Aspekte der Unterstützung durch die Ortspolizeibehörde
Die Interviewpartner/innen betonten in ihren Erzählungen, im Rahmen der Gesamtintervention in Fällen häuslicher Gewalt eher „ein kleines Rädchen im Getriebe“ (OPB 4, Abs. 120) zu sein. Ihr Einblick in die einzelnen Fälle beschränkt sich meist auf eine „Momentaufnahme“ (OPB 5, Abs. 71). Sie verstehen die eigene Behörde nicht als eine Institution, bei der Gewaltbetroffene wie Gewalttäter grundsätzlich Hilfe für ihre persönlichen Probleme bekommen können. Dennoch nehmen sie Nebeneffekte wahr und setzen Impulse, die sie für die Befragten als hilfreich erachten. „Hilfe und Unterstützung ist – ja eigentlich eher begrenzt.“ (OPB 3, Abs. 27). Unter diesem Vorzeichen sind die folgenden Ausführungen zu lesen. In diesem Abschnitt wird der Fokus darauf gelegt, was gewaltbetroffene Frauen in der Intervention der Behörde aus Sicht der Verwaltungsfachkräfte als unterstützend erleben können.
• Informieren
Die Befragten erachteten es für Gewaltbetroffene als hilfreich, sie mit nützlichen Informationen zu versorgen. Hierunter fallen ihrer Beschreibung nach zum einen Informationen zum Platzverweisverfahren und dem Gewaltschutzgesetz, zum Zweiten Informationen über psycho-soziale Beratungsangebote. Die Informationen über den Platzverweis betreffen gemäß den Beschreibungen der Befragten Angaben zur Frist des Platzverweises, zur praktischen Umsetzung, zum Verlauf sowie zu Konsequenzen bei Übertretungen. Die Informationen richten sich auch auf die Zielsetzung des Platzverweisverfahrens. Eine Interviewte gab an, den Frauen diese Aspekte...
„...sehr ausführlich zu erklären. Den ganzen Hintergrund mit dem Platzverweis, wie das entstanden ist und was es für sie bewirken soll und so weiter.“ (OPB 2, Abs. 100)
Die von ihr selbst nicht konkretisierten Erklärungen – so lässt sich daher interpretieren – können sich auf den gesetzgeberischen Gedanken des lückenlosen Schutzes sowie auf den Perspektivwechsel von der Opferzu einer Täterorientierung beziehen. Mit einer solchen Erläuterung vermittelt sie den Frauen, dass der Staat um ihren Schutz besorgt ist und Hilfen bereitstellt. Sie kann zudem eine Aufforderung beinhalten, die Gewaltbetroffene möge sich klar werden, ob sie die staatlichen Möglichkeiten nutzen möchte.
Die weiterhin benannten Informationen über psycho-soziale Beratungsangebote beziehen sich in erster Linie auf das spezialisierte Beratungsangebot für Opfer in Fällen häuslicher Gewalt im Landkreis. Alle Befragten gaben an, im Gespräch mit den Opfern regelmäßig zu erfragen, ob sie jemanden haben, mit dem sie über die Gewaltproblematik reden können und ob sie von der Polizei Informationen über die Opferberatung erhalten haben. Mehrere Interviewte betonten zudem die Bedeutung, den Frauen das Beratungsangebot nahezubringen und ihnen darzulegen, was Opferberatung leistet. Erleben sie Frauen diesem Angebot gegenüber eher skeptisch, versuchen sie sie zu ermutigen, Beratung anzunehmen. Informationen über weitere Einrichtungen psycho-sozialer Unterstützung, insbesondere Suchtund Paarberatung, werden ebenfalls weitergegeben.
Ein Interviewpartner berichtete zudem, den Frauen das Angebot zu machen, dass sie sich bei später auftretenden Fragen zum Platzverweisverfahren, zur Interventionskette oder zu Beratungsangeboten nochmals an ihn wenden dürfen. Dies wird seiner Aussage nach gelegentlich genutzt.
• „mal schwätzen können“ (OPB 4, Abs. 52)
Ein Interviewpartner betrachtet die Möglichkeit, bei der Ortspolizeibehörde über die Gewalt und die Problematiken der Partnerschaft reden zu können für Opfer als auch für Täter häuslicher Gewalt als ein entlastendes Element. Er nimmt sich Zeit, damit die Beteiligten bei Bedarf „mal schwätzen, (...) sich mal auskotzen können“ (OPB 4, Abs. 52). Er bietet ihnen einen Erzählraum an, in dem die Beteiligten offen aussprechen können, was sie bewegt und welche Empfindungen für sie damit verbunden sind. „Auskotzen können“ beinhaltet, dass Ärger, Wut oder Verzweiflung Ausdruck finden dürfen. Seiner Vorstellung entsprechend kann schon allein die Möglichkeit der Aussprache Menschen emotional entlasten und damit zur Entspannung der Situation beitragen. Er öffnet diesen Rahmen, weil seiner Erfahrung nach die Beteiligten hierfür selten ein Gegenüber haben und eher zur Geheimhaltung ihrer Befindlichkeit neigen.
• Sich „kümmern“
Eine Befragte erlebt viele gewaltbetroffene Frauen als „dankbar“ darüber, dass sich eine Behörde um sie und ihr Anliegen „kümmert“: Nun ist eine Behörde aktiv und nimmt sich der Gewaltproblematik an. Sie haben nun einen „Ansprechpartner“ (OPB 3, Abs. 35). Die Befragte beschrieb dies als eine Erfahrung, die sie selbst im Vorfeld des Platzverweisverfahrens nicht erwartet habe. Diese Dankbarkeit besteht ihrer Beobachtung nach unabhängig davon, wie die Entscheidung über die Fortführung des Platzverweises ausfällt. Schon allein die Aufmerksamkeit, welche die Gewaltproblematik erhält, die geleisteten Informationen und die Möglichkeit des Gesprächs sind ihrer Einschätzung entsprechend für viele Frauen hilfreich.