Das Erleben von Beratung
Das Beratungserleben gewaltbetroffener Frauen bezieht sich in diesem Kapitel auf jene Beratungsstellen, denen zum Zeitpunkt des Platzverweises regional die Erstberatung gewaltbetroffener Frauen im Platzverweisverfahren oblag. Im Fokus stehen damit die Erfahrungen der Frauen mit Interventionsstellen bzw. Koordinierungsstellen, allgemeinen Beratungsstellen und Allgemeinen Sozialen Diensten. Außer Acht gelassen werden Erfahrungen der Frauen mit spezifischen Fachdiensten und Berufsgruppen, deren Zuständigkeit sich auf einen speziellen Bedarf richtete, wie z. B. Arbeitsund Sozialämter bei wirtschaftlichen Notlagen, Rechtsanwälte für die Vertretung in ziviloder strafrechtlichen Angelegenheiten als auch jene Jugendämter, welche nicht mit dem Auftrag der Erstberatung betraut waren.
Von den 24 Frauen, deren Erzählungen in diese Untersuchung einfließen, haben 17 eine Beratung durch eine in das regionale Platzverweisverfahren eingebundene Beratungsstelle wahrgenommen. [1] Von diesen 17 Frauen erhielten acht eine Erstberatung von einem kommunalen Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) dessen Entsendestelle hälftig das Jugendamt bzw. das örtliche Sozialamt war. Der ASD, unabhängig der Entsendestelle, stand zudem nicht selten im Kontakt mit den verwiesenen Männern. Zwölf Frauen aus sieben unterschiedlichen Städten/Landkreisen erhielten Unterstützung durch eine in das regionale Interventionskonzept eingebundene Beratungsstelle in freier Trägerschaft. Acht dieser zwölf Frauen erhielten ihre Erstberatung durch eine Mitarbeiterin einer Bera tungsbzw. Interventionsstelle eines Frauenhausträgervereins. Diese Beratungseinrichtungen zeichnen sich durch ihre Spezialisierung auf Beratung und Schutz gewaltbetroffener Frauen aus. Ein feministischer und parteilicher Arbeitsansatz ist hier traditionell verankert (vgl.: Kap. 5.1). Dies beinhaltet, dass eine Arbeit mit dem gewalttätig gewordenen Mann im Zuge eines Platzverweises grundsätzlich ausgeschlossen wird. Ein pro-aktiver Zugang zu gewaltbetroffenen Frauen im Platzverweisverfahren war größtenteils konzeptionell verankert. Drei Frauen erhielten Erstberatung durch eine sogenannte Koordinierungsstelle im Platzverweisverfahren in diakonischer Trägerschaft. Diese hatte gezielt den Auftrag, sowohl auf Opfer als auch Täter ihrer Kommune pro-aktiv zuzugehen und Beratung anzubieten. Eine weitere Frau nutzte Beratung durch eine Ehe-, Familienund Lebensberatung der Diakonie. In ihrer Kommune wurde in der regionalen Interventionskette keine bestimmte Beratungsstelle als Erstberatungsstelle ausgewiesen. Drei Frauen erhielten sowohl eine Erstberatung durch einen ASD des Jugendamtes als auch durch eine spezialisierte Beratungsstelle für Frauen, teilweise vermittelt durch den ASD. Sie standen somit zeitnah zum Platzverweis mit zwei Beratungseinrichtungen im Kontakt: mit dem ASD des Jugendamtes zur Klärung der akuten Krisensituation sowie mit einer Frauenberatungsstelle, welche den Bedarf der Frau in den Mittelpunkt einer parteilichen Beratung stellte.
Im Folgenden werden jene Erinnerungen, Eindrücke und Deutungen zum Beratungshandeln beschrieben, welche den 17 Frauen im Interview als bedeutungsvoll erschienen, das was ihrer Wahrnehmung nach das Handeln der Beratungsexpert/innen rückblickend auszeichnete. Dabei handelt es sich um ihr subjektives Bild und nicht um eine vollständige Abbildung ihres Beratungsverlaufs. Es finden sich hier Beratungsinhalte, die unter anderen Vorzeichen bereits in der Platzverweisstudie beschrieben wurden. Auf thematische Parallelen wird hingewiesen.
- [1] Zu Kriterien für das Gelingen bzw. Misslingen eines Zugangs zu Beratung siehe: Helfferich u. a. 2004: 65ff.