4.2.1.3 Der Blick auf den Platzverweis – Reflexionen zur Wirkung

In diesem Abschnitt werden Einschätzungen der Polizist/innen aufgegriffen, die sich auf die Wirkung des Platzverweises auf Opfer und Täter beziehen. Wie wird der Platzverweis als Maßnahme von ihnen bewertet? Welche Wirkung kann er in ihren Augen entfalten? Wo liegen die Grenzen seiner Wirksamkeit?

• Der Platzverweis als massive Maßnahme

Vier der befragten Polizeibeamt/innen nahmen in ihren Ausführungen eine Einschätzung der Schwere des Platzverweises vor. Die Maßnahme wurde als „heftig“ (P 2, Abs. 63; P 4, Abs. 71; P SZ 5, Abs. 16f) und „massiv“ (P 4, Abs. 71) beschrieben. Ein Polizeibeamter veranschaulicht sehr ausführlich seine Einschätzung über die Schwere der Maßnahme:

„Man muss sich vorstellen man darf zwei Wochen nicht mehr nach Hause. Man muss entweder bei Freunden unterkommen. Und jetzt gehen Sie mal zu einem Bekannten und sagen: “Ja, ähm ich hab meine Frau gestern geschlagen, kann ich bei dir wohnen?“ Es ist schon – massiv. Ich vergleich ´s halt so wie wenn man ein kleines Kind ist und man bekommt zwei Wochen Hausarrest und eine Woche Fernsehverbot. Ja? Es ist schon eine massive Maßnahme, es ist eine freiheitsentziehende Maßnahme in dem Sinn. Man darf eben nicht mehr nach Hause. Beim einen fruchtet ´s, beim anderen halt nicht. Ne? Der eine der hier halt viele Freunde hat und viel Familiennähe hat und da auch unter kommt, dem macht es vielleicht nicht so viel aus, wie demjenigen, wo hier niemanden hat und dann wirklich in ein Hotel muss.“ (P 4, Abs. 71)

In seiner Ausführung versetzte er durch die direkte Ansprache „man muss sich vorstellen... und jetzt gehen Sie mal...“ mich als Zuhörende in die Situation eines Verwiesenen hinein, der sein Umfeld unter Angabe von Gründen um Unterkunft bitten muss. Nachfolgend vergleicht er die Wegweisung eines Erwachsenen mit einem Hausarrest für ein Kind. In diesem Vergleich fallen zwei verwendete Gegensätze auf: zum einen das Lebensalter, ein Erwachsener, der grundsätzlich für sein Handeln verantwortlich ist, und ein Kind, das altersgemäß nur eingeschränkt dafür verantwortlich ist. Zum Zweiten die Maßnahme von außen: darf ein Verwiesener nicht in seine Wohnung hinein, so darf ein unter Hausarrest stehendes Kind genau diese nicht verlassen. Beiden gemeinsam ist, dass es nicht schön und angenehm ist, wo sie sind: Der Platzverwiesene muss sein Gewalthandeln wie auch immer offenlegen, was ihm unangenehm ist und mit dem Risiko der Kritik verbunden sein kann. Das Kind darf zusätzlich zu Hause nicht fernsehen. Zum Ausdruck kommt in diesem Vergleich sein Eindruck eines harten Bestrafungscharakters des Platzverweises. Auch wenn ein Platzverweis als eine präventive Maßnahme zum Schutz des Opfers vor weiterer Gewalt fungiert, kann er vom Verwiesenen als Bestrafung erlebt werden. Versetzt man sich außerdem noch in das Erleben eines Kindes, so muss berücksichtigt werden, dass seine Empfindung von Zeit eine andere ist als die eines Erwachsenen. Zwei Wochen können ihm unendlich lang erscheinen und irgendwann den Bezug zu seinem Fehlverhalten verlieren. Und genau dies scheint der Interviewpartner mit diesem Vergleich meines Erachtens ausdrücken zu wollen: Der Platzverweis kann vom Täter als eine unangemessene Bestrafung erlebt werden.

Deutlich wird in mehreren Interviews, dass die Polizeibeamt/innen den Platzverweis mit einem großen Eingriff in die Grundrechte eines Menschen verbunden sehen. Die Betonung, mit der sie diese Einschätzung vortragen, kann als Hinweis gelesen werden, dass sie sich nicht immer sicher sind, ob die Fachwelt sich dieser Härte bewusst ist. Rechtlich ist der Platzverweis ein milderes Mittel als die Ingewahrsamnahme, da er den Betreffenden nicht unter Verschluss nimmt. Die weitaus längere Dauer des Platzverweises von zwei Wochen kann jedoch zu der Einschätzung der hohen Massivität der Maßnahme beitragen. Äußern einige von ihnen ihre Erleichterung, dieses Handwerkszeug nun zu haben, so ist die Entscheidung dennoch keineswegs einfach zu treffen. In ausgeprägter Weise wird dies bei folgender Aussage einer Polizeibeamtin dargestellt:

„Platzverweis ist für mich ein relativ heikles Thema, weil ich immer denk, ich muss mir ein unheimliches Recht herausnehmen jetzt jemand aus seinem Haus zu verweisen.“ (P 2, Abs. 37)

In dieser Stellungnahme klingt an, dass für diese Polizistin das Polizeigesetz als alleinige Ermächtigung für den Ausspruch eines Platzverweises im Grunde nicht ausreichend ist. Es bleibt ein „heikles Thema“ und sie muss sich trotz der Ermächtigung per Gesetz ein „unheimliches Recht herausnehmen“. Die Intervention greift weiter, als ihre persönlichen Wertvorstellungen es ihr gestatten würden. Sie erlebt den Ausspruch eines Platzverweises als grenzüberschreitend sowohl gegenüber ihren eigenen ethischen Prinzipien als auch gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Betreffenden.

• Der Platzverweis verhindert die individuelle Bewältigung von Partnerschaftskonflikten

Ein Aspekt, der Polizeibeamt/innen dem Platzverweis kritisch gegenüberstehen lassen kann, ist das Deutungsmuster, dass diese Maßnahme eine persönliche Problembewältigung untergraben, die Konflikte des Paares verstärken und den Erhalt von Partnerschaft und Familie bedrohen könnte. In dieser Studie ist dieser Gesichtspunkt eines der zentralen Motive im Interview einer der befragten Polizeibeamt/innen. Sie erläutert:

„...ich denk, es ist oftmals nur einem Problem aus dem Weg gegangen, weil dann man selbst vielleicht sagen könnt, „ach komm, ähm ich geh heut Nacht zu ´ner Freundin oder geh du zu

´nem Kumpel“. Der Platzverweis ist dann für zwei Wochen, man kann sich zwei Wochen aus dem Weg gehen, und ich weiß nicht, ob das immer das Beste ist.“ (P 2, Abs. 37)

Die zweiwöchige Wegweisung des gewaltausübenden Partners verhindert ihrer Auffassung nach sowohl, dass die Partner eine eigene Lösung für die aktuelle gewaltbelastete Situation finden. Sie bezweifelt, dass ein Platzverweis dem Paar dient, seine Probleme anzupacken. Ähnlich kritisch sieht sie diesbezüglich auch die Strafverfolgung in vielen Fällen häuslicher Gewalt, da sich diese ihres Erachtens ungünstig auf die Beziehung auswirkt. Ihrem Vorstellungsbild entsprechend bedeutet häusliche Gewalt nicht zwangsläufig das Scheitern der Beziehung und die Schutzbedürftigkeit der Frau vor weiterer Gewalt. Gewalt erscheint in dieser Textstelle vielmehr als ein Ereignis im Rahmen eines partnerschaftlichen Konflikts. Häusliche Gewalt kann vielmehr – ihrer Konstruktion entsprechend – grundsätzlich überwunden werden, wenn die Partner sich ihren Konflikten stellen und sich um Lösungen bemühen. Frauen, welche eine polizeiliche Intervention wünschen, vermeiden ihres Erachtens mit dem Einschalten der Polizei durch ein „ach komm“ auf den Partner wieder zuzugehen, sich zu einem gewissen Grad versöhnlich ihm gegenüber zu zeigen und die Situation zu entspannen. Einer Bewältigung von Beziehungsproblemen, welche der Gewalt ihrem Verständnis entsprechend zugrunde liegen, ist eine solche Haltung von Frauen nicht dienlich. Im Kontrast dazu steht ihre eigene Einschätzung, wie sie handeln würde, wenn sie von häuslicher Gewalt betroffen wäre: „...weil ich immer denk, an mich würd einmal jemand hinlangen, dann wär' das Thema für mich erledigt“ (P 2, Abs. 15). Diese Aussage kann dahingehend interpretiert werden, dass sie selbst in ihrer Vorstellung ohne Zögern und viel Aufhebens sofort die Beziehung beenden würde. Ambivalenzen hinsichtlich der Partnerschaft würden sich für sie nicht ergeben. Den Ruf der Polizei dagegen deutet sie als „Hilfeschrei“ (P 2, Abs. 77), als eine Bitte von weniger konsequenten Frauen um Hilfe bei der „Klärung der Situation“ (P 2, Abs. 77). Im Gegensatz zu ihr wissen diese nicht, wie der nächste Schritt für sie aussehen könnte. Der Platzverweis stellt ihrer Konstruktion entsprechend keine geeignete Antwort auf deren Hilferuf dar – zumindest, wie sie weiter ausführt, wenn die Gewalt nicht extreme Formen aufweist.

• Einschätzung der Möglichkeit der Gewaltbeendigung durch Platzverweis

Bei der Frage, ob ein Platzverweis grundsätzlich zur Gewaltbeendigung beitragen kann, finden sich viele Parallelen in den Antworten der Polizistinnen und Polizisten. Ihre Einschätzung geht dahingegen, dass der Platzverweis kurzfristig für das Ende von Gewalt sorgen kann. Eine langfristige Gewaltbeendigung bedarf jedoch in der Regel weiterer Aktivitäten der Beteiligten, insbesondere der Gewaltbetroffenen. Es liegt an ihnen, den Platzverweis als „Verschnaufpause“ (P SZ 6, Abs. 166) zu nutzen und über die Beziehung und deren Zukunft nachzudenken. In diesem Prozess des Nachdenkens können sie entsprechend der Aussagen der Interviewpartner/innen zu einer Bewertung des eigenen Verhaltens und zu einer Bilanzierung ihrer Partnerschaft gelangen, welche Grundlage für Entscheidungen hinsichtlich des Fortbestandes beziehungsweise der Trennung der Beziehung sein könnte. Dieser Reflektion müssten nun Entscheidungen wie Handlungen folgen, die sich durch Konsequenz auszeichnen. Beispielhaft hierfür werden in den Interviews die Beantragung rechtlicher Schutzmaßnahmen, die Inanspruchnahme psycho-sozialer Hilfen oder auch Forderungen an den gewalttätigen Partner angeführt. Einer der Polizeibeamten differenziert in Abhängigkeit der Dynamik der Gewaltbeziehung seine potentielle Wirkung: während bei erstmaligen, leichten Gewaltvorfällen seines Erachtens eine Gewaltbeendigung durch den Platzverweis eher möglich ist, ist dies in Beziehungen, die sich in einer Gewaltspirale befinden, aussichtslos.

Etwas anders fällt die Einschätzung der Wirkung des Platzverweises auf gewalttätige Männer aus. Bereits das Wissen um die polizeiliche Befugnis zur Wegweisung, die deutliche Ermahnung der Polizei, aber auch Scham vor dem Sichtbarwerden polizeilicher Interventionen in Familie, Freundeskreis und Nachbarschaft können ihres Erachtens manchen Mann vor erneutem Gewalthandeln abhalten. Der Platzverweis ist ein...

„...ein Druckmittel, wo dann der Mann beim nächsten Mal vielleicht doch eher die Wohnung verlässt, bevor ´s überhaupt so weit kommt, bevor die Polizei wiederkommt.“ (P 4, Abs.140).

Die Erfahrung einer Platzverweisung kann beim Mann zu einem „Umdenkungsprozess“ (P SZ 5, Abs. 120) führen: Bevor er erneut die negativen Folgen eines Platzverweises für ihn in Kauf nimmt, beendet er die konfliktreiche Situation durch Verlassen der Wohnung. Nicht Einsicht in das Unrecht seines Gewalthandelns bewirkt dieser Beschreibung nach die Verhaltensänderung, sondern ein Bestreben nach Vermeidung negativer Konsequenzen. In „starken Gewaltbeziehungen“ (P SZ 5, Abs. 121) wird eher die Auffassung vertreten, dass ein Platzverweis wenig abschreckend auf den Täter wirkt. Diese Männer fallen ihrer Anschauung entsprechend bald wieder in das „alte Muster“ (P SZ 3, Abs. 137) zurück, wenn sie nicht professionelle Hilfen in Anspruch nehmen.

Die Potentiale, die damit in der polizeilichen Maßnahme gesehen werden, sind hauptsächlich die eines „Anstoßes“ (P 4, Abs. 138) oder einer „Chance“ (P SZ 6, Abs. 53). Die „Chance“ besteht entsprechend der Interviews mit der Polizei darin, dass insbesondere bei Opfern – etwas weniger betont aber auch bei Tätern – zuerst einmal ein Prozess des Nachdenkens angestoßen werden kann. Lassen sich die Beteiligten auf diesen ein, „...dann haben wir schon viel erreicht“ (P SZ 5, Abs. 121). Eine Interviewpartnerin mit der Aufgabe der Sonderzuständigkeit für häusliche Gewalt bilanzierte in Hinblick auf die Opfer:

„Viele sind froh darüber [über den Platzverweis, Anm. Verf.], und nehmen das wirklich AN, diese Chance was draus zu MACHen und dann die Ämter zu durchlaufen, die sie ja auf sich nehmen müssen [zur Beantragung von Schutzmaßnahmen im Rahmen des GewSchG, Anm.

Verf.]. Ja. Manche die ziehen auch gleich wieder die Anzeige zurück, sobald er vorm Haus steht und lassen ihn wieder rein, und gleiches Spiel von vorne. Es ist unterschiedlich, manchmal hat ´s schon was gebracht. Also ich kenn da einen Fall (...) es hat wunderbar funktioniert, und die haben einfach diese Trennung gebraucht und es war notwendig, sie hat aber auch – Gott sei Dank war sie so konsequent, dass sie gesagt hat: „Nee, wir erhalten das jetzt aufrecht bis zu einem gewissen Punkt und versuchen uns dann noch mal zu nähern. Bis du dann deine Entziehungskur dann gemacht hast!“ (P SZ 6, Abs. 53)

Wie manche Interviewpartner/innen anmerkten, gelangt es ihnen in der Regel nicht zur Kenntnis, ob der Platzverweis im Einzelfall einen Anstoß zur dauerhaften Gewaltbeendigung beinhaltete. Sie erfahren meist nicht, ob Opfer und Täter weitere Schritte zur Beendigung der Gewaltproblematik einschlagen. „Erfolge“ (P 1, Abs. 57; P SZ 5, Abs. 37) sind für sie kaum erfahrbar, Misserfolge dagegen schon. Sie vermuten positive Veränderungen bei Familien, welche sich nur einmal an die Polizei wenden, „...über den Rest schüttelt man richtig den Kopf“ (P SZ 5, Abs. 37). Unverständnis, warum Menschen die Problematik der häuslichen Gewalt nicht bewältigen, und Ärger über wiederholt arbeitsintensive Interventionen wurden hörbar.

• Der sinnlose Platzverweis

Die Antworten auf die Frage, ob ihnen der Platzverweis in bestimmten Fällen sinnlos erscheint, fallen einheitlich und eindeutig aus: es gibt diese Fälle, und es handelt sich um diejenigen, zu denen die Polizei fortlaufend gerufen wird und sich keinerlei positive Veränderung der Gewaltdynamik abzeichnet. Die oben beschriebene Chance wird ihrer Anschauung nach von diesen Paaren nicht genutzt. Hier richtet sich die Kritik insbesondere an die Frauen: sie lassen den Mann trotz Platzverweis in die Wohnung, sie „beschützen ihn“ (P 4, Abs. 33), indem sie die Aussage verweigern oder sie später wieder zurückziehen und sie nehmen Hilfsangebote nicht an. Ein Interviewpartner beschreibt:

„...dieser Mann hat mittlerweile sieben Platzverweise hinter sich. Ja, und häufig untergraben von der Ehefrau, muss man ganz klar sagen, die hat den zum Teil am nächsten Morgen schon wieder rein gelassen, die hat sogar selber Kontakt zu ihm gesucht am nächsten Morgen schon und hat ihn dann wieder rein gelassen. Also zum Teil äh, ja wie gesagt auch untergraben. Und da muss man dann sagen, da hat ´s dann im Endeffekt keinen Wert mehr. Mhm. Wenn das einmal passiert, okay, aber die, die Frau, die hat das ständig so gemacht, mal hat ´s zwei Tage gehalten, mal vielleicht drei Tage, dann hat sie ihn halt doch wieder rein gelassen.“ (P SZ 5, Abs. 21)

Die Bezeichnung eines „Untergrabens“ des Platzverweises durch die Frau bringt seine Sichtweise eines aktiven Zuwiderhandelns gegenüber polizeilichen Maßnahmen zum Ausdruck. Sie unterläuft den Platzverweis regelmäßig und macht damit eine Maßnahme der Prävention weiterer Gewalt selbst zunichte. Dieses

„Reinlassen“ stellt für ihn auch die unveränderte Fortsetzung der Partnerschaft dar, was er auf ein „merkwürdiges“ – d. h. ihm selbst nicht verständliches „Abhängigkeitsverhältnis“ (P SZ 5, Abs. 23) zurückführt. Grundsätzlich räumt er einer Frau ein, dass sie einmal irren kann, indem sie ihn wieder aufnimmt und die Gewalt sich fortsetzt. „Passiert“ dies wiederholt, wird der Platzverweis seines Erachtens zu einem wertlosen Instrument.

Was zeigt diese erzählte Fallgeschichte? Zum einen ersichtlich, dass der Polizei an einer dauerhaften Gewaltbeendigung gelegen ist. Dafür erwarten oder wünschen sich die Beamt/innen, dass sich Gewaltopfer entsprechend der Intention des Platzverweises verhalten, nämlich die zweiwöchige Frist, wie oben beschrieben, nutzen. Zum Zweiten wird deutlich, dass die Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Platzverweises größtenteils denjenigen, die durch ihn geschützt werden sollen, übertragen wird. Auch in anderen Interviews dieser Studie findet sich an zahlreichen Stellen Kritik an Frauen, die ihre Partner vorzeitig wieder in die Wohnung lassen. Eine vergleichbare Kritik an gewalttätigen Männern, die mit ihren Frauen während des Platzverweises Kontakt aufnehmen, die mehr oder weniger aktiv in die Wohnung drängen oder der Bitte der Frauen um Rückkehr nachkommen, fehlt vollständig. Die Erwartungen an Frauen, zu deren Schutz interveniert wird, sind diesbezüglich weitaus höher als die an die Verwiesenen.

Einige der Interviewpartner/innen bemerken an dieser Stelle die besondere Abhängigkeit alkoholabhängiger Partner:

„...er hat ´s Geld, beide sind Alkoholiker, er wird rausgeschmissen, und dann steht er wieder da, frischen Stoff dabei: „ja komm doch rein.“. Oft sind sie abhängig von ihren Männern, finanziell abhängig oder anderweitig halt.“ (P 4, Abs. 63)

Hier wird dargestellt, dass mehrere Abhängigkeiten wirken, die miteinander verbunden sind: die finanzielle Abhängigkeit vom Mann und die Alkoholabhängigkeit. Zusätzlich wird die Möglichkeit einer „anderweitigen“ angesprochen, welche im Sinne einer psychischen Abhängigkeit interpretiert werden kann, die diesem Polizisten letztendlich nicht verständlich ist.

Sprechen die Polizeibeamt/innen von Einsätzen, bei denen beide Partner unter Alkoholeinfluss stehen, so werden dazu insbesondere revierbekannte Fälle beschrieben, bei denen eine manifeste Alkoholproblematik vorliegt. Diese Paare sind der Polizei durch wiederholte Einsätze sowohl wegen Ruhestörungen als auch aufgrund häuslicher Gewalt bekannt. Meist werden sie in einem sozial schwachen Gesellschaftsmilieu angetroffen. Diese Fälle gelten insgesamt als

„hoffnungslos“ (P SZ 3, Abs. 35), denn die Interventionen wirken ausschließlich kurzfristig und die Befragten stoßen bei den Beteiligten hinsichtlich jeglicher weiterer Intervention auf Abwehr. Sie beschrieben außerdem die allgemeinen Schwierigkeiten, die sich in der Arbeit mit Suchtkranken zeigen: bereits frühmorgendliche Alkoholisierung, die ein Gespräch unmöglich macht, Aggressivität, Leugnen der Alkoholproblematik, gutes Schauspielern u. a. Sowohl Gesprächsund Hilfsangebote als auch Appelle und Ermahnungen von Seiten der Polizei laufen ihres Erachtens ins Leere. Es bleibt als Einziges die polizeiliche Intervention auf akute Gewalteskalationen. Für die Polizei ist es jedoch „ärgerlich“ (P SZ 5, Abs. 46; P 1, Abs. 61), regelmäßig aufs Neue wieder in derselben Familie intervenieren zu müssen. Ihre Handlungsoptionen wie Gewaltschutz durch Platzverweis, Ermittlung und Verfolgung der Straftatbestände und Weitervermittlung in Unterstützungsangebote werden abgewehrt.

 
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