"Identitär" als Modewort und Marketingstrategie

Die selbsternannte "Neue Rechte" hat sich – bislang erfolglos – zum Ziel gesetzt, mit dem Konzept der "kulturellen Identität" und des "Ethnopluralismus" aus den 1970er und 1980er Jahren eine Massenbewegung zu werden. Ganz nach deren französischen Vordenker Alain de Benoist soll die Ideologie über den vorpolitischen und kulturellen Raum verbreitet werden. Zum Konzept gehören rhetorische Distanzierungen von Rassismus und Extremismus und eine neue, unstigmatisierte Selbstbezeichnung. Der völkische Nationalismus dahinter bleibt davon unberührt.

Bereits in den 1970ern legte der neurechte deutsche Kulturhistoriker Henning Eichberg die Begriffe "Ethnopluralismus" und "Identität" aus (vgl. Eichberg 1978). Ethnopluralismus heißt – vereinfacht zusammengefasst –, jedem "kulturellen Volk" seinen eigenen Lebensraum: Frankreich den "echten" Franzosen, die Türkei den "echten" Türken, Israel den "Juden" und Deutschland eben "den Deutschen". "Völkervielfalt statt Einheitsmensch"; Trennung nach Kultur und "Rasse" (vgl. Sieber 2009). Diese Ideologie scheint sich vermittelt über Musik, Videos und dem den Partypatriotismus der Fußball-WM im vorpolitischen und kulturellen Raum zu verbreiten, unterschlägt dabei aber, dass die Beziehungen der Menschen untereinander auf Sozialisation und sozialen Normen basiert und nicht auf naturalisierter Herkunft, es sei denn, diese wird zur sozialen Norm erhoben. So endet die vordergründige "ethnopluralistische Vielfalt" wieder im stumpfen Rassismus.

Als Symbol wurde von den französischen "Identitären" ein gelbes Lambda auf schwarzem Grund auserkoren. Eigentlich als elfter Buchstabe des griechischen Alphabets ein sehr altes, bereits von den Spartanern benutztes Zeichen, das aber auch von der schwul-lesbischen Bewegung als politisches Symbol verwendet wird. Die Spartaner befanden sich laut Geschichtsschreibung häufig im Kampf gegen innere und äußere Feinde. Die Schlacht an den Thermopylen 480 v. Chr. und das Aushalten von 300 Spartanern gegen eine vielfache Überzahl an persischen Kämpfern wird in rechten Kreisen gerne zum (west-)europäischen Gründungsmythos stilisiert. Spartanerkönig Leonidas starb laut diesen mit seinen Gefolgsleuten während des Rückzugsgefechts den heldenhaften Opfertod. Verklärt wurde die Schlacht noch durch die fiktionalisierte Comicverfilmung "300", die seit 2007 über die Kinoleinwände flimmert. Das Lambda durch Mythos, Comic und Film propagandistisch aufgeladen – in signalfarbenem Neongelb geschickt auf Schwarz inszeniert – als Symbol einer modern erscheinenden Jugendbewegung, die sich eine "deutsche Identität" konstruiert: Ein Zeichen, dass laut Eigenaussage bekannter als Coca-Cola werden soll und gekonnt online über Facebook vermarktet wird. Ein Markenzeichen nach außen, eine "Corporate Identity" nach innen.

 
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