Befragung II: Fragebogenkonstruktion: Wie fragt man?

Das letzte Kapitel hat gezeigt, dass – bevor noch die erste konkrete Frage formuliert ist – eine ganze Reihe von Bedingungen erkannt und berücksichtigt werden müssen, will man valide Messergebnisse erzielen. In diesem Abschnitt soll nun ganz eng am eigentlichen Gegenstand der Befragung – der Frage im Fragebogen – die Entwicklung dieses für die Kommunikationswissenschaft so zentralen Messinstrumentes dargestellt werden.

Wie fragt man richtig? Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die zentralen Forschungsfragen und das, was man die Befragten tatsächlich fragt, nie identisch sind. Will man zum Beispiel das soziale Phänomen des Vielsehers wissenschaftlich erfassen, wird man mit der Frage „Sind Sie Vielseher?“ nicht weit kommen. Es gibt Fragen, die man als Wissenschaftler beantworten will und solche, die der Befragte beantworten soll. Will man wissen, ob die Deutschen heute politikverdrossener sind als noch vor zehn Jahren, kann man keine ergiebige Antwort auf die Frage „Sind Sie heute politikverdrossener als vor zehn Jahren?“ erwarten. Die Fragen, die man den Befragten stellt, müssen ganz anders aussehen. Sie müssen konkreter an das Problem herangehen, müssen dem Befragten ermöglichen, das eigene Verhalten bzw. die eigenen Einstellungen zu artikulieren. Natürlich kann man fragen: „Ist Ihrer Meinung nach die Politikverdrossenheit angestiegen?“ Dabei erhebt man dann allerdings Daten darüber, ob die Öffentlichkeit glaubt, dass Politikverdrossenheit angestiegen sei und nicht über das theoretische Konstrukt Politikverdrossenheit selbst.

Die Fragen, auf die der Forscher eine Antwort erhalten will, nennen wir Programmfragen und die Fragen, die Interviewpartnern gestellt werden, nennen wir Testfragen. Beide unterscheiden sich fundamental.

Es wird also notwendig sein, ein theoretisches Konstrukt wie Politikverdrossenheit begrifflich so zu zerlegen, dass man zunächst (vgl. Kap. 1) die Dimensionen des Konstruktes herausarbeitet und Indikatoren bildet. Beim Konstrukt „Politikverdrossenheit“ könnten geeignete Indikatoren zum Beispiel sein:

• Wahlverhalten,

• Grad der politischen Partizipation,

• Nutzung informationsorientierter Medieninhalte usw.

Alle diese Dimensionen sind geeignet, Politikverdrossenheit näher zu beschreiben. Geht jemand zur Wahl, engagiert sich politisch und nutzt Informationsinhalte der Medien? Dies sind die Programmfragen. Mit diesem ersten Schritt – Überführung der allgemeinen Forschungsfrage in konkretere Programmfragen – hat man Indikatoren gebildet, die zentralen Begriffe definiert, jedoch noch keine Frage entwickelt, die man einem Befragten vorlegen könnte. Programmfragen sind immer noch ungeeignet, möglichst ergiebige Antworten zu erhalten. Es zeichnet sich jedoch schon eine Struktur ab, welche Themenbereiche der Fragebogen abdecken soll; in unserem Beispielfall drei große Bereiche. Im nächsten Schritt werden die drei großen Dimensionen wiederum in einzelne, ganz konkrete Indikatoren zerlegt. Bei dem Indikator

„Grad der Partizipation“ wären dies zum Beispiel:

• Mitgliedschaft in einer politischen Partei,

• Teilnahme bei Demonstrationen,

• Engagement in Bezirksausschüssen,

• Teilnahme an Bürgerversammlungen usw.

 
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