Polizeilicher Umgang mit Opfern von vorurteilsgeleiteter Kriminalität

Das polizeiliche Einsatzverhalten und -handeln bei vorurteilsmotivierter Kriminalität ist unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes und der dafür notwenigen Sensibilität der eingesetzten Beamtinnen und -beamten gegenüber den Belangen der Betroffenen ein in Deutschland bisher wenig beforschtes Gebiet. Dies trifftauf Opfer mit Migrationshintergrund ebenso zu wie auf alle anderen Opfergruppen von vorurteilsmotivierter Kriminalität (Homosexuelle, Obdachlose u. a.).

Von den wenigen Studien konzentrieren sich die meisten auf die Erforschung der Opfersituation aus polizeilicher Perspektive. Nur sehr wenige davon untersuchen die Kontaktsituation zwischen Polizei und Migranten aus der Opferperspektive, indem sie die Erfahrungen von Migranten in den Blick nehmen. In jüngster Zeit kann auf die Untersuchungen von Quent et al. (2014) und von Böttger et al. (2014) verwiesen werden.

Weitaus größer ist die Zahl der Forschungsstudien, die den polizeilichen Opferschutz in anderen Kriminalitätsbereichen untersuchen, wie etwa Häusliche Gewalt und Stalking [1] , oder die ganz allgemein (deliktübergreifend) die Professionalität der Polizei im Umgang mit Opfern in den Blick nehmen. [2]

Schon allein aus der quantitativen Diskrepanz der Forschungsthemen begründet sich ein Bedarf an weiterführender Forschung zum polizeilichen Opferschutz bei vorurteilsmotivierter Kriminalität.

Die polizeiliche Perspektive

Seit 2001 werden in der deutschen Polizei mehr oder weniger erfolgreiche Anstrengungen unternommen, das aus den USA stammende Konzept der so genannten „Hate Crime“ (Hasskriminalität [3] ) bei der Verfolgung von insbesondere rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten zu berücksichtigen. Einige Bundesländer haben dieses Konzept früher, andere später in die Curricula der polizeilichen Ausund Fortbildung übernommen. Polizeilicher Opferschutz muss sich stärker auf die hassgefährdeten Opfer einstellen, die von den Tätern als fremd, minderwertig, als schädliche Konkurrenz u. a. stigmatisiert werden. Die Stigmatisierung als ein Ausdruck „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (Wilhelm Heitmeyer) trifft Migranten aber auch Homosexuelle, Behinderte, Obdachlose u. a.

Im Rahmen eines 2001 vom Bundesministerium der Justiz an die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) vergebenen Forschungsprojekts zur Implementierung des Konzepts „Hate Crime“ in Deutschland verweisen Kube und Rohde (2003, S. 145–146) auf ein 1998 in Hessen in Angriff genommenes, damals bundesweit einmaliges (und unseres Wissens nach bis heute bundesweit einmaliges), Projekt „Professioneller Umgang mit Opfern und Zeugen“ durch die Polizei. Es wurde unter Beteiligung des Kriminalistischen Instituts des Bundeskriminalamtes beim Polizeipräsidium Darmstadt durchgeführt und von der Technischen Universität Darmstadt evaluiert. Mit diesem Projekt sollte die fachliche und soziale Kompetenz von Polizeibeamtinnen und -beamten gefördert werden, um zur Erweiterung des Problembewusstseins im polizeilichen Umgang mit Opferzeugen beizutragen. Kube und Rohde zeigen unter Zugrundelegung der Evaluationsergebnisse einerseits auf, dass dieses Projekt erfolgreich war (vgl. Balß et al. 2001 und Voß 2001). Andererseits belegen die Ergebnisse die Notwendigkeit von besonderen Maßnahmen zur Verbesserung des polizeilichen Umgangs mit Opfern und Zeugen. Dazu heißt es, dass aus der Sicht der befragten Polizeibeamten im Bereich der Ausund Fortbildung Defizite beim Thema „Polizeilicher Umgang mit Opfern und Zeugen“ bestehen. Dies wird durch die in der Evaluationsstudie ebenfalls befragten Opfer bestätigt (ebd., S. 146, zitiert nach Balß 2001, S. 123).

Nach Kube und Rohde hat die Polizei in Deutschland die Bedeutung des polizeilichen Opferschutzes erkannt und verstärkt in der Praxis und in der Ausund Fortbildung berücksichtigt. Zugleich sehen sie aber noch Entwicklungsbedarf in Bezug auf das Themenfeld „Hasskriminalität“, bemerkenswerterweise „mit Ausnahme rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Straftaten“ (ebd., S. 146). Damit gehen sie auf die schon Anfang der 2000er Jahre verstärkten Bemühungen der Polizei zur Sensibilisierung und Wissensvermittlung ein und verweisen auf Handreichungen u. a., die „wichtige Erkenntnisse zum Opferschutz handlungsorientiert zusammenzufassen (…) und Informationen über Erwartungen von Opfern und Hinweise zum Verhalten gegenüber Opfern enthalten“ (ebd., S. 146). Obwohl in den Handreichungen Hasskriminalität nicht ausdrücklich erwähnt wird, enthalten sie Informationen zu „speziellen Opfergruppen, die sich teilweise mit Opfergruppen von „Hate Crime“ überschneiden können“ (ebd., S. 146).

  • [1] Beispielsweise Studien, in denen u. a. untersucht worden ist, welche Erfahrungen Opfer mit der Polizei gemacht haben (Voß et al. 2006; Bals 2010; Greuel et al. 2010).
  • [2] Hier ist insbesondere die aufschlussreiche Evaluationsstudie von Voß (2001) zum professionellen Umgang der Polizei mit Opfern und Zeugen zu nennen, worauf in der vorliegenden Studie noch ausführlicher eingegangen wird.
  • [3] In der vorliegenden Studie wird von vorurteilsmotivierter Kriminalität anstelle des oft synonym verwandten Begriffs Hasskriminalität (Hate Crime) gesprochen (Definition und nähere Erläuterungen dazu siehe Kap. 4.1).
 
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