Integration der theoretischen Überlegungen in ein zusammengefasstes Modell der Partnerschaftsentwicklung Alleinerziehender und Thesengenerierung

Die theoretischen Ansätze verdeutlichen die hohe Komplexität des Hintergrunds vor dem Partnerlose generell und Alleinerziehende insbesondere partnerschaftliche Übergänge erleben. So regulieren vielfältige Faktoren auf der Mikround der Makroebene sowohl die Nachfrage der Alleinerziehenden an Partnern als auch das zur Verfügung stehende Angebot an in Frage kommenden Partnern. Da sich Angebot und Nachfrage wechselseitig durch die Anpassung von Ansprüchen beeinflussen können und einzelne Faktoren auch unabhängig davon häufig gleichzeitig für mehrere, teils gegensätzlich wirkende Mechanismen ausschlaggebend sind, bestehen sehr komplexe Interdependenzen. Um dennoch zu nach- vollziehbaren Hypothesen zu gelangen, werden im Folgenden zunächst noch einmal die eher abstrakten theoretischen Grundhypothesen zusammenfassend skizziert (Abschnitt 2.5.1), bevor sie auf einzelne konkret messbare Merkmale übertragen werden (Abschnitt 2.5.2). Die Hypothesen leiten die empirischen Analysen an und sollen die Interpretation der Ergebnisse unterstützen. Dieser Abschnitt stellt damit eine direkte Hinleitung zur Empirie und einen ersten Schritt zur Operationalisierung der Konstrukte dar. Im empirischen Teil der Studie (Kapitel 4) werden die Determinanten mit Bezug auf die Daten konkretisiert und technische Details beschrieben.

Zusammenfassung des theoretischen Grundmodells und übergeordnete Hypothesen

Als individuelle Handlungslogik auf der Mikroebene wurde das Rationalitätsprinzip zugrunde gelegt. Der Beginn einer Partnerschaft, ihre Fortsetzung oder ihre Transformation in eine Haushaltsgemeinschaft muss demnach zu dem betreffenden Zeitpunkt einen größeren Nutzen bringen als die jeweilige Alternative, beispielsweise die Auflösung der Partnerschaft. Austauschtheorie und Familienökonomie betonen das Streben nach Nutzensteigerung durch die Verpartnerung mit möglichst attraktiven Partnern (Maximierungsprinzip). Für die Partnerschaftsgründung relevante Attraktivitätsmerkmale sind insbesondere Ressourcen, die einen Tausch affektiver Güter versprechen (Zeit, Aufmerksamkeit, positive, emotionale Involviertheit, physische Attraktivität). Universellere Güter und hier insbesondere ökonomische Güter sind dagegen vor allem für die Haushaltsgründung bedeutsame Attraktivitätsmerkmale. Da die Partnerschaftsgründung der Haushaltszusammenlegung vorausgeht, werden, im Falle einer grundsätzlich angestrebten Haushaltsgründung, bereits bei der Wahl eines Partners für eine Partnerschaftsgründung sozioökonomische Merkmale eine Rolle spielen.[1] Andererseits ist auch der Erfolg der Partnerschaft, also ihre Aufrechterhaltung und/oder Institutionalisierung, vom erfolgreichen Tausch affektiver Güter abhängig. Bei vollständiger Informiertheit aller Marktteilnehmer über die Merkmale aller anderen, sollte das Maximierungsprinzip dazu führen, dass als attraktiv bewertete Personen schneller als Personen mit weniger gewünschten Eigenschaften ein akzeptables Angebot erhalten, sprich ein Angebot von einem nut-

zenmaximierenden Partner.

Die Suchtheorie baut grundsätzlich auf dem Grundgedanken der individuellen Nutzensteigerung durch partnerschaftliche Veränderungen auf. Sie betont jedoch die Prozesshaftigkeit der Partnersuche und ergänzt realitätsnäher als die statische Annahme der vollständigen Informiertheit aller Marktteilnehmer, dass erst Informationen über die Marktteilnehmer eingeholt werden müssen, bevor ein potenzieller Partner als nutzenstiftend für die Partnerschaftsoder Haushaltsgründung identifiziert wird. Insbesondere zur Durchsetzung hoher Partneransprüche ist eine intensive, langwierige Informationsgewinnung, sprich Suche notwendig. Ferner sollte die Durchsetzung hoher Ansprüche die Partnerqualität und damit auch den Partnerschaftserfolg (also die Aufrechterhaltung bzw. Institutionalisierung) positiv beeinflussen. Sowohl die Zeit bis zum Eingehen einer Partnerschaft kann zur Informationsgewinnung genutzt werden (extensive Suche) als auch die zwischen Partnerschaftsund Haushaltsgründung (intensive Suche). Die Suche ist mit Kosten verbunden. Neben direkten Suchkosten, wie beispielsweise dem Besuch von Single-Bars, Mitgliedschaften in Vereinen bzw. den Fahrkosten zwischen den Wohnorten der Partner, spielen auch indirekte Kosten wie entgangene Gewinne durch das Nichteingehen von Partnerschaften bzw. Haushaltsgemeinschaften eine Rolle („Opportunitätskosten“). Sowohl die Attraktivität (I), der Bedarf (II), die Gelegenheiten zum Kennenlernen von Partnern (III) als auch die Umstrukturierungskosten (IV) beeinflussen die Suchkosten.

I. Für eine Partnerschaftsgründung besonders attraktive Partnerlose haben hohe Ansprüche an Partner, da nur die Verbindung mit ebenfalls attraktiven Personen für sie einen Ressourcenzuwachs bedeutet. Die Berücksichtigung der Notwendigkeit von Informationsgewinnung über Marktteilnehmer führt dazu, dass für attraktive Suchende eine längere Suchdauer angenommen wird, da sie auf die suchintensive Durchsetzung hoher Partneransprüche angewiesen sind, um eine Nutzensteigerung zu erfahren. Die Suchkosten je Zeiteinheit sind für sie gering, da die Ausdehnung der Suche für sie letztlich Gewinne erhöht. Liegen weniger attraktiven Personen nun jedoch zumindest phasenweise keinerlei Angebote vor, bewirken auch ihre niedrigeren Partneransprüche keine schnellere Partnerschaftsbzw. Haushaltsgründung. Insgesamt lässt sich damit nur schwer vorhersagen, ob Attraktivität aufgrund vermehrter Angebote zu einem schnelleren oder aufgrund der Anreize zur längeren Informationsgewinnung zu einem verzögerten Abschluss der Partnersuche führt. Eine Verzögerung ist allerdings nur unter zwei Voraussetzungen zu erwarten: Zum einen muss sich die attraktive Suchende über ihren Marktwert bewusst sein (ansonsten wären ihre Ansprüche nicht erhöht), zum anderen dürfen die Suchkosten nicht aufgrund der anderen Aspekte (Bedarf, Gelegenheiten zum Kennenlernen von Partnern und Umstrukturierungskosten) hoch sein, da auch dies zu einer notwendigen Herabsetzung der Ansprüche und damit einer kürzeren Suchzeit aufgrund vieler An- gebote führen würde. Da viele Alleinerziehende, wie einleitend geschildert wurde, grundsätzlich einen eher erhöhten emotionalen und ökonomischen Partnerbedarf haben und davon ausgegangen werden kann, dass nicht alle attraktiveren Alleinerziehenden ihre Partnermarktposition als entsprechend gut wahrnehmen, wird erwartet, dass attraktivitätssteigernde Merkmale (zeitliche, positive emotionale Verfügbarkeit, physische Attraktivität bzw. sozioökonomische Merkmale) zu einer Verkürzung der Suchdauer führen. Je nach Attraktivitätsmerkmal wird die Alleinerziehende für die Partnerschaftsund/oder die Haushaltsgründung als attraktive Partnerin bewertet, sodass sich die Übergänge schneller vollziehen. Zudem führt das größere Angebot, dem sich attraktivere Suchende gegenüber sehen, häufiger zu Partnerschaften mit höherer Qualität, was zu besseren Aussichten auf eine Aufrechterhaltung oder Institutionalisierung der Partnerschaft führt. (Hypothese 1)

Einzelne Merkmale bedingen eine positive Wahrnehmung der Chancen auf dem Partnermarkt eher als andere, sodass mit einer Aufrechterhaltung hoher Partneransprüche zu rechnen ist. Zusätzlich beeinflussen einige Attraktivitätsmerkmale gleichzeitig den Partnerbedarf oder die Gelegenheiten zum Kennenlernen von Partnern mehr oder minder. Damit ist angeraten Hypothese 1 für jedes einzelne der Attraktivitätsmerkmale theoretisch zu diskutieren und gegebenenfalls anzupassen (siehe Abschnitt 2.5.2).

II. Erhöhter Partnerbedarf steigert die Suchkosten und führt über die Herabsetzung der Partneransprüche zu einer Verkürzung der Partnersuche. Je nach Bedarfsmerkmal werden Alleinerziehende sowohl die Partnerschaftsals auch die Haushaltsgründung eher vollziehen wollen. Insbesondere die Haushaltgründung ist jedoch auch vom Partnerschaftserfolg abhängig, welcher wiederum mit geringerer Wahrscheinlichkeit gegeben ist, wenn Ansprüche reduziert werden. (Hypothese 2a) Analog zu den Attraktivitätsmerkmalen, sind auch für den Bedarf an einem Partner unterschiedliche Aspekte relevant, je nachdem, ob die Entscheidung zur Partnerschaftsoder Haushaltsgründung ansteht. Emotionaler Bedarf (emotionale Beanspruchung, Geltung der Zwei-Eltern-Norm) ist insbesondere für die Partnerschaftsgründung, ökonomischer eher für Haushaltsgründung relevant. Zudem wird auch hier vorausgesetzt, dass Alleinerziehende einen erhöhten Bedarf aufgrund bestimmter Merkmale zunächst wahrnehmen bevor sie ihre Handlungsentscheidungen daran anpassen. Einige Merkmale führen vermutlich zu einer stärkeren Bedarfswahrnehmung als andere. Da ökonomische Deprivation sich besonders grundlegend auf die Lebensqualität auswirkt, ist zu erwarten, dass vor allem ein ökonomischer Partnerbedarf (z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit) bewusst wahrgenommen wird und zu einer Verkürzung der Partnersuche und insbesondere zu einer Verkürzung der LAT-Phase führt. Sichtbar wird der Einfluss ökonomischen Bedarfs auf eine schnelle Haushaltsgründung nur dann, wenn häufige Partnerschaftstrennungen aufgrund herabge- setzter Ansprüche die Intention zum schnellen Zusammenziehen nicht kompensieren. Zudem ist zu beachten, dass ökonomischer Bedarf nicht per se mit ökonomischem Partnerbedarf gleichzusetzen ist. Voraussetzung dafür, dass ein Partner ökonomischen Bedarf bedienen kann ist, dass dieser über entsprechende Ressourcen verfügt. An dieser Stelle gilt es auch einzubeziehen, dass nach einer Haushaltsgründung gegebenenfalls institutionelle Leistungen wie bedarfsabhängige staatliche Transferzahlungen oder Unterhaltsleistungen entfallen. Sollten Alleinerziehende befürchten, durch die Partnerschaftsentwicklung Zahlungsansprüche zu verwirken, ist zu erwarten, dass ökonomische Deprivation nicht zum zügigeren Eingehen von Partnerschaften führt und mehr noch ist zu vermuten, dass die Phase des LATs ausgedehnt wird (Hypothese 2b: Transferthese).

III. Die Gelegenheitsstruktur zum Kennenlernen von Partnern beeinflusst die Partnersuche zunächst positiv. Wer eher auf potenzielle Partner trifft (durch eine hohe absolute und relative Anzahl erreichbarer und ungebundener potenzieller Partner oder ein gute Einbindung in foci of activity), wird vermutlich eher eine Partnerschaft eingehen – zudem eher eine mit einem gut passenden Partner. Allerdings steht den Alleinerziehenden im Sinne der Suchtheorie durch die Reduktion der Partneransprüche ein Instrument zur Verfügung, über das die Suchdauer verkürzt werden kann. Es ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass die Anspruchsreduktion ungünstige Gelegenheitsstrukturen vollständig wettmacht. Zudem sind sich Partnersuchende vermutlich nicht immer über die ungünstigen Gelegenheiten bewusst und passen somit auch ihre Ansprüche nicht immer an. Gute Gelegenheiten zum Kennenlernen von Partnern sollten damit einen positiven Einfluss auf die Partnerschaftsgründung haben. Da in diesen Kontexten außerdem häufiger auch gut passende Partner aufeinander treffen, sollte auch die Zeit des LATs zugunsten häufigerer Haushaltsgründungen eher kurz sein (Hypothese 3).

IV. Die sozialpsychologisch-systemtheoretischen Überlegungen heben die negativen Konsequenzen einer partnerschaftlichen Veränderung für das Familiensystem Alleinerziehender hervor. Dem Ansatz zufolge ziehen partnerschaftliche Veränderungen Umstrukturierungsprozesse nach sich. Gründet die Alleinerziehende eine Partnerschaft oder einen partnerschaftlichen Haushalt entstehen neue Rollen und Aufgaben, was Bewältigungsanstrengungen notwendig macht. Sogenannte Umstrukturierungskosten fallen an. Ein gut passender Partner verursacht zum einen geringere Umstrukturierungskosten, zum anderen kompensiert sein Nutzen die anfallenden Kosten eher als ein weniger geeigneter Partner. Das Erwarten von Umstrukturierungskosten resultiert damit ebenfalls in hohen Partneransprüchen, welche zu einer ausgedehnten Suche führen (Hypothese 4).

Neben den Partnereigenschaften sind Umstrukturierungskosten außerdem von der Art des Ereignisses (abrupt, vorhersehbar, umfassend, un/erwünscht) abhängig. Die Haushaltsgründung als umfassend einflussnehmendes Ereignis sollte damit mehr noch als die Partnerschaftsgründung Umstrukturierungskosten verursachen. Vor allem die Zeit des LATs sollte damit ausgedehnt werden, wenn Umstrukturierungskosten erwartet werden. Zusätzlich spielen die Ressourcen der Alleinerziehenden sowie die ihrer Kinder (zeitliche und emotionale Auslastung, Akzeptanz durch Umfeld, sozioökonomische Belastungen) eine Rolle für die Höhe der Umstrukturierungskosten. Wie bereits anklingt, können auch Umstrukturierungskosten nur dann einen Einfluss auf die Suchdauer haben, wenn die Alleinerziehende sie dementsprechend bewertet und ihre Ansprüche nach ihnen ausrichtet. Hierfür sind übergeordnet die Erziehungsideale sowie Erfahrungen mit Umstrukturierungskosten bedeutsam. Die Merkmale müssen damit auch vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für anfallende Umstrukturierungskosten und deren Bewertung diskutiert werden.

Tabelle 2 bietet eine Kurzübersicht über die Grundhypothesen sowie den in der Zusammenfassung genannten Dimensionen. Im Zentrum steht die Dauer des Alleinerziehens im Ganzen, welche sowohl die Dauer bis zur Partnerschaftsals auch die Dauer bis zur Haushaltsgründung mit einschließt.[2] Im darauf folgenden Abschnitt 2.5.2 werden, mit Hilfe der Hinweise aus den theoretischen Überlegungen, Merkmale zur Abbildung der Dimensionen genannt und auf Basis der Grundhypothesen überprüfbare Annahmen abgeleitet.

Tabelle 2: Übersicht über die Grundhypothesen zur Dauer des Alleinerziehens und relevante Dimensionen

  • [1] Für die Gruppe Alleinerziehender, insbesondere die gegenwärtig Alleinerziehenden wurde herausgestellt, dass sozioökonomischer Status entgegen Beckers Annahmen als positive Ressource anzusehen ist.
  • [2] Übergangsspezifische Details und Wechselwirkungen sind den ausführlicheren Aufzeichnungen im Text zu entnehmen.
 
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