Polizeiliches Handeln im Platzverweisverfahren in Baden-Württemberg

Theoretische Einführung: Organisation, rechtliche Grundlagen und Verfahrenswege der Polizei

Diese Einführung beschäftigt sich mit der Organisation Polizei sowie mit zentralen Rechtsgrundlagen und Verfahrensvorschriften für das polizeiliche Handeln im Allgemeinen als auch in Bezug auf das Platzverweisverfahren in Fällen häuslicher Gewalt. Ein besonderer Fokus wird auf die Kernaufgabe der Polizei, die Gefahrenabwehr, gelegt. Zuerst werden Aspekte der theoretischen Abhandlung des Begriffs der Gefahr aufgezeigt. Im Anschluss daran wird das polizeirechtliche Verfahren zur Erstellung einer Gefahrenprognose erläutert, dessen Ergebnis Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen der Gefahrenabwehr darstellt. Abschließend wird der wissenschaftliche Diskurs über den Einsatz standardisierter Instrumente zur Analyse von Gefährdungen aufgegriffen.

Organisation der Polizei in Baden-Württemberg

Die Organisation Polizei ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. [1] In Baden-Württemberg umfasst die Polizei im institutionellen Sinne sowohl die Polizeibehörden als auch den Polizeivollzugsdienst:

Die sogenannten Polizeibehörden sind Verwaltungsbehörden, die mit polizeilichen Aufgaben betraut sind. Darunter befinden sich das Innenministerium, die Regierungspräsidien, die Kreissowie die Ortspolizeibehörden der Kommunen. Die Aufgaben der Ortspolizeibehörde fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin und werden dem Ordnungsamt übertragen. Ihre Aufgaben sind die Wahrnehmung der gesetzlich übertragenen Zuständigkeiten, der Erlass von Polizeiverordnungen (§ 10 BWPolG), die Ausübung des fachlichen Weisungsrechts (§ 74 BWPolG) sowie die Erfüllung aller polizeilichen Aufgaben, für die keine spezielle Aufgabenzuweisung vorliegt (§ 66 BWPolG) (vgl.: Würtenberger u. a. 2005: 64ff).

Für die Maßnahme Platzverweis in Fällen häuslicher Gewalt sind die Ortspolizeibehörden die handelnden Organe. Sie entscheiden über die Verhängung eines Platzverweises in Fällen häuslicher Gewalt, bzw. nach vorherigem Polizeieinsatz über die Fortführung eines vorläufigen Platzverweises. Die Ortspolizeibehörden werden in der Öffentlichkeit selten mit Polizei assoziiert, sondern als Teil der kommunalen Verwaltung betrachtet. Dies liegt daran, dass sie räumlich in den Rathäusern verortet sind und die Akteure selten Präsenz in der Öffentlichkeit zeigen, sondern ihre Aufgaben „bürokratisch-verwaltungsmäßig am Schreibtisch“ (Gusy 2003: 28) erledigen. Gefahren werden hier durch förmliche und schriftliche Verfügungen bekämpft.

Der Polizeivollzugsdienst umfasst das Landeskriminalamt, die Bereitschaftspolizei, die Verkehrs-, Schutzund Kriminalpolizei sowie den freiwilligen Polizeidienst (vgl.: Würtenberger u. a. 2005: 74ff). Wie die Begrifflichkeit

„Vollzugsdienst“ bereits impliziert, handeln diese Polizeidienststellen auf Anordnung der Polizeibehörden (vgl.: §§ 60 ff BWPolG). Für die Praxis des Platzverweisverfahrens besonders bedeutsam ist die Schutzpolizei mit ihren Dienstgruppen Streifendienst und Bezirksdienst. Sie sind in den Polizeirevieren und Polizeiposten ansässig. Die Polizeibeamt/innen des Streifendienstes sind diejenigen, die direkt vor Ort auf das Tatgeschehen treffen und intervenieren. Ihre Aufgabe ist es „ad hoc Entscheidungen zu treffen und diese sofort rechtssicher und sozialkompetent“ (Behrendes 2003: 160) umzusetzen. Gefahrenbekämpfung geschieht hier durch ein direktes schnelles Eingreifen vor Ort. Die Polizeibeamt/innen des Bezirksdienstes werden in der weiteren Sachbearbeitung tätig. Sie übernehmen den Fall im Anschluss an die polizeilichen Intervention des Streifendienstes vor Ort. Zu ihren Aufgaben gehören die Fortsetzung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie deren Abschluss und die Weitergabe der Akte an die Staatsanwaltschaft. Dabei treten sie in der Regel nochmals mit dem Opfer sowie mit dem Täter in Kontakt, übernehmen ausstehende Vernehmungen und Anhörungen, informieren über den Ablauf des Strafverfahrens sowie über Möglichkeiten des Opferschutzes u.a.

Im Bezirksdienst vieler Polizeireviere haben sich inzwischen ausgewählte Polizeifachkräfte für Fälle häuslicher Gewalt spezialisiert. Diesen „Sonderzuständigen für Häusliche Gewalt“ werden regional unterschiedliche Aufgaben zugewiesen. In manchen Kommunen übernehmen sie die beschriebene Sachbearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und garantieren so eine einheitliche Bearbeitung der Fälle. In anderen Städten erhalten sie ausschließlich Kenntnis über alle polizeilichen Einsätze häuslicher Gewalt innerhalb des Reviers und stellen Informationen über die Vorfälle und deren Beteiligte zusammen. Hervorgehoben wird, dass diese Spezialist/innen bei der Polizei sowohl nach innen als auch nach außen wichtige Ansprechpartner/innen sind und dafür sorgen, dass die Thematik häusliche Gewalt innerhalb der Polizei gebührend verankert wird (vgl.: WiBIG Band II 2004: 21f; Eicke 2008: 40f; Drumm in Kury u. a. 2005: 251).

§ 60 BWPolG regelt die Zuständigkeit von Polizeibehörden und Polizeivollzugsdienst. Demnach sind grundsätzlich die Polizeibehörden für die polizeilichen Aufgaben zuständig. Der Polizeivollzugsdienst handelt, wenn ein sofortiges Tätigwerden notwendig erscheint, wenn Vollzugshilfe von Seiten der Behörden und Gerichte angeordnet wird und leistet eine Mitwirkung bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Behrendes kritisiert generell, dass die subsidiäre Eilfallzuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes faktisch zu einer „Allzuständigkeit“ (Behrendes 2003: 160) gerät, denn die primär zuständigen staatlichen und kommunalen Behörden sind nicht rund um die Uhr erreichbar, haben selten eigene kommunale Vollzugskräfte und gehen nicht vor Ort.

  • [1] Zur Organisation der Polizei in den einzelnen Bundesländer siehe Gusy 2003; Schenke 2004
 
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