Inhaltliche Ansätze zur Verbesserung der redaktionellen Qualitätstransparenz

In diesem Kapitel geht es um die Frage, wo die Redaktionen inhaltlich ansetzen können, um die redaktionelle Qualitätstransparenz zu verbessern – der Blick verengt sich auf den Bereich der Qualitätssicherung. Bis in die 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein verstanden Unternehmer unter Qualitätssicherung vor allem die Aufgabe, fertige Produkte auf bestimmte erwünschte Eigenschaften hin zu prüfen. Mit der Zeit richtete sich der Blick dann auch auf die qualitätszielorientierte Gestaltung der Wertschöpfungsprozesse, um Mängeln vorbeugen und Verbesserungen erreichen zu können. Seit den 80er Jahren hat sich die Qualitätssicherung zu einer Querschnittsaufgabe entwickelt, die alle Organisationsbereiche (Marketing, Personalarbeit etc.) durchzieht und folglich ein übergreifendes Management erfordert. (vgl. Dollinger 2006, S. 128ff.; Wyss 2002, S. 63ff.)

In der Journalistikund Kommunikationswissenschaft hat sich zum Thema Qualitätssicherung ein eigener Forschungszweig herausgebildet. Empirische Untersuchungen lassen darauf schließen, dass ein systematisches Qualitätsmanagement bei Zeitungsredaktionen bislang kaum verbreitet ist [1]. Mehrere Autoren haben den Versuch unternommen, das aus der Betriebswirtschaftslehre stammende Konzept des Total Quality Management (TQM) auf den Journalismus und das Zeitungswesen zu übertragen (vgl. Hermes 2006, S. 87–130; Meckel 1999, S. 40–58; Rau 2007, S. 117–135; Wyss 2002, S. 62–89). In der TQM-Philosophie gilt Qualität als oberste Maxime. Wie dem Selbstbewertungsmodell der European Foundation for Quality Management (EFQM-Modell) zu entnehmen ist, betrifft das nicht nur die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, sondern auch die Qualität der jeweiligen Organisation bzw. des Unternehmens als Arbeitgeber und Glied der Gesellschaft. Die Prinzipien der Mitarbeiterund Gesellschaftsorientierung beruhen auf der Erkenntnis, dass der Markterfolg eines Unternehmens auch von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern und einer wohlwollenden Öffentlichkeit abhängt. Zu den Prinzipien des TQM gehört außerdem die Prozessorientierung: Mit Hilfe eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses soll sich eine Organisation laufend an die sich wandelnden Anforderungen von Kunden, Mitarbeitern und Gesellschaft anpassen können. (vgl. Dollinger 2006, S. 140–168; Wyss 2002, S. 68–83)

Diese Prinzipien des TQM sind aus der in dieser Arbeit eingenommenen strukturationstheoretischen Perspektive heraus folgerichtig und notwendig: Weil Redaktionen aufgrund der Rekursivität von Handeln und Struktur in einem ständigen Wandel begriffen sind, wandeln sich auch ihre Qualitätskriterien und

-ziele. Und weil sie zum einen in einem rekursiven Konstitutionsverhältnis zu den gesellschaftlichen Institutionen in ihrer Umwelt stehen und zum anderen das regelkonforme und eigenverantwortliche Handeln ihrer Mitglieder von deren individueller Motivation abhängt, ist das Spektrum dieser Qualitätskriterien und Qualitätsziele entsprechend weit zu fassen:

1. Sie können sich auf den Nutzen journalistischer Leistungen für Leser und Nutzer und wegen ihres meritorischen Charakters auch für die Gesellschaft beziehen (journalistische Qualitätskriterien).

2. Sie können sich auf den Nutzen der Redaktionsorganisation für Mitarbeiter, andere Stakeholder und die Gesellschaft schlechthin beziehen; ein mitarbeiterbezogenes Qualitätskriterium wäre zum Beispiel die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wenn sich eine Redaktion gesellschaftlich engagiert, indem sie einen bestimmten Fußballverein sponsort oder eine bestimmte soziale Einrichtung fördert, so ist darin allerdings ein Widerspruch zum Qualitätsziel der Unabhängigkeit zu sehen.

In diesem Kapitel wird die redaktionelle Qualitätssicherung nur im Hinblick auf die Optimierung der journalistischen Inhalte und der dahinterstehenden redaktionellen Prozesse betrachtet, obgleich auch die anderen Bereiche als Gegenstand der externen Transparenzkommunikation anzusehen sind. Redaktionelle Qualitätssicherung wird dabei als das ständige Bestreben der Redaktionsmitglieder definiert, ihr Handeln und die organisationalen Gegebenheiten an formal festgelegten Qualitätszielen auszurichten[2]. Qualitätssicherung beinhaltet nach diesem Begriffsverständnis sowohl Sachals auch Managementaufgaben: Die Sachaufgaben bestehen darin, direkt oder indirekt materielle oder immaterielle Leistungen zu erbringen, und das Qualitätsmanagement umfasst die reflexive Steuerung der Redaktionsorganisation durch die Entwicklung von Qualitätszielen und -strategien, die Schaffung von Regeln und Ressourcen und durch Führung (vgl. Wyss 2002, S. 83).

Tabelle 7: Themenfelder zur Verbesserung der redaktionellen Qualitätstransparenz

Wie im sechsten Kapitel bereits erläutert wurde, sind für die Darstellung der diesbezüglichen Inhalte der Transparenzkommunikation die in Tabelle 7 dargestellten Themenfelder zu durchleuchten: Welche Akteure, Organisationen und Institutionen in ihrer Umwelt nehmen Einfluss auf die Qualitätsbemühungen der Redaktion, und mit wem kooperiert sie im Bereich der Qualitätssicherung? (Analysebereich 1) Welche Qualitätsziele und -strategien verfolgt sie, und wie schlagen diese sich im formalen Regelsystem und in der Ressourcenausstattung nieder? (Analysebereich 2) Wie steht es um das qualitätszielorientierte Handeln der Redaktionsmitarbeiter im Leistungsund Managementprozess? (Analysebereich

3) Über welche Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf das Thema journalistische Qualität verfügen die in diesem Bereich tätigen Redaktionsmitarbeiter? (Analysebereich 4)

  • [1] Vinzenz Wyss (2002, S. 396f.) hat durch eine Befragung von Schweizer Tageszeitungsredaktionen herausgefunden, dass diese in den seltensten Fällen Qualitätsziele und Qualitätskriterien definiert haben. Das aber wäre die Voraussetzung für ein systematisches Qualitätsmanagement oder für Produktevaluationen, bei denen die Zeitungsqualität anhand von harten und weichen Kriterien gemessen wird. Die Redaktionen verfügen Wyss zufolge zwar über Sicherungssysteme wie Redaktionskonferenzen, Praktiken des Gegenlesens und der Beitragsabnahme sowie Blattkritiken. „Aus der Analyse geht aber hervor, dass auch diese Sicherungssysteme kaum bewusst und systematisch hinsichtlich journalistischer Qualitätssicherung angewandt werden und kaum auf festgelegte Ziele und Normen rekurriert wird. Es entsteht der Eindruck, dass zwar viele Sicherungsinstrumente vorhanden sind, aber nicht als Teil eines ganzen Qualitätssicherungssystems wahrgenommen werden.“ (ebd., S. 297) Den Stellenwert unterschiedlicher Werkzeuge des redaktionellen Qualitätsmanagements in deutschen Nachrichtenredaktionen hat Sandra Hermes (2006) untersucht. Auch sie kommt zu dem Ergebnis, dass „eine verschwindend geringe Minderheit“ zur Erreichung der Qualitätsziele auf Total-Quality-Management setzt, während andere Qualitätsmanagementsysteme etwas stärker verbreitet seien. (vgl. Hermes 2006, S. 318)
  • [2] Siehe dazu die Ausführungen zum Begriff der Qualitätssicherung in Abschnitt 2.4.2.2
 
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