Bereichsspezifische Umwelt
In der Umwelt der Redaktion existieren eine Reihe von Akteuren, Organisationen, Initiativen und Institutionen, die sich mit journalistischer Qualität befassen, die innerredaktionellen Qualitätsbemühungen präventiv und korrektiv beeinflussen und umgekehrt auch von der Redaktion beeinflusst werden. Diese Rekursivität der Beziehungen ist bei einer strukturationstheoretischen Analyse unbedingt in Betracht zu ziehen. (vgl. Wyss 2002, S. 213) Die „Infrastrukturen der journalistischen Qualitätssicherung“ (Ruß-Mohl 1994, S. 111) lassen sich drei verschiedenen ‚Umweltzonen' zuordnen, die in Abschnitt 7.1 bereits beschrieben wurden: der Aufgabenumwelt, dem Marktund Branchenumfeld und der globalen Umwelt.
In der globalen Umwelt wirken sich insbesondere die medienrechtlichen Regelungen auf die redaktionelle Qualitätspolitik aus. So lässt sich zum Beispiel das Qualitätskriterium der Unabhängigkeit aus der in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerten Meinungsund Pressefreiheit herleiten. (vgl. McQuail 1992, S.
106) Daneben fordert das Grundgesetz die Achtung der Persönlichkeit, die ein Gegengewicht zur Unabhängigkeit darstellt [1].
Zum Marktund Branchenumfeld gehören unter anderem Wettbewerber, die sich systematisch mit dem Thema Qualitätsmanagement befassen, Berufsund Branchenorganisationen und –initiativen [2], Journalistik-Fachbereiche an Hochschulen, Medienjournalisten, Blogger und Branchenexperten (Wissenschaftler, Berater), die den öffentlichen Diskurs über Qualität im Journalismus in Gang halten und dabei ihr Wissen, ihre Ideen und Empfehlungen einbringen. Eine Wächterfunktion nehmen die Instanzen der freiwilligen Selbstkontrolle ein, zu denen Ombudsstellen und der deutsche Presserat zählen. Der Presserat versucht mit seinem Pressekodex Einfluss auf die Legitimationsordnung der Redaktionen auszuüben (vgl. Wyss 2002, S. 232). Sein stärkstes Druckmittel gegen Redaktionen, die diesem Kodex zuwider handeln, ist die öffentliche Rüge. (vgl. Hermes 2006, S. 130–161)
Zur Aufgabenumwelt im weiteren Sinne zählen redaktionsexterne korporative und nicht organisierte Akteure, zu denen direkte Beziehungen bestehen und die in unterschiedlicher Form in die Qualitätsund Qualitätsmanagementprozesse der Redaktion eingebunden sind.
Die Qualitätsprozesse sollen in dieser Arbeit als Leistungsprozesse definiert werden, die im Sinne einer ganzheitlichen Qualitätspolitik alle anderen direkten und indirekten Leistungsprozesse wie die Produktion oder die Ausund Weiterbildung der Mitarbeiter durchziehen und begleiten. Folgende externe Akteure können an diesen Qualitätsprozessen beteiligt sein:
Ÿ Leser und Experten, die als ausgewählte ‚Gastkritiker' an der redaktionellen Blattkritik teilnehmen und sich in Leserbriefen oder auf der ZeitungsWebsite zur Qualität der journalistischen Inhalte und der redaktionellen Arbeitsweise äußern
Ÿ professionelle Zulieferer (u.a. freie Journalisten, Journalistenbüros, Nachrichtenagenturen und kooperierende Verlage), deren Qualitätskriterien und Qualitätssicherungsverfahren mit denen der Redaktion abgeglichen werden müssen, damit es nicht zu aufwendigen Nachkorrekturen kommt
Ÿ externe Ausund Weiterbildungsträger, die feste und freie Mitarbeiter darin schulen, die Qualität ihrer Arbeit zu sichern
Ÿ externe Organe der freiwilligen Selbstkontrolle (Presserat, Ombudsstellen), mit denen die Redaktion aktiv zusammenarbeitet, indem sie die dort aufgelaufene Kritik an ihrer Arbeit auswertet und veröffentlicht [3]
Ÿ externe Kontrollorgane, die im Auftrag der Redaktion Qualitätsprüfungen durchführen
Die Qualitätsmanagementprozesse umfassen die Planung, Steuerung (Organisation, Personaleinsatz, Führung) und Kontrolle der redaktionellen Aktivitäten im Bereich der Qualitätssicherung [4].Folgende externe Akteure können daran beteiligt sein:
Ÿ Leser und Nutzer, die in den Prozess der Bildung und Veränderung von Qualitätszielen eingebunden werden (kann auch indirekt über Marktforschungsinstitute geschehen, die Leserbefragungen oder Experteninterviews durchführen)
Ÿ wissenschaftliche Institute, Beratungsunternehmen und Berufsund Branchenorganisationen bzw. einzelne Experten, bei denen sich die Qualitätsmanager Unterstützung holen
Ÿ Ausund Weiterbildungseinrichtungen, die redaktionelle Führungskräfte im Bereich Qualitätsmanagement schulen
Ÿ Zertifizierungsanbieter, die das Qualitätsmanagementsystem der Redaktion prüfen und zertifizieren
Verfügt die Medienorganisation, unter deren Dach die Redaktion angesiedelt ist, über Strukturen der Qualitätssicherung, so handelt es sich dabei um den zu betrachtenden Teil der Aufgabenumwelt im engeren Sinne.
Zentrale Aspekte für die externe Transparenzkommunikation:
Wie in Abschnitt 7.1 begründet wurde, sollte die Aufgabenumwelt im engeren und weiteren Sinne bei der Darstellung der externen Akteure, die auf die redaktionellen Qualitätsbemühungen einwirken, im Mittelpunkt stehen. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergeben sich daher die folgenden Leitfragen für die Transparenzkommunikation:
Ÿ Welche externen Akteure, Initiativen und Organisationen bindet die Redaktion in ihre Qualitätsprozesse ein?
Ÿ Welche externen Akteure, Initiativen und Organisationen sind an den redaktionellen Qualitätsmanagementprozessen beteiligt?
Ÿ Über welche Strukturen der Qualitätssicherung verfügt die Medienorganisation, zu der die Redaktion gehört?
Im Sinne der Transparenz ist zu zeigen, welche Ziele die externen Akteure, Initiativen und Organisationen verfolgen und nach welchen Regeln sie arbeiten. Das Gleiche gilt für die mit Qualitätssicherung befassten Bereiche der Medienorganisation. Darüber hinaus kann die Redaktion transparent machen, wie sie ihre Beziehungen zu den genannten (kollektiven) Akteuren geregelt hat. Diese Frage wird in Abschnitt 8.2.3.4 wieder aufgegriffen.
- [1] Siehe dazu die Ausführungen zur Achtung der Persönlichkeit als einem zentralen journalistischen Qualitätskriterium in Abschnitt 5.3 dieser Arbeit.
- [2] Zu den Initiativen zählen zum Beispiel das Lokaljournalistenprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung, das einen Beitrag zur Qualitätssicherung des Lokaljournalismus leisten soll (vgl. Hermes 2006, S. 151 u. 155), und die von verschiedenen Berufsund Branchenorganisationen ins Leben gerufene „Initiative Qualität im Journalismus“ (initiative-qualitaet.de, zugegriffen am 15.07.2014)
- [3] Sandra Hermes (2006, S. 145) verweist diesbezüglich auf die Idee, dass die Presseräte ein Qualitätssiegel für Medienprodukte vergeben, deren Redaktionen sich dazu verpflichten, die auf sie bezogenen Rügen zu veröffentlichen
- [4] Siehe dazu die Ausführungen zu den Managementprozessen in Abschnitt 7.2.3.3 dieser Arbeit