeln maximieren wollen, nun erstmals auf die Ebene des Haushalts (Becker 1973: 815). Die gemeinsam in einem Haushalt lebenden Individuen versuchen, unter optimalem Einsatz der insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitszeitund Arbeitskraftressourcen, den für den Haushalt größtmöglichen Nutzen zu erzielen. Damit eignet sich der Ansatz nicht zur allgemeinen Herleitung der Entstehung von partnerschaftlichen Beziehungen, wie es die Austauschtheorie vermag. Jedoch werden spezifische Motivationen deutlicher, die dazu führen, eine Partnerschaft in eine gemeinsam wirtschaftende Haushaltsgemeinschaft zu transformieren. Die Relevanz ökonomischer Faktoren wird somit betont.

In der ökonomischen Theorie der Familie wird der Akteur nicht mehr allein als Konsument betrachtet, sondern auch als Produzent von Gütern, welche allen Haushaltsmitgliedern zu Gute kommen. Um einen möglichst produktiven Haushalt zu gründen, wählen Individuen aus einer Masse potenzieller Partner denjenigen mit den produktivsten Eigenschaften, das heißt dessen Eigenschaften versprechen, die Haushaltsproduktion möglichst stark zu verbessern (Maximierungsprinzip). Unter dem Begriff Humankapital nennt Glowsky (2011) an dieser Stelle mit Verweis auf Becker konkrete Eigenschaften (Ressourcen) wie Bildung, Gesundheit, physische Attraktivität und Alter. Da alle Partnerlosen nach einer Vergrößerung der Ressourcen streben, führt Becker ein Marktgleichgewicht ein, welches zu Partnerschaftshomogamie, also „positive assortive mating“ führt: Personen mit günstiger Ressourcenausstattung haben gute Chancen ein Partnerschaftsangebot von ebenfalls gut ausgestatteten Personen zu erhalten, während für weniger gut Ausgestattete nur entsprechende Partner zur Verfügung stehen (Becker 1973: 825ff.). Gut ausgestattete Individuen haben damit eine bessere Aussicht auf einen möglichst Nutzen bringenden Partner als weniger gut ausgestattete. Insgesamt kommt die Familienökonomie somit zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie die Austauschtheorie, welche mit der Vergrößerung des Ressourcenzugangs und der Reziprozitätsnorm argumentiert. In diesem Sinne steht die Ressourcenausstattung auch hier für die Attraktivität einer Person.

Lediglich hinsichtlich des Erwerbseinkommens unterstellt Becker das Gegenteil. Er postuliert, dass die Produktivität des Haushalts durch eine arbeitsteilige Spezialisierung der Partner auf Tätigkeiten im Haushalt (einschließlich der Betreuung von Kindern) bzw. im Erwerbsmarkt gesteigert wird (vgl. Becker 1981: 14ff). Die Spezialisierung führt dazu, dass sich die Eigenschaften der Partner (im Gegensatz zu allen anderen Ressourcen) hinsichtlich des Zugangs zur Ressource Erwerbseinkommen größtmöglich unterscheiden sollten („negative assortive mating“). Damit würde festgelegt, welcher der Partner sich auf die Erwerbsarbeit, welcher auf die Hausarbeit und die Betreuung der Kinder konzentriert. In vergangenen Arbeiten wurde insbesondere an Beckers These des negative assortive matings aufgrund einer arbeitsteiligen Spezialisierung Kritik geübt (Hill/Kopp 2006: 120, Glowsky 2011: 38f.). Die Argumentation wird im Folgenden geschildert und erläutert, warum die Spezialisierung insbesondere für die betrachtete Gruppe Alleinerziehender in Frage zu stellen ist. So bezieht Becker in seine Überlegungen zur Arbeitsteilung nicht ein, dass die Haushaltsproduktion auch durch die Abgabe von Hausarbeit an Dritte gesteigert werden kann (ebd.: 39, Lengerer 2012: 253). Hierunter lässt sich die Externalisierung von Haushaltstätigkeiten wie auch die Betreuung von Kindern fassen. Damit kann die Produktivität des Haushalts auch durch den Erwerb marktspezifischer Güter durch beide Haushaltspartner erhöht werden.[1] Die arbeitsteilige Spezialisierung der Partner auf einen der Bereiche (Haushalt vs. Erwerbsmarkt) ist da- mit nicht mehr zwingend die gewinnbringendste Option. Empirische Ergebnisse belegen in diesem Sinne, dass Männer bei der Wahl der Partnerin zunehmend Wert auf deren sozioökonomischen Status legen (Esteve/GarcíaRomán/Permanyer 2012, Buss/Shackelford et al. 2001; Skopek/Schulz et al. 2009: 184, vgl. Glowsky 2011). Dass Individuen bei der Partnerwahl Kriterien berücksichtigen, welche sich auf das Konzept der arbeitsteiligen Spezialisierung der Sphären Hausarbeit und Erwerbsarbeit stützen, ist lediglich für Partnerwahlprozesse innerhalb von traditionellen Heiratsmärkten (de Graaf/Kalmijn 2003) nicht jedoch in modernen Gesellschaften anzunehmen (Lengerer 2012: 253). Darüber hinaus unterscheidet sich der Partnermarkt Alleinerziehender von dem Kinderloser insofern, als es sich in der Regel um die Wahl eines Folgepartners handelt. Im Folgenden wird dargestellt, warum hier umso weniger angenommen werden kann, dass es sich dabei um den von Becker postulierten traditionellen Partnermarkt handelt, sodass die sozioökonomische Situation alleinerziehender Frauen eventuell besonders stark durch potentielle Partner gewichtet wird. Becker (1973) unterstellt allgemein, dass der Haushaltsnutzen im Vordergrund stünde (ebd. 816). Die Versorgung gemeinsamer Kinder sei ein Hauptnutzen von Haushalten (ebd.). Es ist fraglich inwiefern die Produktion von Gütern zur Versorgung von im Haushalt lebenden Kindern einen Nutzen für nichtleibliche Eltern darstellt. Im Sinne von Rationalitätsannahmen ist es nur nahe liegend davon auszugehen, dass der leibliche Elternteil einen größeren Nutzen durch die Versorgung des Kindes erfährt als der neue Partner (vgl. auch Textor 1993, Jaschinski 2011). Damit sollten auch die insgesamt anfallenden Aufgaben der Erwerbsund der Privatsphäre nicht zu gleichen Teilen zwischen den Haushaltspartnern aufgeteilt, sondern nach dem jeweils individuellen Nutzen gewichtet werden. Eine komplette Übernahme einer der Sphären durch nur einen Partner stellt damit keine für alle Beteiligten nutzensteigernde Handlungsoption dar. Der Beitrag der Alleinerziehenden zur ökonomischen Versorgung der Kinder wird notwendig, da die Bereitschaft des neuen Partners zur vollständigen Übernahme dieser vermutlich eingeschränkt ist (vgl. Hofferth/Anderson 2003). Neben Unterhaltszahlungen durch den leiblichen Vater des Kindes sowie familialen oder staatlichen Unterstützungsleistungen, dürfte demnach vor allem das Potenzial der Alleinerziehenden zur ökonomischen Versorgung der Kinder einen positiven Einfluss auf die Bereitschaft eines potentiellen Partners zum Zusammenzug mit der Frau und ihren Kindern haben. Sowohl aufgrund der genannten Möglichkeiten zur Externalisierung von Hausarbeit als auch der geringen Bereitschaft zur vollständigen Übernahme der Produktion erwerbsmarktspezifischer Güter durch den neuen Partner im speziellen Fall des Alleinerziehens, wird in dieser Studie also dem Aspekt des negative assortive matings kein Gewicht beigemessen. Vielmehr werden ökonomisch relevante Faktoren im Sinne des positive assortive matings als attraktivitätssteigernde Merkmale angesehen.

Zusammenfassend sei festgehalten, dass unabhängig von der Frage nach einer arbeitsteiligen Spezialisierung der Partner, oder danach ob die Aufgaben zu exakt gleichen Teilen erledigt werden, das Ressourcenpooling innerhalb von Haushalten eine Option darstellt mit der insbesondere zeitliche und ökonomische Ressourcen vergrößert werden können.[2] Besonders für Alleinerziehende führt dies zu einer großen Nutzensteigerung, da diese in der Regel einen knappen Zugang zu den genannten Ressourcen haben. Folglich führt die Verbindung mit einem Partner mit möglichst guter Humankapitalausstattung zur größten Nutzensteigerung. Durch das explizit eingeführte Marktgleichgewicht wird festgehalten, dass die entsprechenden Merkmale auch bei der partnerlosen Alleinerziehenden vorliegen sollten, um einen produktiven Partner für sich zu interessieren. Becker konkretisiert, dass Bildung, Gesundheit und physische Attraktivität zu den gesuchten sogenannten „produktiven Gütern“ gehören, welche die Attraktivität einer Person für die Haushaltsgründung steigern. Es wurde hergeleitet, dass auch ökonomische Güter, wie beispielsweise das Erwerbspotenzial, Alleinerziehende auf dem Partnermarkt attraktiver machen. Damit verdeutlicht die Theorie, was die Austauschtheorie nicht explizieren konnte: die Gründung eines partnerschaftlichen Haushalt ist mit der Verbesserung der Haushaltsproduktion verbunden, da das Ressourcenund Aufgabenpooling zu effizienterem Wirtschaften führt. Die Relevanz ökonomischer Faktoren bzw. sogenannter produktiver Güter für den speziellen Übergang in einen partnerschaftlichen Haushalt wird dementsprechend betont.

  • [1] Im Zuge der Bildungsexpansion seit Mitte der 1960er Jahre holten Frauen beim Erwerb von Schulabschlüssen auf und erreichen mittlerweile höhere Schulabschlüsse mit besseren Noten als Männer (BMFSFJ 2005: 98). Dies führte zu einem Anstieg an Opportunitätskosten für Frauen im Falle von (beispielsweise familienbedingter) Erwerbsreduktion. Die hiermit einhergehende Zunahme weiblicher Erwerbspartizipation verstärkte den Zuwachs an Humankapitel von Frauen. Entsprechend stellt die traditionelle arbeitsteilige Spezialisierung für gegenwärtige Partnerschaften häufig keine oder allenfalls noch während der ersten Lebensjahre gemeinsamer Kinder eine attraktive Option dar (vgl. Lengerer 2012: 251ff.).
  • [2] Becker (1973) prägte an dieser Stelle den Begriff der „economies of scale“ im Bereich der Haushaltsproduktion (ebd.: 304).
 
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