Geographie und Ressourcen

Vorsprung des Westens durch Technik und biogeographische Zufälle: Guns, Germs, and Steel von Jared Diamond

Andreas Friedel

Biographie

Jared Mason Diamond wurde im Jahre 1937 in Boston als Sohn eines Kinderarztes und einer Linguistin geboren (Burkeman 2014; Diamond 2015a). Die Professionen seiner Eltern stellen in dessen Augen bereits eine Erklärung für sein Faible für Interdisziplinarität bzw. seinen „taste for discipline-hopping“ (Burkeman 2014) dar – ein Umstand, der sich von seiner Kindheit bis in seine heutige akademische Tätigkeit nachverfolgen lässt. So zeigte er schon zu Schulzeiten ein frühes, breit gefächertes Interesse an Vogelkunde, Geographie, Geschichte und Sprachen (Diamond 2006a, S. 2–3), wobei letzteres gerade durch seine Mutter beeinflusst wurde und er heute nicht weniger als zwölf Sprachen beherrscht (Diamond 2006a,

S. 2–3, 2015a); Burkeman 2014; Seine Vorliebe für die Naturwissenschaften ließ ihn zudem frühzeitig vermuten, in seinem späteren Berufsleben einmal selbst mit Biologie oder Medizin in Berührung zu kommen (Diamond 2006a, S. 2–3, 2015a). In der Tat schloss er im Jahre 1958 sein Bachelorstudium der Biochemie (Diamond 2013, S. 1) am Harvard College ab, besuchte während dieser Zeit aber noch eine Vielzahl thematisch völlig anders gelagerter Seminare. Zudem entschied er sich im Anschluss daran gegen eine Karriere als praktischer Arzt und für eine wissenschaftliche Laufbahn, deren erste Etappe er 1961 mit einer Promotion im Fachbereich der Physiologie über die Gallenblase (Diamond 1961) am Trinity College in Cambridge absolvierte (Burkeman 2014; Diamond 2006a, S. 3, 2015a). Auf Reisen während dieser Forschungszeit nach Europa machte er durch den Kontakt mit einheimischen Gleichaltrigen aber auch erstmals die Erfahrung, dass „the outcomes of their lives were entirely different depending upon where they had been born“ (Diamond 2015a) – eine Erkenntnis, auf die er auch in späteren Werken zurückgriff.

Nach seiner Promotion arbeitete er ab 1962 einige Jahre als Junior Fellow im Bereich der Biophysik an der Harvard Medical School, wechselte aber 1966 an die UCLA Medical School, wo er zunächst als Associate Professor und seit 1968 als Professor der Physiologie mit einem Forschungsschwerpunkt u. a. auf der Gallenblase tätig wurde (Diamond 2013, S. 1, 2015a). Vor dem Hintergrund seines stets breiten und interdisziplinär ausgerichteten Interesses ist es jedoch nachvollziehbar, dass Diamond eine lebenslange ausschließliche Beschäftigung mit einer solch speziellen Thematik nicht befriedigen konnte: „That prospect went against my orecious experience that it was not just possible but also stimulating to pursue multiple interests simultaneously“ (Diamond 2015a).

Eine Reise nach Neuguinea im Jahre 1964 veränderte dann sein Leben nachhaltig (Diamond 2015a), da sie ihm eine zweite parallele Karriere im Bereich der Ökologie und Evolutionsbiologie eröffnete: Durch eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vogelevolution konnte er sich zunächst einmal wieder mit einer Thematik befassen, die ihn seit seiner Kindheit faszinierte. In weiteren, über 20 Expeditionen in diese Region (Diamond 2013, S. 4–5) forschte er über Evolution, Diversität und das Aussterben von Arten (Diamond 2013, S. 6). Diese Arbeit führte aber nicht nur dazu, dass er als „der wichtigste lebende Experte für die Vogelwelt Melanesiens“ (Friebe 2005, S. 73) bezeichnet wurde. Seine Aufenthalte in dieser Region sowie die Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung bewirkten, dass sein Interesse an Erklärungen für die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe zwischen technologisch ungleich entwickelten Gesellschaften ebenso wuchs (Diamond 2006a, S. 3, 2011, S. 27, 2015a) wie hinsichtlich der Ursachen einer „possible extinction of Homo Sapiens“ (Diamond 2006c, S. 6).

Bereits während seiner seit 1976 bestehenden Autorentätigkeit für populärwissenschaftliche Magazine wie Nature, Discover und Natural History Magazine (Diamond 2015a) erkannte er die Brisanz und Relevanz dieser Frage und kam zu der Feststellung, dass das Verfassen interdisziplinärer Werke für eine breite Öffentlichkeit „could contribute far more to the world“ (Diamond 2006a, S. 4) als Forschungen über die Gallenblase oder die Vogelwelt Neuguineas. Somit setzte spätestens zu diesem Zeitpunkt ein Wechsel seines Forschungsund Publikationsschwerpunktes von der Physiologie hin zur (Bio)Geographie und Geschichte ein, wo er für sich größeres Innovationspotenzial sah (Diamond 2006a, S. 4), und den er auch kurz und knapp erklären konnte: „Die Zivilisation bricht nicht zusammen wegen der Gallenblase“ (Friebe 2005, S. 73). Erleichtert und befördert wurde dieser Schritt zudem durch die Gewährung eines Fellowship-Stipendiums im Rahmen eines Programms der MacArthur Foundation im Jahr 1985, da dieses ihm eine fünfjährige Forschungsfreiheit gewährte. In dieser Zeit verfasste er mit The Third Chimpanzee (Diamond 2006c) auch seine erste auf eine breitere Leserschaft ausgerichtete Monographie, die interdisziplinär nicht nur die Evolution des Menschen (Diamond 2006a, S. 3–4), sondern auch dessen „rise and fall“ (Diamond 2006c, S. 7) zu erklären versucht.

Seine Motivation, sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern gerade auch mit der Zukunft menschlicher Zivilisationen zu befassen, erhielt einen besonderen Anschub auch durch die Geburt seiner beiden Söhne (Burkeman 2014; Diamond 2015a). Diamond äußert sich deshalb nicht nur im akademischen, sondern auch im öffentlichen Bereich zu einer Vielzahl an Themen (Diamond 2014a; Friebe 2005, S. 73), weshalb die FAZ ihn auch als „Amerikaner, der die Welt retten will“ (Friebe 2005, S. 73) beschrieb. Seine Aktivitäten und Publikationen wurden mit einer Vielzahl an Preisen bedacht (Diamond 2013, S. 2–3), darunter der Britain's Science Book Prize und der Pulitzer Prize für Guns, Germs, and Steel (Diamond 2013, S. ii) sowie die National Medal of Science 1999 aus den Händen Präsident Clintons. Bei deren Verleihung wurden gerade Diamonds interdisziplinäres Vorgehen, seine Fähigkeit zur allgemeinverständlichen Vermittlung wissenschaftlicher Sachverhalte sowie seine „overwhelming dedication to science's role in building a better future“ (NSF 2000) hervorgehoben.

Sein sich über Jahrzehnte hin entwickelnder „career switch“ (Diamond 2015a) von der Physiologie hin zur (Bio)Geographie, Umweltgeschichte und Evolutionsbiologie fand im Jahr 2002 seinen endgültigen Abschluss (Diamond 2015a), als er eine Professur der Geographie an der UCLA übernahm (Diamond 2013, S. 1). Seitdem sieht Jared Diamond seine Tätigkeitsschwerpunkte in der Lehre in diesem Fachbereich, in der Feldforschung über die Vögel des südwestpazifischen Raumes, dem Verfassen von populärwissenschaftlichen Büchern über menschliche Gesellschaften sowie in seinem Engagement in der Nachhaltigkeitsund Umweltpolitik, wie beispielsweise beim WWF oder als Berater der Regierungen Papua-Neuguineas und Indonesiens (Diamond 2013, S. 5, 2015a).

 
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