Profile der Gesamtwerke

Die Hauptwerke des italienischen Postmarxisten Antonio Negri entstanden während seiner Zeit im Exil in Paris sowie während seines Gefängnisaufenthaltes (Ganahl o. J.; The European Graduate School o. J.). Auch die Mitbegründung verschiedener Zeitschriften in Italien und Frankreich bilden Teil seines Oeuvres (Ganahl o. J.; The European Graduate School o. J.). Geprägt durch die intensive Lektüre von Marx, sein politisches Engagement in Italien und den Aufenthalt in Frankreich, problematisiert Negri Themen wie Kapitalismus, Marxismus, Globalisierung, Arbeiterschaft, Staatstheorien und soziale Bewegungen (Ganahl o. J.; The European Graduate School o. J.). Theoretisch wurde er dabei geprägt von seiner wissenschaftlichen Karriere als Universitätsprofessor für Staatslehre an der Juristischen Fakultät in Padua sowie von Philosophen wie Spinoza (Ganahl o. J.; The European Graduate School o. J.).

Weiterhin wurde er von Linksintellektuellen, wie Foucault, Guattarie oder Deleuze, mit denen er während seines Paris-Aufenthaltes in Kontakt kam, und natürlich den Schriften von Marx selbst beeinflusst (Ganahl o. J.; The European Graduate School o. J.).[1] Am bekanntesten ist Negri durch seine Arbeiten über Spinoza. Dazu zählen beispielsweise The Savage Anomaly. The Power of Spinoza's Metaphysics and Politics (Negri 1991) und Subversive Spinoza: (Un)Contemporary Variations (Negri 2004). Als sein wichtigstes Werk über Marx gilt Marx beyond Marx. Lessons on the Grundrisse (Negri 1984), ein Buch, das im Grunde genommen die Verschriftlichung einer Vorlesungsreihe in Paris darstellt und den Versuch einer Neukonstruktion der marxistischen Theorie enthält. Daneben hat Negri zahlreiche Schriften verfasst, die sich mit Begriffen und Ideen des Poststrukturalismus und Neomarxismus auseinandersetzen. Am meisten Aufsehen erregte jedoch seine Zusammenarbeit mit Michael Hardt (u. a. Hardt und Negri 1994, 2000, 2004a, 2009).

Der amerikanische Literaturwissenschaftler und Philosoph Michael Hardt promovierte, wie bereits erwähnt, in Paris (Vulliamy 2001). In seiner Dissertation mit dem Titel The Art of Organization: Foundations of a Political Ontology in Gilles Deleuze and Antonio Negri (Hardt 1990) verband er die Schriften und Erkenntnisse des französischen Philosophen Gilles Deleuze mit der italienischen Politik der 1960er und 70er Jahre, wobei er auf Publikationen Antonio Negris zurückgriff (Kreisler 2004, S. 3). Beide Themenkomplexe, sowohl Deleuze als auch die politische Situation Italiens, sind wiederkehrende Gegenstände in seiner Werkschau, wie das 1993 erschienene Buch Gilles Deleuze: An Apprenticeship in Philosophy (Hardt 1993) oder sein Werk Radical Thought in Italy: A Potential Politics (Hardt und Virno 1996) zeigen. Hardts Werke sind weiterhin stark beeinflusst von Marxʼ Schriften sowie wichtigen Linksintellektuellen, wie beispielsweise Foucault oder Antonio Negri. Laut eigener Aussagen kam Hardt mit den Publikationen Negris während seiner Zeit in Zentralamerika in Kontakt (Kreisler 2004, S. 4). Beide trafen später in Paris aufeinander und – nachdem Negri Hardts Promotion wesentlich förderte – begannen ihre Zusammenarbeit (Vulliamy 2001). Den Auftakt dieser Kooperation bildete 1994 das Werk Labor of Dionysus: A Critique of the StateForm (Hardt und Negri 1994), in dem die Autoren die Rolle und den Stellenwert der Arbeit im Kapitalismus untersuchen und dabei auch auf Institutionen des Kapitalismus eingehen. Das Werk ist eine Kritik am Kapitalismus und stellt die Rolle der klassischen Staaten infrage (Hardt und Negri 1994).

Bis heute sind zahlreiche gemeinsame Artikel und Bücher der beiden erschienen. Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen und ihres Forschungshintergrundes thematisieren sie in ihren Werken unter anderem die Postmoderne, den Kapitalismus, neue soziale Bewegungen[2] sowie die Globalisierung. Beide gelten heute als wichtige Vertreter des Postmarxismus und Postoperaismus, die taz betitelt das Autorengespann sogar als „die wichtigsten Intellektuellen der globalisierungskritischen widerLinken“ (Martini 2012). Beide sind am bekanntesten für ihre Trilogie zu einer neuen Weltordnung, dem Empire.

Den Auftakt dieser Trilogie bildete 2000 das Werk Empire (Hardt und Negri 2000). Hardt und Negri argumentieren, dass mit dem zunehmenden Verfall staatlicher Souveränität, welcher in direktem Zusammenhang mit der Globalisierung stehe, eine neue Weltordnung entstehe, welche allumfassend, dezentralisiert und grenzenlos sei, eine Art globales Netzwerk (Hardt und Negri 2003, S. 9 ff.). Dies bezeichnen sie als Empire (Hardt und Negri 2003, S. 19). Das Empire ist gekennzeichnet von einem fehlenden Machtzentrum, da es allumfassend angelegt ist. Anders als während vorangegangener zeitlicher Epochen gibt es kein geopolitisches Machtzentrum mehr (Hardt und Negri 2003, S. 12). Die neue Autorität ist das Empire. Hardt und Negri liefern mit ihrem Werk eine umfassende Analyse zu Natur und Aufstieg des Empires, beginnend mit der Moderne (Hardt und Negri 2003). Zweck der Arbeit ist es, die neuen Formen der Macht zum Ende des 20. Jahrhunderts besser zu verstehen und das neue Feindbild herauszuarbeiten.

Der zweite Teil der Trilogie Multitude: War and Democracy in the Age of Empire (Hardt und Negri 2004a) ist im eigentlichen Sinne keine Fortsetzung, sondern vertieft nur die vorangegangene Analyse des Empires. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf Widerstandsmöglichkeiten innerhalb des Empires sowie auf möglichen Alternativen zu dieser globalen Ordnung; eine Thematik, für die bereits in Empire die Grundlagen gelegt wurden (Hardt und Negri 2003, 2004). Weiterhin beinhaltet es eine Neudefinition des Proletariats und analysiert die Potentiale der Menge, der sogenannten Multitude, für die Demokratie und die Revolution (Hardt und Negri 2004a). Den Abschluss der Trilogie bildet die Publikation Commonwealth (Hardt und Negri 2009), in der eine Alternative zum Empire präsentiert wird. In ihrem Gesellschaftsentwurf wenden sich die Autoren von der Idee des Privatbesitzes ab, an ihre Stelle tritt die Idee des Gemeinsamen.

Mit ihrer Trilogie haben die Autoren eine Bestandsaufnahme der Postpostmoderne geschaffen, die mögliche Alternativen zu einer kapitalistischen Welt und eine neue Möglichkeit des Widerstands der Menge aufzeigen, eine Art der Weiterführung der marxistischen Idee des Klassenkampfes.

  • [1] Die im Folgenden genannten Werktitel und Erscheinungsjahre beziehen sich auf die englische Version des jeweiligen Werkes und nicht auf die italienische Originalversion (Negri 1981a, 1981b, 1992).
  • [2] 2012 erschien ihr Werk Declaration, indem sie die Occupy-Bewegung thematisieren und die These aufstellen, dass diese soziale Bewegung neue Formen der Demokratie auslote (Hardt und Negri 2012).
 
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