›Popstar‹: Die Lunikoff Verschwörung
"Für die verrückten Sammler unter Euch gibt es noch ein handnummeriertes, eingeschweißtes auf 1111 Stück limitiertes Digi Buch der CD! Ranhalten!" (pc records 2013), warb das Label PC-Records anlässlich des Erscheinens der CD "Treudeutsch allwege!" im Dezember 2013. Und weiter heißt es dort: "Vaterlandstreue Lieder aus vergangenen Tagen mit viel Melodie und schönen Chören plus natürlich Luni's unverwechselbarer Stimme". ›Luni‹ ist die Kurzform für Lunikoff dem Spitznamen von Michael Regener. In der neonazistischen Musikszene ist er so etwas wie ein Popstar. Ein Status, den er seinem Engagement bei der Band Landser und der anschließenden Verurteilung verdankt. 1992 war diese Band in Berlin gegründet worden, die sich selbst später zu "Terroristen mit E-Gitarre" stilisieren sollte. Lunikoff selbst war damals schon in der Szene aktiv, als "Vandalen-Obergruppenführer" (Lunikoff 1991).
Landser fielen früh mit Songs wie "Hurra das Asylheim brennt" oder "Schlagt sie tot" auf. Während sich zwischen 1993 und 1995 eine Reihe von RechtsRock-Bands aufgrund ihrer Texte vor Gericht verantworten mussten, entschied sich die Berliner Band dafür, sich nicht den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland anzupassen und nicht mit entsprechender Sorgfalt die zur Veröffentlichung bestimmten Lieder von einem Anwalt auf etwaige strafrechtlich relevante Äußerungen prüfen zu lassen. Zwischen 1995 bis 2000 erschienen drei CDs der Gruppe mit den Titeln
"Republik der Strolche" (1995), "Rock gegen oben" (1998) und "Ran an den Feind" (2000). Nachdem es wiederholt zu Übergriffen auf Migranten gekommen war, bei denen sich im Nachhinein heraus gestellt hatte, dass sich die rassistischen Täter mit Musik von Landser aufgeputscht hatten, wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende die Festnahme der Bandmitglieder von Landser stand sowie die der führenden Köpfe ihres illegalen Vertriebsnetzes. Zu dieser Zeit waren Landser in der RechtsRock-Szene und darüber hinaus schon ›Kult‹. Am 23. Dezember 2003 wurden die Angeklagten nach §129 Strafgesetzbuch, Bildung einer kriminellen Vereinigung, verurteilt. In seiner Urteilsbegründung hob Richter Weißbrodt hervor, dass sich die Mitglieder als Kämpfer verstanden und ihre Musik als Waffe begriffen hätten (2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin 2003: 160).
Michael Regener, der sich als einziger im Verfahren nicht kooperationswillig gezeigt hatte, erhielt als einziger eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Als er seine nach Anrechnung der Untersuchungshaft fällige Reststrafe von zwei Jahren und zehn Monaten am 11. April 2005 antrat, hatte er längst den Grundstein für eine zweite Karriere gelegt, nun mehr unter dem Namen Die Lunikoff Verschwörung. Bereits im Frühjahr 2004 erschien die Debüt-CD "Die Rückkehr des Unbegreiflichen" dieser neuen Formation. Es folgte am 27. November 2004 ein erster Live-Auftritt in Mücka. Ermöglicht hatte diesen die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN). Immerhin war Regener kurz zuvor selbst Mitglied der NPD geworden. Obwohl das Konzert nur unter der Hand beworben wurde, kamen circa 1 000 Besucher. Ein Mitschnitt des Auftritts veröffentlichte das Label W&B-Records von Thorsten Heise knapp drei Wochen später, noch rechtzeitig im Weihnachtsgeschäft. Schließlich, kurz vor seinem Haftantritt, gab Die Lunikoff Verschwörung am 2. April 2005 im Anschluss an einen NPD-Parteitag in Pösneck ein Abschiedskonzert, das ebenfalls im Geheimen organisiert worden war und zu dem circa 1 300 Besucher kamen. Und als vorerst letzter Gruß an seine Fans folgte am Ende des Monats noch die CD "Niemals auf Knien". Danach wurde es zunächst ruhig um Regener. Wenig drang aus der Haftanstalt nach außen. Ein Lebenszeichen des Musikers veröffentlichten die "HNG Nachrichten", das Mitteilungsblatt der neonazistischen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. [1], in dem er über seinen Haftalltag informierte. Er betont: "[…] die Postflut hält bei mir unvermindert an, freut mich ja riesig, nicht vergessen zu werden, aber das Beantworten wird zum Ding der Unmöglichkeit" (Regener 2006: 6). Auch die NPD vergaß ihr bestes Aushängeschild in diesem Spektrum nicht und führte am 21. Oktober 2006 eine Kundgebung unter dem Motto "Freiheit für Lunikoff. Lasst unsere Kameraden raus" vor der Justizvollzugsanstalt Tegel durch, in der Regener inhaftiert war. Selbst der damalige NPD-Parteivorsitzende Voigt kam zur Versammlung, um das Anliegen zu unterstützen und ein Zeichen gegenüber der jugendkulturell geprägten extremen Rechten zu setzen. Doch ein Antrag auf Haftverschonung nach zwei Drittel der abgeleisteten Zeit wurde abgelehnt und Regener erst am 27. Februar 2008 entlassen – kaum sechs Monate dauerte es, da war seine neue CD veröffentlicht.
Musikalisch betrachtet spielen Die Lunikoff Verschwörung, wie bereits Landser, Rockmusik, manchmal untermalt mit Anklängen aus Country und Ska. Dominiert wird die Musik vom Gesang, der nicht im klassischen Sinne schön ist, aber aus der Masse der RechtsRock-Produktionen hervorsticht. Die Texte zu den eingängigen Liedern sind einfach gestrickt, weisen aber, wie Fans immer wieder betonen, den ›typischen Witz‹ von Regener auf. Gemeint sind damit die vielen zutiefst zynischen Passagen wie zum Beispiel im Song "In den Bergen von Ruanda", als er zu Landser-Zeiten darüber sang, dass er im Fernsehen Bilder mit in Afrika verdurstenden Menschen sehe und er daraufhin den Wasserhahn aufdrehe. Dieser ›Wortwitz‹ mit seiner bildhaften Sprache findet sich auch bei der Lunikoff Verschwörung wieder:
"Kasunke von gegenüber hat sich neulich aufgehangen, so ist die Zahl der Arbeitslosen leicht zurückgegangen. Was für ein Erfolg, das stellt ja alles in den Schatten. Das verdanken wir der besten Regierung, die wir jemals hatten. [Refrain:] Schröder, Schily, Fischer sind unsre besten Leute. Besser als alle Demos und Flugblätter noch dazu, besser als jeder Comic und jeder Science Fiktion, sie treiben uns die Wähler scharenweise zu" (Die Lunikoff Verschwörung 2005: Unsere besten Leute).
Im Begleitheft ist dieser Song mit dem Logo der NPD hinterlegt. Dabei versucht Regener hier gar nicht mit klassischen Parolen zu agitieren, sondern erzählt Geschichten aus der vermeintlichen Lebenswelt der Zuhörer, in die er seine politische Weltsicht einflechtet. Mit offenen Mordaufrufen und Vernichtungsphantasien wie bei Landser hält er sich heute zurück, auf Drohungen verzichtet er indes nicht, wie schließlich am Ende des Songs zu vernehmen ist:
"Jetzt sitz ich vor der Glotze und bin es, der frech grient. Sie [die Politiker, Anm. d. A.] erhöh'n sich die Diäten. Mensch Jungs, ihr habt's verdient, denn ihr seid Deutschlands Hoffnung, auch wenn ihr das nicht wollt. Heut rollt für euch der Rubel, ratet mal, was morgen rollt!" (ebd.)
Doch, wie bereits angedeutet, Regener ist kein politischer Demagoge im Stile vieler anderer RechtsRock-Bands, die Texte zielgerichtet entlang der jeweils aktuellen politischen Programmatik des neonazistischen Spektrums formulieren und zur politischen Aktion aufrufen. Er rückt sich vielmehr selbst gerne in den Mittelpunkt seiner
›Geschichten‹, stilisiert sich und seine Bandkollegen zu den "Jungs fürs Grobe" (im selbigen Song), erzählt über Begegnungen mit seinem "Frauentyp" und dass er sich dabei zum "allergrößten Blödsinn" hinreißen ließe (Song "K.T.K.A. & S.K.H."), oder mimt den ›Proleten‹:
"Ach, was muss man oft von bösen Arbeitslosen hören und lesen. Vier Millionen leben von Stütze, beschimpft als Schmarotzer und zu nichts Nütze. Scheiß drauf, lasst uns auf Staatskosten feiern, von Friesland bis nach Oberbayern. Die BRD-GmbH geht in Konkurs, hipp hipp hurra. Also Mädels, bestellt, was immer euch gefällt. Was kostet die Welt? Arbeitslosengeld!" (Die Lunikoff Verschwörung 2008: Hartz IV Boogie)
Doch auch in diesem "Hartz IV Boogie" auf der CD "Heil froh" fehlt nicht die Kampfansage an ›das System‹:
"Arbeitslos und Spaß dabei, Hass auf 's System bis zur Raserei. Abgewickelt und abgeschrieben von Volksvertretern, wie wir sie lieben. Doch statt in die Röhre, schauen wir lieber ins Glas, denn bald beginnt der richtige Spaß. Dann geht's an den Kragen der Bonzen und Banker" (ebd.).
Die positiv skizzierte Verschwendung von staatlichen Transferleistungen dürfte bei der NPD, die für ›Sozialschmarotzer‹ kein Verständnis hat, wenig Wohlgefallen finden – doch bei den jugendlichen Hörern wird der Refrain bestimmt in den eigenen Zitatenschatz übernommen werden, wie es schon mit andern Liedern des Musikers in der Vergangenheit geschah. Für sie ist Lunikoff ›Kult‹ oder besser gesagt, war ›Kult‹. Schon bei seinem Album "L-Kaida" (2011) mehrten sich Stimmen in der Szene, die sowohl Musik als auch die Texte kritisierten. Es fehle der ›alte Schwung‹. 2012 schob Regener unter dem Namen Old Lu & Das Höllenfahrtskommando eine Cover-CD nach: "Vermindert Schuldfähig". Eingespielt und -gesungen hat er dafür Songs diverser deutscher Punk-Bands. Obwohl diese Lieder beziehungsweise Bands alle einen anderen politischen Hintergrund haben als er, sind die Texte oder Aussagen in den ausgewählten Stücken so, dass sie sich Regener zu eigen machen kann.
Zuletzt, kurz vor Weihnachten 2013, erschien jenes bereits erwähnte Album "Treudeutsch allwege!". Die Lieder sind, abgesehen von einer Ausnahme, alle historischen Ursprungs, wie der Musiker im Begleitheft erläutert:
"Treue Hörerschaft, diese Scheibe hat mal wieder ihre ganz eigene Geschichte. Es muß so Ende der 70er gewesen sein, da schenkte mir ein Kumpel ein zerflettertes Liederheft aus dem ersten Weltkrieg: ›Vaterlandslieder 1914‹, schön in schwarz-weiß-rot gehalten, ich begann darin zu lesen und es war um mich geschehen! Was für Worte!" (Lunikoff & der Baron 2013: Begleitheft)
Diese Lektüre zu DDR-Zeiten inspirierte Regener, die alten Texte mitsamt ihren Melodien in moderne Rockmusik zu transformieren. Doch die Reaktionen auf das Album waren verhalten. Live ist er hingegen immer noch ein Magnet: 2009 kamen rund 5 000 Besucher zum "Rock für Deutschland", in erster Linie wohl um ihn zu sehen. Zu einem Solidaritätskonzert für den verurteilten Kriegsverbrecher Erich Priebke [2] in Rothenburg 2011 reisten 1 300 Leute an. Auf dem ›Eichsfeldtag‹ der NPD 2012 schauten ihm 1 000 zu und auf dem "Deutsche Stimme Pressefest" 2012 knapp 1 500.
In der Szene kommt einzig dem Musiker Daniel ›Gigi‹ Giese eine ähnliche Bedeutung zu wie Lunikoff. Bereits in den 1980er Jahren hat der Emsländer begonnen Musik zu machen, zunächst mit der Metal-Band Saccara, dann ab 1996 mit Stahlgewitter – einer Gruppe, die wegen ihrer politisch eindeutigen Positionierung viel Zuspruch erfuhr. Aber nicht nur deswegen. Giese trägt sie growl'nd vor, mit gutturalem Gesang, wie manche Metal-Sänger. Seine Stimme wurde zum Markenzeichen. Er verleiht den Liedern damit eine besonders aggressive Note, selbst den Schlagern und Songs der ›Neuen Deutschen Welle‹, die Giese 2004 auf dem Album "Braun is beautiful" seines Projekts Gigi & Die braunen Stadtmusikanten covert. Die Liedauswahl samt Albumund Bandname machte ihn in der Szene endgültig zum ›Star‹. Bei der Charakterisierung der Musik verwies sein Label PC Records im Übrigen explizit auf das Underground-Projekt Zillertaler Türkenjäger [3] – bis heute wird in der Szene gemunkelt, er habe seinerzeit dahinter gesteckt. Die Polizei konnte es ihm indes nicht nachweisen. Auf dem Folgealbum "Adolf Hitler lebt!" (2010) der ›Stadtmusikanten‹ veröffentlichte Giese schließlich jenen Song, der nach dem Auffliegen des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) breit in den Medien rezipiert wurde. In ihm heißt es:
"Neun Mal hat er es jetzt schon getan. Die SoKo Bosporus, sie schlägt Alarm. Die Ermittler stehen unter Strom. Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom. / Sie drehen durch, weil man ihn nicht findet. Er kommt, er tötet und er verschwindet. Spannender als jeder Thriller, sie jagen den Döner-Killer. / Neun Mal hat er bisher brutal gekillt, doch die Lust am Töten ist noch nicht gestillt. Profiler rechnen mit dem nächsten Mord. Die Frage ist nur wann und in welchem Ort. / […] / Hunderte Beamte ermittelten zuletzt. 300 000 Euro sind auf ihn ausgesetzt. Alles durchleuchtet, alles überprüft, doch kein einziger Hinweis und kein Tatmotiv. Am Dönerstand herrscht Angst und Schrecken. Kommt er vorbei, müssen sie verrecken. Kein Fingerabdruck, keine DNA. Er kommt aus dem Nichts, doch plötzlich ist er da. Wer stillt seinen Hunger und wann geht er wieder jagen? Wann taucht er wieder auf? Kein Fahnder kann es sagen. Wer ist der Nächste? Wann ist es soweit? Sie haben ihn längst verloren, den Wettlauf gegen die Zeit. Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gerne spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug" (Gigi & die braunen Stadtmusikanten 2010: Döner Killer).
Der Text beinhaltet kein Täterwissen. Er ist vielmehr als zynische Freude darüber zu lesen, dass es einen Mörder gibt, der gezielt Menschen mit Migrationshintergrund umbringt. Geschrieben hat den Text im Übrigen nicht Giese, sondern Jens Hessler, einst Blood & Honour Aktivist und Inhaber des Labels Nibelungen Versand. Seit Jahren war er nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten.
Im Weihnachtsgeschäft 2013 ›feierte‹ Giese unterdessen mit seiner Band Stahlgewitter ein Comeback – nach sieben Jahren erschienen gleich zwei neue CDs:
"Stählerne Romantik lautet der Titel und der Name ist hier Programm. Stahlgewitter setzen mit dieser Lichtscheibe dem im Jahre 1234 ausgelöschten Volk der freien Stedinger sowie dem kürzlich im Alter von 100 Jahren verstorbenen Erich Priebke ein musikalisches Denkmal und besingen in ›Germanisches Sparta‹ eine über den Tod hinaus gehende Geisteshaltung als Burg aller Tapferen in Ewigkeit. Weiterhin gibt's eine Abrechnung mit der Besatzerpolitik und sogar ein Stück gegen Tierversuche" (Opos Records 2013).
Die Werbung des veröffentlichenden Labels Zeughaus hebt in erster Linie auf den politischen Kern der Mini-CD ab – dafür steht die Band, das macht auch die Review des anderen Albums, "Das Hohelied der Herkunft", deutlich:
"Politische Musik, ein Hohelied der Herkunft, eine Hymne an unsere Art! Und allen Gesinnungspolizisten samt ihren Büßerbrigaden schreibt sie wieder unmißverständlich ins Stammbuch: ›Die Größe eines Mannes richtet sich immer nach der Zahl seiner Feinde!‹ Die Idee ist unbesiegt! In diesem Sinne: Zugriff! ZUGRIFF!!!" (Das Zeughaus 2013)
Der Verweis auf Adolf Hitler und das Fortleben des Nationalsozialismus ist ebenso unmissverständlich wie die Vokabel ›Zugriff‹. Schnell zugreifen bevor das die Behörden tun, lautet die Botschaft. Beim neonazistischen Web-TV FSN (›Frei Sozial National‹) schoss die Platte vielleicht auch deshalb auf den ersten Platz der "CD des Jahres 2013" (FSN 2014).
- [1] Die am 20. April 1979 gegründete Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige wurde am 21. September 2011 vom Bundesministerium des Innern verboten.
- [2] Der ehemalige SS-Hauptsturmführer Erich Priebke (29. 7. 1913–11. 10. 2013) wurde wegen seiner Beteiligung an Geiselerschießungen 1944 in Italien 1998 zu einer lebenslangen Haft trafe verurteilt, welche aus Altersgründen in Hausarrest umgewandelt wurde. Der neonazistischen Szene gilt er als Märtyrer.
- [3] front-records.com (zuletzt abgerufen am 10. 2. 2006).