Ergebnisse der Untersuchung
Die polizeiliche Reflexion des Einsatzgeschehens im Fall„K“
Die Einsatzsituation im Fall „K“ wurde schon ausführlich im Kap. 2 dargelegt (vgl. dazu auch die Fallbeschreibung Nr. 12 in der Anlage). Es handelt sich um den Überfall von drei Personen, von denen einer als rechtsextrem polizeibekannt ist, auf einen türkischen Döner-Imbiss-Besitzer aus dem Jahr 2012.
In den folgenden Abschnitten werden die Analyseergebnisse zu den Sichtweisen der Polizeibeamtinnen und -beamten auf das inkriminierte Einsatzgeschehen im Fall „K“ vorgestellt, zum einen aus der Perspektive der Führungskräfte (leitende Positionen und unmittelbare Vorgesetzte) und zum anderen jeweils aus der Perspektive der operativen Kräfte des Kriminaldiensts sowie des Einsatzund Streifendiensts.
Die verschiedenen Führungspositionen und die beiden Organisationsteile Einsatzund Streifendienst sowie Kriminaldienst stellen unterschiedliche Erfahrungsräume für die jeweiligen Polizeibeamtinnen und -beamten dar, in denen verschiedene Relevanzsysteme für die Beurteilung des in der Kritik stehenden Polizeieinsatzes im Fall „K“ existieren.
Die komparative Analyse der Einzelinterviews mit den Führungskräften und die Rekonstruktion der Gruppendiskussionen mit den Sachbearbeiterinnen/Sachbearbeitern und Einsatzbeamtinnen/Einsatzbeamten und ihre „reflektierenden“ Interpretationen (Bohnsack) ergaben typische Muster der Problemwahrnehmung (gemeinsam geteilte und handlungsleitende Erfahrungsund Wissensbestände), die im Folgenden zunächst für die Beamtinnen und Beamten in leitenden Positionen und unmittelbaren Vorgesetzten, daran anschließend für die Sachbearbeiterinnen/Sachbearbeiter und schließlich für die Einsatzbeamtinnen/Einsatzbeamten aufgezeigt werden.
Führungsbeamte in leitenden Positionen und unmittelbare Vorgesetzte
Die fallbezogene Problemwahrnehmung und Bewertung der leitenden Beamtinnen und Beamten und unmittelbaren Vorgesetzten lässt sich in vier Kategorien zusammenfassen:
1. Polizeibeamte, deren Aussagen weitgehend oder sogar vollständig im Konsens zur Falldarstellung und Fallbewertung der Opferberater stehen.
2. Polizeibeamte, die bei der Bewertung des Falls zurückhaltend sind mit der Begründung, dafür weitere, vor allem polizeiinterne Informationen zu benötigen und/oder darüber erst mit den von der Kritik betroffenen Einsatzbeamten persönlich sprechen wollen, um ein objektives Bild zu gewinnen.
3. Polizeibeamte, deren Aussagen im klaren Dissens zur Falldarstellung und Fallbewertung der Opferberater stehen, diese energisch zurückweisen.
4. Polizeibeamte, die die von der Opferberatung benannten Verhaltensdefizite der Einsatzbeamten einräumen, diese jedoch relativieren (nicht rechtfertigen!) unter Verweis auf inzwischen vorgenommene Richtigstellungen von scheinbaren Einsatzfehlern und/oder mit Hinweis auf unabweisbare polizeiliche Handlungsanforderungen in Einsatzlagen.
Für die Aussagen der Beamtinnen und Beamten der ersten Kategorie ist charakteristisch, dass sie besonders die kritisierten polizeilichen Verhaltensaspekte respektive die sozialkommunikativen Defizite in den Mittelpunkt ihrer Bewertung stellen. Diese Kritik fällt zuweilen scharf und prägnant aus, auch unter Verweis auf andere, ähnliche Fallbeispiele. Dabei wird zum einen grundsätzlich eine zu geringe und generell nicht selbstverständliche opferorientierte Polizeiarbeit kritisiert. Die Emotionen der Opfer werden aufgrund ihrer Gefährdungen verstanden, ihrer Wahrnehmung von Diskriminierungen wird mit Verständnis begegnet. Die Kritik wird als berechtigte Reaktion auf falsches polizeiliches Verhalten bewertet.
Zum anderen werden Wahrnehmungsdefizite hinsichtlich der Einordnung des Falls als politisch motivierte Kriminalität gesehen, die angesichts der vorliegenden Tatsachen schon beim „ersten Angriff“ nicht zu entschuldigen seien. Die Kritik schließt auch den Beamten am Notruf nicht aus, unabhängig von den Verständigungsschwierigkeiten:
Ich verstehe das Handeln der Kollegen dort nicht. Erstens kann ich nicht verstehen, wenn jemand über Notruf anruft, egal, ob er, äh, sage ich mal, verständlich ist oder nicht. Dieser Notruf wird ja gewählt aus einem bestimmten Grund heraus. Und wenn ich mir nicht sicher sein kann, dass das wirklich nur eine Bagatelle ist, dann bin ich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ich da halbwegs verstehe oder aufnehmen kann, was da passiert. (…) und was dann da vor Ort passiert ist, das widerspricht genau dem (…), dass man erstmal überlegen muss und dann schauen muss, wie hat sich dieser ganze Sachverhalt zugetragen. Und wenn ich hier lese, der wird zusammengeschlagen (…), da ist eine Schaufensterscheibe kaputt, da ist Blut und da habe ich zwei oder eine türkische und eine kurdische Person da und auf der anderen Seite offensichtlich ja Rechte, die auch bekannt sind als Rechte. Also, wie man dann den Sachverhalt so aufnehmen kann, so wie es zumindest hier dargestellt wird, kann ich nicht nachvollziehen. (MAXQDA Interview 09/01/E 90)
Des Weiteren wird auf die persönliche Verantwortung des Vorgesetzten für den Fall hingewiesen, der vor Ort den Sachverhalt abklären muss, ob fremdenfeindliche Straftaten vorliegen:
Wenn der LEvD so einen Sachverhalt bekommt, dann hat er sich rauszubewegen vor Ort, hat den Sachverhalt vor Ort abzuhandeln. Der hat dafür zu sorgen, dass eben diese ganzen Probleme nicht zustande kommen können. Dass eben zu klären ist, handelt es sich um eine rechtsextremistische Straftat oder, in Anführungszeichen, ist es nur das Auseinandersetzen wegen dem Rauchverbot im Lokal. (…). (MAXQDA Interview 15/02/E 248)
Die Sichtweisen der Beamtinnen und Beamten der zweiten Kategorie verweisen auf eine innerpolizeiliche Solidarität und auf eine zurückhaltende Beurteilung des vorgelegten Falls. Das Fehlen zusätzlicher polizeilicher Informationen und/oder eines direkten Eindrucks aus einem persönlichen Gespräch mit den von der Kritik betroffenen Einsatzbeamten führt dazu, den Sachverhalt nicht wirklich bewerten zu wollen. Die Frage nach den Opferbedürfnissen und -interessen wird zwar aufgegriffen, sie spielt aber bei der Bewertung des polizeilichen Handelns keine zentrale Rolle:
Jeder sieht die Sache anders und jeder hat es auch irgendwo aus Berichten anders dargestellt bekommen. Deshalb kann ich dazu eigentlich auch groß nichts sagen. Was ich natürlich hier herauslese, wenn es wirklich um die Opferperspektive geht, dass der Betroffene sich ein anderes Verhalten der Polizeibeamten gewünscht hätte. Und auch so berechtigt, logischerweise. Woran das nun liegt, dass die Polizeibeamten nicht mit der Sensibilität dort gehandelt haben, kann ich nicht sagen. Ich kenne den Sachverhalt nicht im Detail. Das ist halt auch immer schwierig, daraus dann zu sagen: Ja, die haben richtig gehandelt, die haben falsch gehandelt, das hätte besser laufen müssen. Das ist halt immer schwierig, das von außen festzustellen, ohne dass man mit den Beamten spricht. (MAXQDA Interview 04/03/E 4)
Für die Aussagen der Beamtinnen und Beamten der dritten Kategorie ist charakteristisch, dass die polizeilichen Handlungszwänge in den Vordergrund gestellt werden, die Kompetenzanforderungen im Umgang mit den betroffenen Migranten jedoch ausgeklammert werden. Der teilweise strikten Zurückweisung der Falldarstellung und Fallbewertung der Opferberatung werden polizeiliche Einsatzanforderungen und -vorschriften gegenübergestellt. Dabei wird auf Grundsätze der Neutralität, der Gleichbehandlung abgestellt, unabhängig von der Herkunft der Opfer. Die Besonderheit des Falles „K“ oder anderer ähnlich gelagerter Fälle spielt in ihrer Argumentation keine Rolle. Die Polizei muss den Unschuldsbeteuerungen der Täter ebenso nachgehen wie der möglichen Täterschaft des augenscheinlichen Opfers. Es wird kritisiert, dass diese Vorschriften von Außenstehenden wie im vorliegenden Fall (auch generell) nicht gesehen werden und sie dadurch zu einer nicht akzeptablen einseitigen Bewertung des Fallgeschehens kommen:
Nun bin ich es gewöhnt und das wird von mir jeden Tag gefordert, die Sachverhalte möglichst objektiv zu beurteilen, und ich glaube sehr wohl, dass das auch eine sehr emotionale Schilderung dessen ist, was dort sicherlich passiert ist. (…) Aber die Frage ist, ob das jetzt etwas Besonderes ist für einen mit Migrationshintergrund oder ob nicht jeder andere Geschädigte es möglicherweise genauso empfunden hätte, das Handeln der Polizei in einem solchen Sachverhalt, wenn nicht der türkische Imbissbesitzer geschädigt wäre, sondern der, was weiß ich, Betreiber Max Meier eines Fleischergeschäfts (…) Also insofern versuche ich objektiv zu bleiben. (MAXQDA Interview 03/03/E 2–5)
Im folgenden Interviewausschnitt wird der Fall „K“ als Parabel für das allgemeine polizeiliche Vorgehen gesehen:
Okay, einer von der Gruppe, nämlich der, der im ersten Anschein der Geschädigte ist, aber eigentlich auch ganz objektiv nach Ermittlungen der Sachlage der Täter, also auch zu einem Beschuldigten wird in dem Fall, also ganz objektiv. Wenn der dann alkoholisiert wäre, und ich dann eine Atemalkoholkontrolle mache, ist das objektiv eine verhältnismäßige Maßnahme. Derjenige sieht sich aber vielleicht, weil er einen migranten Hintergrund hat, Ausländer ist, für sein persönliches Empfinden nur in der Opferrolle und nicht in der Täterrolle, wo er für sich sagt: ‚Das ist doch hier unverhältnismäßig, was die Polizei macht.' Rein objektiv aber für die Polizeibeamten sich eine Sachlage darstellt, die diese Maßnahme rechtfertigt und auch verhältnismäßig erscheinen lässt. (MAXQDA Interview 18/02/E 192)
Die Aussagen der Beamtinnen und Beamten der vierten Kategorie stellen einiges am Einsatzverhalten der in der Kritik stehenden Beamten richtig. Die Richtigstellung bezieht sich auf die vorgehaltene Einsatzverzögerung, wobei nach ihrer Auffassung keine Informationen aus der Einsatzleitung vorlagen, die eine „Blaulichtfahrt“ hätten rechtlich begründen können. Die Bagatellisierung von Rassismus durch die Einsatzbeamten wird unter Verweis auf die schriftlichen Dokumente zurückgewiesen. Diese Führungskräfte stellen sich vor ihre Kollegen, ohne jedoch die Kritik am Umgang mit den Betroffenen völlig in Abrede zu stellen. Auch seien die Opferbelange nicht ignoriert worden, wobei etwa nachweislich medizinische Hilfe angeboten, in der überhitzten Situation aber wohl nicht angenommen wurde. Ein Tatverdächtiger, dem sie auch angeboten wurde, nahm sie an. Das Verhalten des Beamten am Telefon beim Notruf wurde nicht als absichtsvolles Ignorieren der Hilfsbedürftigkeit der Betroffenen bewertet, sondern als Kommunikationsprobleme beim Erfassen entscheidungsrelevanter Informationen:
Also (…), dass halt dieser Notruf eingegangen ist im Polizeirevier und dass es halt aufgrund der Sprachschwierigkeiten oder des Tohuwabohu, was im Hintergrund zu hören war, zu Verständigungsschwierigkeiten kam zwischen dem Polizeibeamten, der dann sicherlich, wenn der das so gesagt haben soll, sie soll jemanden suchen, der deutsch spricht, kann ich ihn verstehen. Ja, weil es geht darum, dass er ganz intensive Informationen kriegt, richtige Informationen. (…) Ob türkisch oder ein gebrochenes Deutsch, ist halt schwer zu verstehen. Da war ja die Intension, mehr Information zu kriegen. (…) Aber, dass man sich dann halt als Geschädigter auch missverstanden fühlt und diskriminiert fühlt – in die Lage kann ich mich auch reinversetzen und in dem Moment ist der Geschädigte der Hilfesuchende und fühlt sich halt falsch verstanden von der Polizei. Da ist nicht genug Verständnis für die Lage, wo es vor allen Dingen schnell auf die Lösung dieser schwierigen Situation halt ankommt. Dann ist es ja auch immer dieses Gefühl, was der Geschädigte hat vor Ort, bis die Polizei erscheint. (…) Wenn man Hilfe braucht, vergehen Minuten wie Stunden. Ja, sicherlich haben sie berechtigte Interessen oder berechtigte Kritik geübt an dem polizeilichen Handeln vor Ort. Was aber durchaus eben gängig ist, egal aus welchem Land der Geschädigte kommt. (…) Diese Bagatellisierung der Verletzungen kann ich nicht so ganz nachvollziehen, weil man es schon objektiv betrachten muss. Und so viel wie ich weiß, hatten die Kollegen die Geschädigten gefragt: ‚Brauchen Sie ärztliche Hilfe?' Das wurde halt abgelehnt. Ist halt nicht detailgenau wiedergegeben worden, also nicht die Wahrheit. Die (Kollegen) haben sich halt missverstanden gefühlt, augenscheinlich war der Täter, also der Beschuldigte, ja schwerer verletzt worden von der ganzen Geschichte. Wer auch immer da die Verletzung halt zugefügt hat. Und man muss ja auch die Kollegen mal verstehen. Sie kommen da an den Tatort, okay, die türkischen Geschädigten haben die Polizei um Hilfe gebeten, aber sie müssen sich ja ein objektives Bild erstmal machen von dem Tatort, von dem Geschehen. Sie müssen alle Seiten bewerten, die erstmal was mitteilen wollen, anhören und sich nicht irgendwo hinreißen lassen, jetzt Sympathiebekundungen zu führen. Augenscheinlich ist es ja hier so passiert, dass die türkischen Geschädigten denken, (…) sie haben das nicht ernst genommen, sie haben eigentlich mehr Verständnis für die Gegenseite, für die Beschuldigtenseite gehabt als für uns. In diese Zwickmühle kommt man halt ganz schnell als Polizeibeamter. Weil man ja dann, so wie es hier war, die Täter Deutsche waren, ist die Verständigung ganz anders. Man unterhält sich ja dann mit diesen flüssiger, schneller und länger wahrscheinlich als mit jemandem, der sich nicht richtig in unserer Muttersprache artikulieren kann. (…) Und da kann ich es schon verstehen, dass die sich in der zweiten Opferrolle sogar schon fühlten, einmal Opfer vom Beschuldigten durch diese Körperverletzung, durch diese Angriffe und diese Beleidigungen und diese Drohungen: ‚Wenn Sie den Laden bis zum Geburtstag des Führers nicht zumachen.' Und dann noch mal diese Sprachschwierigkeiten oder dieses Missverständnis mit den Polizeibeamten. (…) Ja, das andere kann ich nicht so ganz nachvollziehen hier. Die Betroffenen kritisierten, dass sie das Schriftstück nicht hinterlassen haben. Also, das ist eigentlich nicht üblich, dass da Schriftstücke hinterlassen werden. (…) Und das ist diese Geschichte, wo ich meine, sie können sich in diese Abläufe der polizeilichen Ermittlungen nicht reinversetzen. Was ist so üblich? (…) Das ist ja nicht üblich. Man kann dann Akteneinsicht beantragen. Das weiß der Normalverbraucher, der Ottonormalverbraucher, halt nicht, muss man eben erzählen. Auch zum Zeitpunkt des Erstgesprächs mit der Mobilen Opferberatung am Abend darauf hätten die Betroffenen nichts mehr von der Polizei gehört. Bei anderen Opfern ist es ähnlich. (…) In diesem Fall ist es eigentlich ein ganz normales verständliches Vorgehen seitens der Polizei, ohne die Opfer jetzt weiter kränken zu wollen. (MAXQDA Interview 05/03/E 8)
Die Beamtinnen und Beamten der vierten Kategorie verbinden die Argumente der ersten und der dritten Gruppe und sehen die eingesetzten Beamtinnen und -beamten in einer „Zwickmühle“. Die polizeilichen Handlungsanforderungen, die rechtlichen Vorschriften, fehlende Vorinformationen zum Einsatz, Sprachschwierigkeiten, die unübersichtliche und „aufgeheizte“ Einsatzsituation und die interkulturelle Überschneidungssituation kumulieren nach deren Auffassung zu einer kritischen Gemengelage, die prinzipiell sehr schwer zu bewältigen ist und die die Einsatzbeamtinnen und -beamten fallbezogen überfordert hat.
Bei den Bewertungen der Führungskräfte spielt eine wesentliche Rolle, dass sie die in der Kritik stehenden Einsatzbeamtinnen und -beamten und Sachbearbeiter persönlich kennen. Aus der unmittelbaren Erfahrung des dienstlichen Kontakts schließen sie ein vorsätzlich ignorantes und ein vorurteilsmotiviertes oder sogar rassistisch motiviertes Diskriminierungshandeln aus.
Sie verweisen darauf, dass die betroffenen Einsatzbeamtinnen und -beamten wegen psychosomatischer Störungen aufgrund der Vorverurteilung dienstunfähig geschrieben worden sind und dass sie sich keines falschen Verhaltens bewusst sind. Sie verstünden den Einsatz im Sinne des „Dienstes nach Vorschrift“, wobei formale einsatzrechtliche und -taktische Maßstäbe zur Bewertung des eigenen Handelns herangezogen werden. Ob es an sozial-kommunikativen Kompetenzen und an ein Hineinversetzen in die Situation der anderen mangelt, kommt nicht in den Blick.
Im Zusammenhang mit den fallbezogenen Bewertungen findet diese Gruppe von Führungsbeamten die Vorverurteilung der Kollegen und den Umstand, dass häufig im Nachhinein die polizeilichen Einsätze von Außenstehenden als problematisch gesehen werden, als besonders belastend. Diese Polizeikritiker beeinflussten in Unkenntnis der polizeilichen Handlungszwänge die mediale Öffentlichkeit sowie die Politik mit einer verkürzten und mitunter nicht den Tatsachen entsprechenden Definition der Wirklichkeit, die zur Rechtfertigung zwingt, was wiederum schnell als Schuldeingeständnis der Polizei (miss)verstanden wird:
Ich merke nur, dass im Nachgang oftmals durch Außenstehende Sachen hereingetragen werden, wo ich sage: Warum müssen wir uns da jetzt rechtfertigen für bestimmte Dinge?! Man kann sehr gerne darüber sprechen. Und man soll das auch kritisch auswerten und bewerten, aber manchmal kommen Nachfragen, die auch schwierig zu vermitteln sind, weil wir unsere polizeilichen Handlungsfelder haben und das von Außenstehenden ganz anders wahrgenommen wird. (MAXQDA Interview 02/03/E 14–16)
Die pauschale Kritik gegenüber der Polizei und die in den internen Nachbesprechungen anhaltende Konfrontation der im Polizeialltag regelmäßig anstandslos arbeitenden Polizeibeamtinnen und -beamten mit Fehlern und Defiziten führe nicht etwa zur Sensibilisierung der nicht am Einsatz beteiligten Beamtinnen und -beamten, sondern zu einer Abwehr dieser Art von Fehlerkultur:
Gerade diese Geschichte mit „K“ wurde bei uns sehr intensiv nachbesprochen und das wurde nicht nur einmal, sondern vier-, fünf-, sechs-, siebenmal gemacht. Und irgendwann greift wieder dieser Umkehreffekt, dass die Kollegen sagen: Mensch, wir haben es gehört, wir haben es ausgewertet, aber wir können es langsam nicht mehr hören, weil bei uns ist es nicht passiert und wir sind sensibilisiert und wir wollen es auch nicht. Aber irgendwann ist auch mal gut. Und dann muss man aufpassen, dass es nicht in die verkehrte Richtung abdriftet das Ganze. Die Gefahr ist enorm. (MAXQDA Interview 02/03/E 161)