Strategische Planung
Laut einer Definition von Manfred Bruhn (2009, S. 226) sind Kommunikationsstrategien „bedingte, mehrere Planungsperioden umfassende, verbindliche Verhaltenspläne“, mittels derer eine Organisation ihre Kommunikationsziele erreichen will. Bei der Entwicklung einer Strategie sind verschiedene Elemente oder Entscheidungsparameter zu berücksichtigen, die in der Literatur zum Thema PRund Kommunikationsmanagement unterschiedlich systematisiert worden sind.
Weitgehende Einigkeit besteht dabei über die folgenden Entscheidungsparameter und -zusammenhänge: In einem ersten Schritt sind die Zielgruppen und Teilöffentlichkeiten zu identifizieren und auszuwählen, an die sich die PRMaßnahmen richten sollen (Mit wem genau wollen wir kommunizieren?). Daraufhin ist zu überlegen, wie die Organisation diese Gruppen gezielt ansprechen kann. Diese Überlegungen betreffen zum einen die Wahl der Themenfelder und zentralen Inhalte (Worüber wollen wir kommunizieren?) und zum anderen die grundsätzliche Vorgehensweise (In welcher Form und über welche Kanäle wollen wir kommunizieren?). (vgl. u.a. Bentele & Nothhaft 2007, S. 376; Grupe 2011, S. 33; Szyszka 2008a, S. 60f.) Die drei genannten Entscheidungsparameter sollen im Hinblick auf das Transparenzmanagement näher durchleuchtet und weiter aufgefächert werden.
Auswahl der Zielgruppen und Teilöffentlichkeiten
Um gezielt und strategisch kommunizieren zu können, müssen die Zeitungsund Online-Redaktionen eingrenzen, welche Personen und Organisationen in ihrer Umwelt sie aktiv ansprechen wollen. Dafür soll hier auf die Segmentierungskonzepte der Zielgruppen und der Teilöffentlichkeiten zurückgegriffen werden.
Das Denken in Zielgruppen entwickelte sich in der Marketingund Werbelehre und wurde dann auch für die PR-Konzeptionslehre nutzbar gemacht. (vgl. Bentele & Nothhaft 2007, S. 376) Die Manager teilen die Zielgruppen nach zuvor festgelegten Merkmalen wie Alter, Geschlecht oder Rezeptionsverhalten ein. Beim Stakeholder-Konzept, das aus der Managementforschung hervorgegangen ist, sind hingegen die Ansprüche, die verschiedene Gruppierungen an die Organisation stellen, das maßgebliche Segmentierungskriterium. Der Begriff Stakeholder wird in der deutschsprachigen Fachliteratur häufig mit Anspruchsgruppe oder Bezugsgruppe übersetzt. (vgl. Röttger, Preusse & Schmitt 2011, S. 95f. u. 101)
Bei der Zielgruppensegmentierung sind zunächst interne von externen und direkte von indirekten Zielgruppen zu unterscheiden (vgl. Grupe 2011, S. 36):
Interne und externe Zielgruppen: Im Fokus dieser Arbeit steht die Frage, wie Zeitungsund Online-Redaktionen ihren (potenziellen) Lesern und Nutzern zeigen können, wie sie arbeiten. Das Hauptaugenmerk liegt folglich auf der externen Kommunikation und den externen Zielgruppen. Eine Grundbedingung dafür, dass eine Organisation nach außen hin möglichst konsistent auftritt und kommuniziert, ist allerdings interne Transparenz. Das heißt, dass die Redakteure, Volontäre und andere Redaktionsmitglieder, zum Teil aber auch die freien Mitarbeiter möglichst viel über die Redaktionsorganisation wissen sollten, damit ihr beobachtbares Handeln und ihre Aussagen nicht in einen Widerspruch zur ‚offiziellen' Außendarstellung geraten. Externe Transparenz setzt demnach interne Transparenz und damit interne Transparenzkommunikation voraus [1]. (vgl. Bentele & Seiffert 2009, S. 49f.)
Direkte und indirekte Zielgruppen: Bei der externen, auf den Lesermarkt gerichteten Öffentlichkeitsarbeit können die Redaktionen entweder versuchen, ihre tatsächlichen und potenziellen Leser direkt anzusprechen, oder sie können den indirekten Weg gehen, indem sie sich an Multiplikatoren wenden[2]. Im zweiten Fall handelt es sich um eine zweistufige Form der Kommunikation: Multiplikatoren sind einflussreiche Personen oder Gruppen, welche die PRInformationen an die Zielgruppen der Zeitung und ihrer Online-Angebote weiterleiten und auf deren Meinungsbildung einwirken – sie werden in der Literatur auch als Kommunikationsmittler bezeichnet. Dazu zählen Journalisten anderer Medien und sogenannte Meinungsführer, darunter zum Beispiel Medienund Branchenexperten, Medienwissenschaftler, Medienpädagogen oder Verbandsfunktionäre. Die Multiplikatoren können, sie müssen aber nicht zu den Anspruchsgruppen (Stakeholdern) der Organisation gehören. (vgl. Grupe 2011, S. 36; Zerfaß 2010, S. 355)
Anhand von gemeinsamen Merkmalen gilt es nun, direkte und indirekte externe Zielgruppen zu identifizieren und zu beschreiben. Dabei kommen unter anderem die folgenden Merkmalskategorien – auch Segmentierungskriterien genannt – in Frage (vgl. Bruhn 2009, S. 193–199):
Ÿ soziodemografische Merkmale (Geschlecht, Alter, Wohnort, Ausbildung, Beruf, Einkommen etc.)
Ÿ psychografische Merkmale (allgemeine Persönlichkeitsmerkmale wie Werte, Interessen, Einstellungen; auf das Produkt bezogene Merkmale wie Nutzenvorstellungen, Kaufmotive etc.)
Ÿ Verhaltensmerkmale (Kaufverhalten, Produktverwendungsverhalten, Weiterempfehlungsverhalten, Informationsund Kommunikationsverhalten, Mediennutzungsverhalten etc.)
Zur Erfassung der Merkmale können die Verlage und Redaktionen auf interne und externe Informationsquellen zurückgreifen. (vgl. ebd., S. 193) Interne Quellen sind zum Beispiel eigene Leserbefragungen oder Kundenund Interessentendatenbanken; als externe Quellen eignen sich empirische Erhebungen von Wissenschaftsund Marktforschungsinstituten und insbesondere Lesertypologien wie die Media-Analyse oder die Allensbacher Werbeträger Analyse. (vgl. ebd.,
S. 193 u. 207; Graf-Szczuka 2006)
Bei der Auswahl der Zielgruppen sind zwei wesentliche Fragen zu stellen (vgl. Bruhn 2009, S. 210):
1. Welche der identifizierten Zielgruppen sind für die Redaktion am bedeutsamsten, weil sie zum Beispiel einen hohen Einfluss auf die Meinungsbildung anderer Zielgruppen haben oder relativ zeitungsaffin sind? (NutzenAspekt)
2. Welche Zielgruppen kann die Redaktion am effizientesten erreichen? (Kosten-Aspekt)
Eine erste, noch weiter zu verfeinernde Aufteilung der Öffentlichkeit ist in Abbildung 17 zu sehen. Aus ihr ergeben sich die Hauptwege der Zielgruppenansprache. Was die Leser und Nutzer der Zeitungen und ihrer Online-Angebote anbelangt, so lassen sie sich zunächst in Abonnenten (Stammleser) und Leser ohne Abonnement aufteilen. Die Abonnenten sind mit Hilfe von Daten aus Kundendatenbanken oder Leserbefragungen vergleichsweise leicht zu segmentieren. Schwieriger wird es da schon bei den anderen Lesern, über die keine Kundendaten vorliegen, falls sie sich nicht von sich aus an Leserbefragungen in der Zeitung oder auf der Website beteiligen. Beide Gruppen sind über das eigene Medium erreichbar.
Abbildung 17: Hauptwege der Zielgruppenansprache (eigene Darstellung)
Informationen über Nichtleser können die Redaktionen durch Marktforschungsstudien im eigenen Verbreitungsgebiet oder aus externen Quellen wie den Nichtleser-Typologien gewinnen. Die Typologien geben Aufschluss über demografische Merkmale und über das Kommunikationsund Mediennutzungsverhalten der Nichtzeitungsleser. (vgl. Bruhn 2009, S. 193; Grupe 2011, S. 36) Durch PRMaßnahmen direkt oder indirekt erreichbar sind die auf dieser Basis definierten Zielgruppen nur dann, wenn aus den Studien auch hervorgeht, wie und über welche (Massen-)Medien sie sich informieren und kommunizieren.
Die Multiplikatoren schließlich lassen sich segmentieren, indem man etwa bei Journalisten deren thematische Schwerpunkte zugrunde legt (z.B. Medienwirtschaft, Kinder und Jugendliche) oder bei Meinungsführern darauf abstellt, welchen Netzwerken sie angehören (z.B. Internetforen, die sich mit medienpädagogischen Fragen oder Qualitätsjournalismus beschäftigen) und zu welchen direkten Zielgruppen der Zeitung sie in Beziehung stehen.
Die Zugehörigkeit zu einem Netzwerk ist ein Kriterium, das sich nicht nur zur Segmentierung von Multiplikatoren eignet: Es gehört auch zu dem auf die PR-Forscher James E. Grunig und Hunt (1984) zurückzuführenden Denken in Teilöffentlichkeiten, hinter dem sich ein anderer Segmentierungsansatz verbirgt als beim Denken in Zielgruppen. Im Unterschied zu Zielgruppen sind Teilöffentlichkeiten nämlich nicht als Gruppen von Individuen mit gemeinsamen soziodemografischen Merkmalen zu denken, sondern als soziale Systeme, deren Angehörige sich mit einem bestimmten Thema beschäftigen, von dem sie in irgendeiner Weise betroffen sind und über das sie miteinander kommunizieren. (vgl. Behrent 2008, S. 516f.; Bentele & Nothhaft 2007, S. 376; Röttger, Preusse & Schmitt 2011, S. 96–101)
„Von einem sozialen System ist [in Bezug auf die Teilöffentlichkeiten; Anmerk. d. Verf.] zu sprechen, weil die Individuen (1) sich ihrer eigenen Betroffenheit bewusst sind, (2) sich der Tatsache bewusst sind, dass es anderen ebenso geht, (3) über Kanäle oder in Foren und Medien miteinander kommunizieren, (4) sich unter Umständen sogar organisieren.“ (Bentele & Nothhaft 2007, S. 376)
So kann sich eine Zeitungsund Online-Redaktion in ihrer Transparenzkommunikation zum Beispiel gezielt an eine Gruppe richten, die sich in einem eigenen Online-Forum kritisch mit der Unabhängigkeit der Lokalberichterstattung im Erscheinungsgebiet auseinandersetzt. Die Redaktionen können auch beide Segmentierungsansätze anwenden, um daraufhin einige ihrer TK-Aktivitäten auf Zielgruppen und andere auf Teilöffentlichkeiten zuzuschneiden.